(Rom/Bonn) Die neue Ausgabe des Vatican Magazin bietet einen staunenswerten Wettlauf der Rechtgläubigkeit. Laut Chefredakteur Guido Horst im Editorial wolle der Papst keinen Umsturz in Sachen „wiederverheiratete“ Geschiedene und Homosexuelle.
„Der Wind“ habe sich in Rom gedreht, was indirekt erstmals auch in diesem deutschen Monatsmagazin durchklingen läßt, daß in den vergangenen Monaten vom Papst in Rom ganz anderes beabsichtigt, den Lesern aber tunlichst verschwiegen wurde.
Doch auch Kardinal Marx und die deutschen Bischöfe reklamieren über ihren Pressesprecher völlige Rechtgläubigkeit, Einheit und Übereinstimmung mit Rom. Spätestens an dieser Stelle ist Wachsamkeit geboten und diese „neue Rechtgläubigkeit“ näher zu betrachten.
In welche Richtung segelt das Schiff der Kirche?
Seit der Rede von Kardinal Walter Kasper im Februar 2014 beim Kardinalskonsistorium bestehen erhebliche Zweifel, in welche Richtung das Schiff der Kirche gelenkt werden soll. Katholisches.info dokumentierte die zweideutigen Signale, die Papst Franziskus aussandte. Mehr noch, wir haben in ihm den eigentlichen Hauptakteur im Hintergrund identifiziert (siehe Die Bischofssynode, der Regisseur, die Akteure – Chronologie eines versuchten Paradigmenwechsels).
Nun erklärt im Gefolge des italienischen Vatikanisten Sandro Magister auch der Chefredakteur des Vatican Magazin, Guido Horst, Papst Franziskus habe die Kasper-Fraktion fallengelassen (siehe Bischofssynode: Kaspers Stern im Sinken?). In seinem Editorial „Wie es ist, wenn der Wind sich dreht“, beruft sich auch Horst auf das Franziskus-Interview des mexikanischen Fernsehsenders Televisa. Aufgezeichnet am vergangenen 6. März in Santa Marta, ausgestrahlt am 12. März.
Anfangs lagen nur teilweise und widersprüchliche Übersetzungen vor. Das hat sich geändert: „Kardinal Walter Kasper wird kräftig schlucken“, meint nun Horst. „So ist es, wenn der Wind sich dreht. In Rom mehren sich die Anzeichen dafür, dass der Weg, den der deutsche emeritierte Kurienkardinal (…) weisen wollte, schon an seinem Ende ist. Trotz aller deutschen Sonderpastoral, von denen [sic] wichtige Bischöfe im Lande Luthers träumen. (…) Lange hat Papst Franziskus geschwiegen. Jetzt hat er Farbe bekannt“, so Horst.
Hat Papst Franziskus bisher „geschwiegen“? Hat er nun „Farbe bekannt?“
Hat der Papst aber wirklich bisher „geschwiegen“? Und hat er nun wirklich „Farbe bekannt?“ Die Frage ist in zweierlei Hinsicht berechtigt. Das Televisa-Interview schlägt in diesem Punkt tatsächlich neue Töne an, bleibt allerdings in einer gewohnt unscharfen „Ungefähr“-Sprache. Zweitens scheint das Verkünden einer „Wende“ durch das Vatican Magazin nicht automatisch glaubhaft, da es bisher die gegenteiligen Aktionen und Aussagen des Papstes systematisch ausgeblendet hat. Denn „geschwiegen“ hat der Papst bisher nicht. Lediglich jetzt erfährt der Leser implizit, daß Papst Franziskus bisher wohl einen ganz anderen Kurs verfolgt haben muß, wenn „der Wind sich nun dreht“.
Papst Franziskus hat nun– laut Guido Horst – die Segel also wieder in Richtung überlieferter Ehelehre gesetzt. Wir wollen dankbar einen Lobgesang anstimmen und Gott preisen, wenn dem so sein sollte und auch vergessen, was der Papst in eine gegenteilige Richtung unternommen hat. Allerdings in einer faktengesicherten Reihenfolge.
DBK-Protest gegen „oberflächliche Polemik“
Blättert man im neuen Vatican Magazin nur wenige Seiten weiter, stößt man schon auf einen weiteren Hauptakteur der „neuen Barmherzigkeit“, der die Rechtgläubigkeit für sich reklamiert. Reinhard Kardinal Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hat Matthias Kopp, seinen Pressesprecher vorgeschickt, um gegen die Berichterstattung zu Marxens Schisma-Drohung zu protestieren (siehe „Gott bewahre uns vor den Deutschen“ – Marxens Drohung gegen Rom).
Am vergangenen 24. Februar sprach der Münchner Erzbischof in Hildesheim bei der Pressekonferenz zum Abschluß der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe eine ziemlich unverhohlene Drohung Richtung Rom aus. In Klartext übersetzt: Entweder „wiederverheiratete Geschiedene“ werden zur Kommunion zugelassen und Homosexualität anerkannt oder die Deutsche Bischofskonferenz geht den Weg einer deutschen Nationalkirche und setzt es auf eigene Faust um. In der Tat handelte es sich mehr um eine Form der Druckerhöhung auf Rom als um die Ankündigung eines Schismas.
Marxens „differenziertes Vorgehen in der Familienpastoral“
Das Vatican Magazin hatte es gewagt, diesen Sachverhalt deutlich darzustellen. Was die Redaktion gegenüber Papst Franziskus nicht wagte, wagte sie aber gegenüber dem gewichtigen Münchner Kardinal. Darob erbost, erwiderte für den Kardinal Matthias Kopp und spricht von „Polemik“. Kardinal Marx werbe lediglich „für ein differenziertes Vorgehen in der Familienpastoral“. Er wolle weder eine deutsche Nationalkirche „noch das Prinzip der Communio aufkündigen“. Ihm gehe es darum, „dass die Familienseelsorge weiterentwickelt wird – ohne dass dabei lehramtliche Fragen entschieden werden sollten“. Ihm einfach zu unterstellen, er wolle die Kommunion für Wiederverheiratete, sei etwas „Oberflächliches“. Kopp schrieb nicht etwa: „ohne dass dabei lehramtliche Positionen verändert werden sollten“.
Kopp schließt mit den Worten an Guido Horst: „Der Herr Chefredakteur darf daher sicher sein, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und seine Mitbrüder im Bischofsamt in Einheit mit dem Heiligen Vater einen gemeinsamen Weg in der Seelsorge und in Bezug auf die Klarheit in den lehramtlichen Fragen suchen werden.“
Vorerst bleiben vor allem Fragen: an Kardinal Marx und Papst Franziskus
Man kann dieses neue Drängeln Richtung Rechtgläubigkeit staunend zur Kenntnis nehmen und möchte den schönen Schalmeien auch gerne folgen. Wären sie nicht zu verführerisch. Jeder gläubige Katholik wird jedem Kirchenführer in Gehorsam folgen, der den überlieferten Glauben der Kirche verteidigt. Und wird auch gerne vergessen, wenn dieser zuvor Gegenteiliges gesagt und getan haben sollte. Vorerst aber stehen vor allem Fragen im Raum. Zwei seien genannt.
An Kardinal Marx gerichtet:
Wäre eine offene, ehrliche Sprache nicht angebrachter?
Pressesprecher Kopp dementiert im indignierten Tonfall jeden deutschen Sonderkurs abseits der Rechtgläubigkeit. Doch sein Arbeitgeber, Kardinal Reinhard Marx, gab sich in Hildesheim alle Mühe, um vor der Presse genau diesen Sonderkurs zu betonen. Und in der Tat repliziert Kopp dem Vatican Magazin und nicht der weltlichen Presse. Was sollen diese Spielchen mit Eindrücken, Signalen, Dementis da, Bekräftigungen dort? Ist das Sprache und Vorgangsweise der Kirche Christi?
An Papst Franziskus gerichtet:
War dann der ganze Zinnober mit Kardinal Kasper nur ein Versuchsballon?
Warum das demonstrative Lob für die „neue Barmherzigkeit“ von Kardinal Kasper, die Einberufung der Bischofssynode und deren gezielte Ausrichtung auf die „wiederverheirateten“ Geschiedenen (und die Homosexuellen)? Was war das mit dem nie dementierten Anruf bei jener Argentinierin, die mit einem geschiedenen Mann zusammenlebt, die zum Kommunionempfang einfach in eine Nachbarpfarrei ausweichen solle? Nur Testläufe, um zu sehen, welche Reaktionen folgen und je nach Widerstand oder Zuspruch ein Ziel weiterzuverfolgen oder zurückzustellen? Das ist eine geübte Vorgangsweise der zwischenstaatlichen Diplomatie. Eignet sie sich aber wirklich für die Kirche Christi?
Widerstand mutiger Kardinäle, Bischöfe und Laien ausschlaggebend
Sollte sich der Wind tatsächlich gedreht haben, wie Guido Horst dem Vatikanisten Sandro Magister sekundiert, dann lassen sich derzeit nur zwei Elemente erkennen, die eine solche Wende herbeigeführt haben könnten: Einmal und an erster Stelle der entschiedene Widerstand einer Reihe von Kardinälen, Bischöfen und Laieninitiativen zur Verteidigung der katholischen Ehe- und Morallehre. Zweitens, daß Kardinal Marx und die ihm folgsame Mehrheit der deutschen Bischöfe mit ihrer Schisma-Drohung den Bogen beim argentinischen Papst überspannt haben. Daß man über diesen deutschen Ausritt im Vatikan not amused war, das bekommt seit Anfang März in Rom zu hören, wer immer es hören will.
Tatsache ist, daß in Deutschland und in Rom in gewissen Kreisen in progressistischer Verklärtheit nicht mit so heftigem Widerstand gegen eine wie immer getarnte Veränderung der katholischen Glaubenslehre gerechnet wurde. Ein Widerstand, bei dem sich die Kirche als Weltkirche zeigt. Bitter bleibt, daß es die Kirche des deutschen Sprachraums ist, die das Rebellentum anführt. Ein vielschichtiges Versagen, nicht zuletzt auch einer schmerzlich verfehlten Personalpolitik bei Bischofsernennungen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Magazin (Screenshot)