(Königstein) Bei Kirche in Not – Deutschland ist ein Umbau im Gange. Wird das katholische Hilfswerk „bergoglionisiert“?
Kirche in Not wurde 1947 als Ostpriesterhilfe vom niederländischen Prämonstratenser Werenfried van Staaten gegründet. 1934 war er im belgischen Flandern in die Prämonstratenserabtei Tongerlo eingetreten. Nach dem Zweiten Weltkrieg sah er die Not von 14 Millionen deutschen Heimatvertriebenen, darunter zahlreiche Katholiken, die aus den Ostgebieten in die vier Besatzungszonen vertrieben worden waren. Es fehlte an allem, vor allem am täglichen Brot. So begann er bei den flämischen Bauern seiner Umgebung Nahrungsmittel zu sammeln, was ihm den Spitznamen „Speckpater“ einbrachte.
Aus der Grundversorgung der Hungernden erwuchsen im Laufe der Zeit neue Aufgaben: Hilfe für die Vertriebenen beim Bau von Wohnraum, die Versorgung der aus den deutschen Ostgebieten vertriebenen Priester, der Bau von Kirchen, schließlich Hilfe für die vom Kommunismus verfolgte Kirche hinter dem Eisernen Vorhang. Ein von Kirche in Not nach Moskau geschmuggelter Radiosender diente Boris Jelzin 1991 als Sprachrohr, um mit Hilfe der Bevölkerung den kommunistischen Putschversuch niederzuschlagen.
1964 wurde das Werk als Vereinigung von Gläubigen päpstlichen Rechts anerkannt und dehnte seine Aktivitäten auf Asien, Lateinamerika und Afrika aus. 1969 wurde der Name in Kirche in Not umbenannt und 1975 endgültig der Hauptsitz in Königstein im Taunus aufgeschlagen. In immer mehr westlichen Staaten entstanden Sektionen des Hilfswerks.
Seit 2002 ist Kirche in Not auch im Nahen Osten aktiv. Die Hilfe für die verfolgten Christen in islamischen Ländern gehört inzwischen zu einem Schwerpunkt. Jährlich veröffentlicht das Hilfswerk einen Bericht über die Religionsfreiheit in der Welt und macht durch teils spektakuläre Aktionen auf die im Westen vergessenen, verfolgten Christen aufmerksam.
Pastorales nicht humanitäres Hilfswerk
Die französische und die deutsche Sektion bilden mit rund 28 bzw. 12 Prozent der Spendeneinnahmen die beiden stärksten Zweige des internationalen Werkes, das aus insgesamt 24 nationalen Sektionen besteht.
Werenfried van Straaten ging es in seinen Bemühungen nie nur um humanitäre Hilfe. Er hatte immer die Seelsorge und die Evangelisierung fest im Blick. Kirche in Not verstand er als pastorales, nicht als humanitäres Hilfswerk (Förderung der Priesterausbildung, Unterstützung von verfolgten und armen Priestern in der Diaspora, Verteilung von Bibeln, Förderung der katholischen Medienarbeit). Zudem sah er in den Spendern und Unterstützern eine große Gebetsgemeinschaft.
Viele Jahre war van Straaten in den Diözesen des deutschen Sprachraumes ein gerngesehener, weil wortgewaltiger Prediger. Im Zuge der nachkonziliaren Neuerungen begann sich die Begeisterung aber abzukühlen. Van Straaten war nicht nur eine großgewachsene, beeindruckende Gestalt. Er war vor allem kein Fähnlein im Wind. Deshalb galt er dem „neuen Wind“ zunehmend als „zu konservativ“. Davon ließ er sich aber nicht beeindrucken. In seiner Nichte, Antonia Willemsen, fand er eine zuverlässige Stütze, die sein Werk fortführte. Van Straaten starb 2003 und wurde in Königstein begraben. Unter der Leitung von Karin Maria Fenbert, die seit 2004 Geschäftsführerin von Kirche in Not – Deutschland ist, konnte allein zwischen 2010 und 2017 das Spendenaufkommen um mehr als 50 Prozent gesteigert werden.
Erhebung zur Päpstlichen Stiftung – mit Folgen
2011 wurde Kirche in Not unter Benedikt XVI. als Stiftung päpstlichen Rechts anerkannt. Das bedeutete vor allem eine päpstliche Auszeichnung und einige rechtliche Besserstellungen im internationalen Kontext. Es bedeutete aber auch zusätzliche Einflußnahme auf das Hilfswerk, die sich als nicht unproblematisch erwies. Papst Benedikt XVI. ernannte Kardinal Mauro Piacenza zum Präsidenten der Stiftung. Maßgeblicher war, daß Johannes Freiherr Heereman von Zuydtwyck geschäftsführender Präsident wurde. Heereman war zuvor Präsident von Malteser International, dem weltweiten Hilfswerk des Malteserordens.
Während Malteser International ein humanitäres Hilfswerk ist, ist Kirche in Not ein pastorales Hilfswerk. Heereman ließ aber anscheinend durchblicken, wie in Rom zu hören war, daß ihm auch für Kirche in Not eine Zukunft als humanitäres Hilfswerk vorschwebe. Dies wurde wohl auch den Sektionen signalisiert und führte nicht zuletzt in der deutschen Sektion zu einem Tauziehen zwischen den Straaten-Treuen und der sogenannte „NGO-Fraktion“. In der Kirchen- und Glaubenskrise von heute, so die einen, brauche es nicht eine weitere humanitäre NGO, die undifferenzierte Sozialarbeit im UNO-Kontext leiste, sondern vor allem ein Werk zur Glaubensstärkung: zur Stärkung der verfolgten und armen Christen, aber auch zur Stärkung des Glaubens in den reichen Ländern des Westens, die zum Missionsgebiet geworden sind.
Der unter Willemsen in der deutschen Sektion fortgeführte Kurs des „Speckpaters“, sich um Glaubenstreue zu bemühen, fand aber auch im liberalen Gesäusel der deutschen Kirche immer weniger Rückhalt. Gegen den Willen der kirchlichen Hierarchie, ob auf der Ebene der Orts- oder jener der Weltkirche, läßt sich aber in einer kirchlichen anerkannten Institution keine Linie durchhalten.
Straaten-Fraktion unterliegt NGO-Fraktion
2014 gab Willemsen altersbedingt den Vorsitz der deutschen Sektion ab. Die Übernahme durch die „NGO-Fraktion“ konnte noch einmal verhindert werden. Den Vorsitz übernahm Bischof Georg Maria Hanke von Eichstätt. Seit dem Streit um die Handreichung zur Interkommunion weiß man, daß Bischof Hanke in der Deutschen Bischofskonferenz zur Minderheit gehört. In die Minderheit ist inzwischen auch die bisherige Führung von Kirche in Not – Deutschland geraten.
Der Konflikt scheint nun endgültig im Sinne Heeremans entschieden zu sein. Dieser gab zwar Mitte April das Amt des geschäftsführenden Vorsitzenden der Päpstlichen Stiftung Kirche in Not ab, installierte aber mit dem Österreicher Thomas Heine-Geldern einen Nachfolger seines Vertrauens. Damit waren die Würfel gefallen.
Kirche in Not – Deutschland veröffentlichte am 14. Juni eine Presseerklärung, die aufhorchen läßt (zentrale Stellen von der Redaktion unterstrichen):
„Kirche in Not Deutschland” erhält neue Führung
Bischof Gregor Maria Hanke und Geschäftsführerin Karin Maria Fenbert beenden Dienst
Der Verein Kirche in Not Ostpriesterhilfe Deutschland e.V., der die deutsche Sektion des päpstlichen Hilfswerkes „Aid to the Church in Need“ bildet, erhält eine neue Führung.
Bischof Gregor Maria Hanke, bisher Vorsitzender der deutschen Sektion, und die langjährige Geschäftsführerin Karin Maria Fenbert geben ihre Ämter auf, um dem Wunsch der internationalen Stiftung mit insgesamt 23 nationalen Sektionen nach einer personellen und strukturellen Neuausrichtung sowie einer Anpassung der deutschen Vereinsstrukturen an die zentrale Struktur der Stiftung zu entsprechen.
Ein neuer Vorsitzender wird bei der nächsten Mitgliederversammlung, die voraussichtlich im Herbst 2018 stattfinden wird, gewählt werden und muss von der päpstlichen Stiftung sodann kirchenrechtlich bestätigt werden.
Der neue Vorsitzende beruft nach seiner Bestätigung anschließend den oder die Geschäftsführer/in, die ebenfalls von der Zentrale in Königstein zu bestätigen ist.
Karin Maria Fenbert wird voraussichtlich noch bis 31.07.2018 für Kirche in Not Deutschland aktiv tätig sein. Bis zur kirchenrechtlichen Bestätigung der neuen Führungsstruktur führt der stellvertretende Vorsitzende Dr. Josef Dohrenbusch den Verein.
Bischof Hanke folgte am 1. August 2014 als Vorsitzender der deutschen Sektion auf Antonia Willemsen, die Verwandte des Gründers von Kirche in Not, Pater Werenfried van Straaten.
Bischof Gregor Maria Hanke und Karin Maria Fenbert waren neben der materiellen Hilfe für die notleidende Kirche in allen Teilen der Welt auch die Vertiefung des christlichen Glaubens in Deutschland stets ein zentrales Anliegen, ebenso wie Antonia Willemsen und Pater Werenfried van Straaten.
Das Spendenaufkommen der deutschen Sektion stieg von 2010 bis 2017 insgesamt um mehr als 51 Prozent und allein im Jahre 2017 gegenüber dem Vorjahr 2016 um 29 Prozent.
Bischof Hanke dankte der scheidenden Geschäftsführerin für Ihren außerordentlichen Einsatz für Kirche in Not, der das Hilfswerk fest in den Herzen der Wohltäter wie der hilfebedürftigen kirchlichen Einrichtungen auf der ganzen Welt verankert habe.
Auf den Malteserorden folgt Kirche in Not
Kirche in Not – Deutschland bemühte sich in den vergangenen Jahren auch um die Förderung katholischer Medien. Das Hilfswerk unterstützte verschiedene Medienprojekte finanziell, darunter zum Beispiel hauptsächlich das Nachrichtenportal Kath.net. Das könnte der Grund sein, weshalb Kath.net die Presseerklärung der bisherigen Führung zwar mehrfach (zwischen 14. und 15. Juni) ins Netz stellte, aber gleich wieder entfernte. Die Presseerklärung gibt eben nicht nur einen personellen Wechsel, sondern auch einen Richtungswechsel bekannt. Will Kath.net es sich nicht mit der neuen Führung vertun?
In der Tat kann die „Bergoglianisierung“ von Kirche in Not weitreichende Folgen haben, sollten die bisherigen, spezifisch katholischen Projekte im deutschen Sprachraum zugunsten einer rein humanitären Hilfe in Krisengebieten eingestellt werden.
Wie problematisch im katholischen Kontext humanitäre Hilfe sein kann, haben zum Jahreswechsel 2016/2017 schwerwiegende Konflikte im Malteserorden gezeigt. Der damalige Großmeister Matthew Festing hatte Großkanzler Albrecht Freiherr von Boeselager – wie Heereman Deutscher und Malteser des Zweiten Standes – vorgeworfen, daß unter seiner Verantwortung von Malteser International in Krisengebieten, in Zusammenarbeit mit der UNO, Verhütungsmittel verteilt wurden (siehe auch). Papst Franziskus – katholische Morallehre hin oder her – stellte sich hinter Boeselager und zwang Großmeister Festing zum Rücktritt.
Das Beispiel zeigt, welche Richtung derzeit die Oberhand gewinnt – zuerst bei den Maltesern, nun auch bei Kirche in Not.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Kirche in Not/Chiesa che soffre (Screenshots)