(Rom) Kurienerzbischof Piero Marini, von 1987 bis 2007 Zeremonienmeister für die Liturgischen Feiern des Papstes, veröffentlichte soeben mit Bruno Cescon das Buch „Io sono un Papa amabile. Giovanni Paolo II“ (Ich bin ein liebenswerter Papst. Johannes Paul II.). Darin bietet er den liturgischen Erneuerungen während seiner Amtszeit und der teils scharfen Kritik daran breiten Raum, um seine Arbeit als päpstlicher Zeremonienmeister Papst Johannes Pauls II. darzustellen und zu rechtfertigen .
Papst Benedikt XVI. löste Msgr. Piero Marini ab und ernannte ihn zum Vorsitzenden des Päpstlichen Komitees für die Internationalen Eucharistischen Kongresse. Seit 1. Oktober 2007 ist Msgr. Guido Marini neuer päpstlicher Zeremonienmeister. Trotz des gleichen Namens gehören die beiden Marinis unterschiedlichen liturgischen Schulen an.
Piero Marini: Fortsetzung der Liturgiereform Msgr. Bugninis
Msgr. Piero Marini (Jg. 1942) war an der römischen Kurie Johannes Pauls II. nicht nur Zeremonienmeister, sondern der Fortsetzer der Liturgiereform des Lazaristenpaters Annibale Bugnini (1912–1984). Msgr. Bugnini war 1964 von Papst Paul VI. zum Sekretär des neugeschaffenen Rats zur Umsetzung der Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium ernannt worden und setzte von 1969 bis 1975 als Sekretär der daraus entstandenen Gottesdienstkongregation die Liturgiereform von 1970 um. Er war einer der zentralen Gestalten in der Ausarbeitung und Umsetzung der liturgischen Umgestaltung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Trotz teils heftiger Kritik und persönlichen Angriffen hielt Msgr. Bugnini an der Reform fest.
Msgr. Piero Marini war seit den 60er Jahren Msgr. Bugninis persönlicher Sekretär und engster Mitarbeiter und wirkte bereits während des Konzils als Berater an der Neugestaltung der liturgischen Bücher mit.
Msgr. Piero Marini setzte die durch Bugnini unter Paul VI. begonnene liturgische Reform unter dessen polnischem Nachfolger fort. Während seiner Amtszeit als Zeremonienmeister führte er eine Reihe von Neuerungen bei den päpstlichen Gottesdiensten ein, die teils nicht weniger heftige Kritik auslösten, wie sie bereits seinen liturgischen Lehrmeister getroffen hatten. Als Hauptvorwurf wurde Msgr. Piero Marini (genauso wie Msgr. Bugnini) mangelndes Verständnis und fehlende Sensibilität für die tausendjährige liturgische Tradition der Kirche vorgeworfen.
Guido Marini aus der Schule Kardinal Siris
Msgr. Guido Marini (Jg. 1965), der neue Zeremonienmeister Papst Benedikts XVI., entstammt hingegen der „noblen und strengen“ Schule Kardinal Giuseppe Siris (1906–1989). Der Erzbischof von Genua spendete wenige Monate vor seinem Tod Guido Marini die Priesterweihe. Den damaligen Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz Siri bezeichnete der Historiker Roberto de Mattei in seiner vor wenigen Monaten erschienenen Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils (Il Concilio Vaticano II. Una storia mai scritta) als einen der einflußreichsten Verteidiger der kirchlichen Überlieferung gegen modernistische Tendenzen beim Konzil. Sein „Widerstand“ war allerdings durch seinen bedingungslosen Gehorsam für Papst Paul VI. vielfach „in seiner Wirksamkeit sehr eingeschränkt“.
Die Amtsübergabe von Piero Marini an seinen Nachfolger Guido Marini sei sehr schnell und formal über die Bühne gegangen, wie damals die Internetseite Petrus von Gianluca Barile berichtete. Die „herrschende Eiseskälte war spürbar“.
An Spektakel grenzende päpstliche Liturgien
Vielfach wurde die Frage gestellt, so nun auch vom Vatikanisten Paolo Rodari, ob Msgr. Piero Marini seine liturgischen Neuerungen, seine „an Spektakel grenzende päpstliche Liturgien“, wie Rodari schreibt, Papst Johannes Paul II. auferlegt wurden oder von diesem gewollt und gutgeheißen wurden. Dreieinhalb Jahre nach seiner Ablösung durch Papst Benedikt XVI., griff der ehemaligen Zeremonienmeister zur Feder, um der Öffentlichkeit pünktlich zur Seligsprechung Johannes Pauls II. mitzuteilen, daß das Vorpreschen in den päpstlichen Liturgien von diesem „gewollt“ gewesen seien. Msgr. Piero Marini schreibt, der Papst „hätte sogar noch etwas mehr gewollt“ auf dem Weg, Elemente der verschiedenen Kulturen der Welt aufzunehmen, die dem römischen Kanon fremd waren. Der ehemalige Zeremonienmeister Johannes Pauls II. schreibt, Papst Wojtyla habe die Neuerungen gewollt und habe die Strenge der römischen Liturgie durch die Einführung neuer Kulturen in deren abgeschlossenen Zirkel brechen wollen.
Für jede Reise eine neue Liturgie
„Für jede Reise eine neue Liturgie“, so schildert nun Msgr. Piero Marini die 18 Jahre an der Seite Johannes Pauls II. und „Jede Reise ein neues Raunen im Gefolge des Papstes.“ Dann gibt der Kurienerzbischof einige Anekdoten zum Thema zum Besten: 1991 habe ihm der Ortsbischof in San Luis de Maranhao in Brasilien vorgeschlagen, einen Tanz in die Papstmesse einzufügen. An der Stelle der Liturgie, an der das Evangelium verkündet wird, traten zwei Tänzerinnen auf. Der Wind hob die Kleider und legte den Blick auf ihre Nacktheit frei.
In der Sakristei hätten die anwesenden Kardinäle empört gefragt, ob dergleichen wirklich geschehen müsse. Der Vorsitzende der brasilianischen Bischöfe habe, laut Marini, geantwortet: „Ich habe doch die Engel der Auferstehung gesehen.“
Marini berichtet weiters, daß Johannes Paul II. sich während der von ihm choreographierten Liturgien mehrmals zu ihm umgedreht habe mit den Worten: „Schön, schön.“ Um damit sagen zu wollen, der Papst habe von den Neuerungen gewußt und sie gutgeheißen, während viele kirchliche Würdenträger ihre Verwunderung oder gar Empörung äußerten. „Unter ihnen befand sich vielleicht auch Joseph Ratzinger“, schreibt Paolo Rodari, „der als Papst nun seine Kirche an andere Liturgien gewöhnt.“
Msgr. Marinis Buch stellt das Dokument eines Akteurs und eines Zeitzeugen dar. Passagen vermitteln allerdings den Eindruck einer nachträglichen Rechtfertigung seiner Arbeit. In einem Interview, das der ehemaligen Zeremonienmeister 2007 vor seiner Ablöse gab, sagte er: „Unter Johannes Paul II. war ich ein wenig freier. Wir hatten einen unausgesprochenen Pakt, weil er ein Mann des Gebets und nicht der Liturgie war. (…) Mit ihm [Benedikt XVI.] muß ein bißchen mehr aufpassen, weil er ein Liturgieexperte ist.“
Zudem schrieb Papst Johannes Paul II. in der Enzyklika Ecclesia de Eucharistia, II. Nr. 52:
“Leider ist zu beklagen, daß es – vor allem seit den Jahren der nachkonziliaren Liturgiereform – infolge einer falsch verstandenen Auffassung von Kreativität und Anpassung nicht an Mißbräuchen gefehlt hat, die Leiden für viele verursacht haben. Insbesondere in einigen Gebieten hat eine gewisse Gegenbewegung zum »Formalismus« manche dazu verleitet, die von der großen liturgischen Tradition der Kirche und von ihrem Lehramt gewählten »Formen« für nicht verbindlich zu erachten und nicht autorisierte und oft völlig unpassende Neuerungen einzuführen.“
(Palazzo Apostolico/Giuseppe Nardi, Bild: Petrus)