McCarrick verliert Kardinalswürde


Kardinal McCarrick

(Rom) Am Frei­tag abend erhielt Papst Fran­zis­kus das Schrei­ben des US-Kar­di­nals Theo­do­re McCar­ri­ck, eme­ri­tier­ter Erz­bi­schof von Washing­ton, mit dem die­ser sei­nen Ver­zicht auf die Kar­di­nals­wür­de bekanntgab.

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So gab es das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt am ver­gan­ge­nen Sams­tag bekannt. Und weiter:

„Papst Fran­zis­kus hat den Ver­zicht des Kar­di­nals ange­nom­men und sei­ne Sus­pen­die­rung von jeg­li­cher Aus­übung eines öffent­li­chen Amtes ange­ord­net mit der Pflicht, in einem ihm zuge­wie­se­nen Haus zu blei­ben, um ein Leben des Gebets und der Buße zu füh­ren, bis die gegen ihn erho­be­nen Anschul­di­gun­gen im ordent­li­chen kano­ni­schen Ver­fah­ren geklärt sind.“

Eine Woche zuvor war die Eme­ri­tie­rung des Weih­bi­schofs von Tegu­ci­gal­pa und Pro­te­gé von Kar­di­nal Oscar Rodri­guez Mara­dia­ga bekannt­ge­ge­ben wor­den. Die Anschul­di­gun­gen lau­ten ähn­lich. Sowohl Kar­di­nal McCar­ri­ck als auch Weih­bi­schof Juan Jose Pine­da wird vor­ge­wor­fen, homo­se­xu­el­le Bezie­hun­gen unter­hal­ten zu haben und Semi­na­ri­sten im Prie­ster­se­mi­nar der eige­nen Diö­ze­se sexu­ell belä­stigt zu haben.

Es gehört zur Medi­en­po­li­tik des Hei­li­gen Stuhls, sol­che Bekannt­ga­ben am Wochen­en­de vor­zu­neh­men, wo mit der gering­sten öffent­li­chen Auf­merk­sam­keit zu rech­nen ist.

McCarrick und Pineda: zwei unterschiedlich behandelte Fälle

Bei den bei­den Fäl­len sticht aller­dings eine unter­schied­li­che Behand­lung ins Auge. Gegen den bereits 88 Jah­re alten Kar­di­nal McCar­ri­ck wur­den schwer­ste Sank­tio­nen ver­hängt. McCar­ri­ck war bereits 2006 von Papst Bene­dikt XVI. als Erz­bi­schof von Washing­ton eme­ri­tiert wor­den. Papst Fran­zis­kus ver­lang­te von ihm aber auch den Ver­zicht auf sei­ne Kar­di­nals­wür­de. Der gewe­se­ne Kar­di­nal darf sein Prie­ster­tum nicht mehr öffent­lich aus­üben und muß ein Leben des Gebets und der Buße füh­ren. Im vati­ka­ni­schen Pres­se­bul­le­tin heißt es zwar, daß die Schuld erst durch ein ordent­li­ches kano­ni­sches Ver­fah­ren ermit­telt wird. Die von Fran­zis­kus gegen McCar­ri­ck ver­häng­ten Sank­tio­nen kom­men jedoch einer Vor­ver­ur­tei­lung gleich.

Juan Jose Pineda mit Kardinal Maradiaga
Juan Jose Pine­da mit Kar­di­nal Maradiaga

Ganz anders der Fall in Hon­du­ras: Der erst 57 Jah­re alte Pine­da, dem neben einem homo­se­xu­el­len Dop­pel­le­ben und neben sexu­el­len Über­grif­fen gegen Semi­na­ri­sten auch Unter­schla­gung von Gel­dern vor­ge­wor­fen wird, wur­de ledig­lich vom Amt des Weih­bi­schofs eme­ri­tiert, und das – wie betont wird – auf des­sen eige­nen Wunsch hin. Sank­tio­nen gegen den eng­sten Mit­ar­bei­ter von Kar­di­nal Mara­dia­ga in des­sen Erz­bis­tum Tegu­ci­gal­pa wur­den kei­ne ver­hängt. Pine­da trat gegen­über Medi­en sei­nes Lan­des viel­mehr selbst­be­wußt auf.

Der Ver­zicht auf die Kar­di­nals­wür­de stellt eine abso­lu­te Sel­ten­heit dar. Unter Papst Fran­zis­kus han­delt es sich aber bereits um den zwei­ten Fall. 2015 ver­zich­te­te der schot­ti­sche Kar­di­nal Keith Patrick O’Brien auf alle Rech­te und Pflich­ten als Kar­di­nal. Der Schritt erfolg­te eben­falls auf mas­si­ves Drän­gen des Vati­kans. Dem im ver­gan­ge­nen März ver­stor­be­nen ehe­ma­li­gen Erz­bi­schof von Edin­burgh war eben­falls „sexu­el­les Fehl­ver­hal­ten“ vor­ge­wor­fen wor­den. Die Vor­fäl­le gegen­über Semi­na­ri­sten sol­len sich Anfang der 80er Jah­re zuge­tra­gen haben, als er Rek­tor eines Klei­nen Semi­nars war, das 1986 geschlos­sen wur­de. Er selbst räum­te im März 2013 ein, daß es Zei­ten gege­ben habe, „in denen mein sexu­el­les Ver­hal­ten unter den Stan­dard gefal­len ist, der von mir als Prie­ster, Erz­bi­schof und Kar­di­nal erwar­tet wur­de“. Aus die­sem Grund ver­zich­te­te er 2013 an der Teil­nah­me am Konklave.

Die Absetzung von Kardinälen

Man muß lan­ge in der Geschich­te zurück­ge­hen, um einen wei­te­ren Ver­zicht auf das Kar­di­nals­pur­pur zu fin­den, wobei der Fall ganz anders lag. Er betrifft den Jesui­ten Lou­is Bil­lot, der nicht aus sexu­el­len, son­dern poli­ti­schen Grün­den auf sein Amt ver­zich­te­te. Der Fran­zo­se war 1911 in das Kar­di­nals­kol­le­gi­um auf­ge­nom­men wor­den und ver­zich­te­te 1927 auf die Kar­di­nals­wür­de, weil er die poli­ti­sche Aus­rich­tung des Pon­ti­fi­kats von Pius XI. gegen­über Frank­reich nicht teilte.

Kardinal Carvajal
Kar­di­nal Carvajal

Die genann­ten drei Fäl­le erfolg­ten offi­zi­ell auf Antrag der Betrof­fe­nen selbst, wenn­gleich in allen Fäl­len der Vati­kan auf den Amts­ver­zicht dräng­te. Theo­re­tisch könn­te der Papst auch direkt Kar­di­nä­le abset­zen. Dazu muß man mehr als ein hal­bes Jahr­tau­send zurück­ge­hen, um fün­dig zu wer­den. 1512 ent­zog Papst Juli­us II. einer Grup­pe von Kar­di­nä­len ihre Wür­de, weil sie im euro­päi­schen Mäch­te­spiel nicht ihm, son­dern dem fran­zö­si­schen König Lud­wig XII. folg­ten, den Juli­us mit dem Inter­dikt belegt hat­te. Die Kar­di­nä­le Ber­nar­di­no López de Car­va­jal, Fran­cis­co de Bor­ja, Feder­i­co San­se­ve­ri­no, René de Priei und Guil­laume Bri­çon­net berie­fen mit dem König ein Kon­zil nach Pisa ein und erklär­ten Juli­us II. für abge­setzt. Als Juli­us 1513 starb, konn­ten die abge­setz­ten Kar­di­nä­le, da ihrer Wür­de ent­klei­det und exkom­mu­ni­ziert, nicht am Kon­kla­ve teil­neh­men. Der neu­ge­wähl­te Papst Leo X. erklär­te das Kon­zil von Pisa für null und nich­tig, setz­te aber die rebel­li­schen Kar­di­nä­le wie­der in ihr Amt ein unter der Bedin­gung, daß sie ihre Rebel­li­on öffent­lich bereuten.

Fran­cis­co de Bor­ja war aller­dings bereits weni­ge Tage nach sei­ner Abset­zung und Exkom­mu­ni­zie­rung gestor­ben, ohne davon Nach­richt erhal­ten zu haben.

Die schützende Hand

Noch ein Unter­schied zwi­schen dem Fall McCar­ri­ck und dem Fall Pine­da: Die Bischofs­kon­fe­renz der USA dank­te Papst Fran­zis­kus für sein kla­res Ein­grei­fen gegen den Pur­pur­trä­ger, der als „wich­ti­ger Schritt“ bezeich­net wird. „Es spie­gelt die Prio­ri­tät wider, die der Hei­li­ge Vater der Not­wen­dig­keit gibt, alle unse­re Leu­te zu schüt­zen und zu behüten“.

Honduranische Bischofskonferenz dankt Pineda
Hon­du­ra­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz dankt Pineda

Die Hon­du­ra­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz dank­te hin­ge­gen Pine­da für sei­ne „Dien­ste und Ver­dien­ste“ (sie­he dazu „Erz­bis­tum Tegu­ci­gal­pa vom Ter­ror regiert“).

In der Pres­se­er­klä­rung der US-Bischofs­kon­fe­renz, gezeich­net von Kar­di­nal Dani­el DiNar­do, wur­de fälsch­lich behaup­tet, McCar­ri­ck sei von Papst Fran­zis­kus a divi­nis sus­pen­diert wor­den. Soweit ging Fran­zis­kus nicht. Der Kar­di­nal darf in sei­nem Domi­zil, in das er ver­bannt wird, wei­ter­hin die Mes­se zele­brie­ren, aber nur mehr in pri­va­ter Form.

Der Ein­druck in bei­den Fäl­len ist, daß der Hei­li­ge Stuhl erst reagiert, wenn ein veri­ta­bler Image­scha­den droht. Gegen McCar­ri­ck führt die New York Times das Zep­ter mit zwei Arti­keln am 16. Juli und 20 Juli. Bereits in der Ver­gan­gen­heit zeig­te sich in ande­ren Berei­chen, daß der Vati­kan unter Papst Fran­zis­kus hoch­sen­si­bel auf die Bericht­erstat­tung des links­li­be­ra­len Medi­en­flagg­schiffs reagiert.

Der Haupt­ein­druck ist aber, daß Pine­da nach wie vor die schüt­zen­de Hand von Kar­di­nal Oscar Rodri­guez Mara­dia­ga genießt, und die­ser die schüt­zen­de Hand von Papst Franziskus.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons/​CEH (Screen­shots)

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