Neuer Fürst und Großmeister des Malteserordens gewählt


Malteserorden
Der neue Großmeister Giacomo Dalla Torre und der Großkanzler Albrecht Freiherr von Boeselager (rechts)

(Rom) Fra Gia­co­mo Dal­la Tor­re del Tem­pio di San­gui­net­to wur­de gestern vom Gro­ßen Staats­rat zum 80. Für­sten und Groß­mei­ster des Sou­ve­rä­nen Rit­ter- und Hos­pi­tal­or­dens vom Hei­li­gen Johan­nes von Jeru­sa­lem von Rho­dos und von Mal­ta gewählt. Nach 15 Mona­te der Sedis­va­kanz hat der Mal­te­ser­or­den wie­der ein Ober­haupt. Fra Dal­la Tor­re folgt auf Groß­mei­ster Matthew Fest­ing, der von Papst Fran­zis­kus Ende Janu­ar 2017 zum Rück­tritt gezwun­gen wor­den war.

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Der Mal­te­ser­or­den blickt auf eine Geschich­te von bald tau­send Jah­ren zurück. Der Grün­dungs­ur­sprung als geist­li­cher Hos­pi­tal­or­den liegt im Jahr 1048. 1099 wur­de er im Zuge des Ersten Kreuz­zugs unter dem ersten Groß­mei­ster Ger­hard Sas­so zum Rit­ter­or­den. Als sol­cher wur­de er 1113 von Papst Pascha­lis II. aner­kannt. Der Orden ist ein sou­ve­rä­nes Völ­ker­rechts­sub­jekt, ein Staat fast ohne eige­nes Staats­ge­biet. Er zählt mehr als 13.000 Rit­ter und Damen, unter­hält mit 107 Staa­ten diplo­ma­ti­sche Bezie­hun­gen und betreibt 2000 huma­ni­tä­re Pro­jek­te in 120 Staa­ten, für die er auf 120.000 Frei­wil­li­ge und Mit­ar­bei­tern zäh­len kann. Der Jah­res­haus­halt liegt bei zwei Mil­li­ar­den Euro.

Der 80. Fürst und Großmeister des Ordens, Fra Giacomo Dalla Torre
Der 80. Fürst und Groß­mei­ster des Ordens, Fra Gia­co­mo Dal­la Torre

Wegen der Tur­bu­len­zen nach dem mas­si­ven Ein­griff von Papst Fran­zis­kus ent­schied der Gro­ße Staats­rat im April 2017 kei­nen neu­en Groß­mei­ster zu wäh­len, son­dern auf ein Jahr einen Statt­hal­ter ein­zu­set­zen. Die Wahl fiel auf den all­ge­mein geschätz­ten Groß­pri­or von Rom, Fra Gia­co­mo Dal­la Torre.

Sei­ne nun­mehr erfolg­te Wahl zum Groß­mei­ster stellt einen Sieg der „deut­schen Rich­tung“ im Orden dar, wie es nach den Ereig­nis­sen des Vor­jah­res zu erwar­ten war. Papst Fran­zis­kus hat­te unmiß­ver­ständ­lich zu ver­ste­hen gege­ben, daß er die­se Rich­tung unter­stützt, indem er von Groß­mei­ster Fest­ing den Rück­tritt ver­lang­te und den bekann­te­sten Ver­tre­ter der „deut­schen Rich­tung“, Albrecht Frei­herr von Boe­se­la­ger, den Fest­ing abge­setzt hat­te, wie­der als Groß­kanz­ler des Ordens einsetzte.

Zugleich hat­te der Hei­li­gen Stuhl eine Ver­fas­sungs­än­de­rung ange­regt, mit der der Kreis der poten­ti­el­len Kan­di­da­ten für das Groß­mei­ster­amt erwei­tert wer­den soll­te. Der­zeit gel­ten restrik­ti­ve Zugangs­be­din­gun­gen zum höch­sten Staats- und Ordens­amt. Der Kan­di­dat muß seit einer vor­ge­schrie­be­nen Zeit Pro­feß­rit­ter sein und die Adels­pro­be bestan­den haben.

Mit der Fra­ge, wer als Groß­mei­ster wähl­bar ist, und ob und wie­weit auch der Zwei­te oder der Drit­te Stand ein­ge­bun­den wer­den soll, hängt die Iden­ti­tät des Ordens zusam­men. Aus einem geist­li­chen Rit­ter­or­den wür­de eine Lai­en­ge­mein­schaft wer­den. Umge­kehrt wür­de die Akzen­tu­ie­rung des geist­li­chen Cha­rak­ters des Ordens bei der Beset­zung der Füh­rungs­po­si­tio­nen den Ein­fluß des Hei­li­gen Stuhls auf den Orden stär­ken, aber zugleich die „deut­sche Rich­tung“ schwä­chen, der es an geist­li­chen Beru­fun­gen fehlt.

Groß­kanz­ler Boe­se­la­ger gehört dem Zwei­ten Stand an. Wei­te­re Ämter­am­bi­tio­nen wer­den ihm nicht nach­ge­sagt. Als Regie­rungs­chef kon­trol­liert er die Finan­zen des Ordens und sei­ne Akti­vi­tä­ten in der Welt. Das scheint ihm vorrangiger.

Nun wur­de der neue Groß­mei­ster vor der von Papst Fran­zis­kus ange­mahn­ten Ver­fas­sungs­än­de­rung gewählt. Woll­te der Erste Stand die­ser zuvor­kom­men, wenn auch auf eine für den Hei­li­gen Stuhl mög­lichst akzep­ta­ble Wei­se? Fra Gia­co­mo Dal­la Tor­re ist mit sei­nen 74 Jah­ren schon fort­ge­schrit­te­nen Alters ist. Sein Vor­gän­ger, Groß­mei­ster Fest­ing, war bei sei­ner Wahl 58 und zum Zeit­punkt sei­nes erzwun­ge­nen Rück­tritts erst 67 Jah­re alt.

Der Große Staatsrat wählte den Großmeister
Der Gro­ße Staats­rat wähl­te den Großmeister

Boe­se­la­ger soll auf die Wahl eines Groß­mei­sters gedrängt haben. Die Erwei­te­rung des Kan­di­da­ten­krei­ses schien zu unbe­re­chen­bar. Der neue Groß­mei­ster ist dem Groß­kanz­ler hin­ge­gen durch­aus genehm. Sei­ne Wahl stellt sicher, daß sich im Bereich des Finanz­ge­ba­rens nichts ändern dürf­te, zumal Fra Dal­la Tor­re mehr an den geist­li­chen Auf­ga­ben des Ordens inter­es­siert scheint.

Ist Papst Fran­zis­kus mit der Wahl zufrie­den? Dage­gen wür­de spre­chen, daß er Kuri­en­erz­bi­schof Ange­lo Becciu, Sub­sti­tut des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs, sofort als Päpst­li­chen Son­der­le­ga­ten bestä­tig­te. Als sol­che hat­te er ihn im Zuge des Fest­ing-Abset­zung ernannt. Die Bezeich­nung Son­der­le­gat umschreibt ele­gant, was in Wirk­lich­keit ein Päpst­li­cher Kom­mis­sar mit allen Voll­mach­ten ist.

Mit Groß­mei­ster Fest­ing ent­mach­te­te Papst Fran­zis­kus in sei­nem histo­risch bei­spiel­lo­sen Ein­griff auch den Kar­di­nal­pa­tron des Ordens, Ray­mond Bur­ke, den er Ende 2014 als sei­nen per­sön­li­chen Ver­tre­ter zum Orden ent­sandt hat­te – aller­dings im Zuge einer ande­ren Säu­be­rungs­ak­ti­on, mit der er den Kar­di­nal aus der Römi­schen Kurie entfernte.

Becciu  soll solan­ge den Mal­te­ser­or­den kom­mis­sa­risch über­wa­chen, bis die Ver­fas­sungs­än­de­rung voll­zo­gen sein wird. Die Bestä­ti­gung Becci­us muß aber nicht als päpst­li­ches Miß­trau­en gegen­über dem Orden gese­hen wer­den. Sie dient auch dazu, Kar­di­nal Bur­ke, der offi­zi­ell wei­ter­hin Kar­di­nal­pa­tron des Ordens ist, von jeder Amts­aus­übung fern­zu­hal­ten. Eine har­mo­ni­sche Zusam­men­ar­beit mit Groß­kanz­ler Boe­se­la­ger scheint unwahr­schein­lich. Der Kar­di­nal bereits im ver­gan­ge­nen Jahr zur per­so­na non gra­ta erklärt wor­den. Eine erneu­te Abset­zung will Fran­zis­kus aber offen­bar ver­mei­den, um den US-ame­ri­ka­ni­schen Kar­di­nal nicht noch mehr zum „Mär­ty­rer“ zu machen.

Malteserorden
Die Ange­lo­bung des Groß­ei­sters (rechts der päpst­li­che Son­der­ge­sand­te Becciu, dahin­ter Groß­kanz­ler Boeselager)

Anfang Dezem­ber 2016 war es zur offe­nen Kri­se im Orden gekom­men, als Groß­mei­ster Fest­ing sei­nen Groß­kanz­ler Boe­se­la­ger zur Rede stell­te. Dabei ging es um eine mora­li­sche Fra­ge, da der Groß­mei­ster in Erfah­rung gebracht hat­te, daß im Zuge meh­re­rer huma­ni­tä­rer Ein­sät­ze, vom Hilfs­werk des Ordens, für das Boe­se­la­ger ver­ant­wort­lich war, Ver­hü­tungs­mit­tel ver­teilt wur­den. Dahin­ter stand aber noch ein wei­te­rer Kon­flikt, näm­lich der über eine myste­riö­se Schen­kung im zwei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­trag in der Schweiz. Als drit­ter Punkt wäre noch ein Kon­flikt zwi­schen den „Deut­schen“ und den „Eng­län­dern“ im Orden zu nennen.

Boe­se­la­ger wand­te sich damals an das vati­ka­ni­sche Staats­se­kre­ta­ri­at. Papst Fran­zis­kus kam dem abge­setz­ten Groß­kanz­ler zu Hil­fe, und das gleich ganz massiv.

Um unlieb­sa­me Pres­se­be­rich­te zum Schwei­gen zu brin­gen hat­te Boe­se­la­ger 2017 gegen ver­schie­de­ne Medi­en Anzei­ge erstat­tet. Die Akti­on, die offen­sicht­lich zur Ein­schüch­te­rung gedacht war, erwies sich jedoch als Bume­rang. Das Land­ge­richt Ham­burg stell­te nicht nur fest, daß Boe­se­la­ger für die Ver­tei­lung von Ver­hü­tungs­mit­teln in Kri­sen­ge­bie­ten ver­ant­wort­lich war, son­dern gegen­tei­li­ge Behaup­tun­gen von ihm nicht der Wahr­heit entsprachen.

Das aber war der Haupt­kon­flikt­punkt. Seit­her steht fest, daß Boe­se­la­ger offen­bar auch Papst Fran­zis­kus belo­gen hat­te. Kurz­um, Groß­mei­ster Fest­ing war mit sei­ner Ent­las­sung des Groß­kanz­lers im recht, Papst Fran­zis­kus mit sei­ner Ent­las­sung von Groß­mei­ster Fest­ing im unrecht. Wird der Vati­kan sei­ne Posi­ti­on also revi­die­ren? Nichts spricht dafür. Es wur­den voll­ende­te Tat­sa­chen geschaf­fen, und dabei bleibt es. Neben den Fra­gen von Recht und Unrecht und Wahr­heit und Lüge spie­len wei­te­re Aspek­te eine offen­bar noch grö­ße­re Rol­le: Sie nen­nen sich Interessen.

In den kom­men­den Mona­ten wird sich zei­gen, ob sich aus dem Ham­bur­ger Urteil für Boe­se­la­ger doch noch Kon­se­quen­zen erge­ben. Irgend­wann wird er sich dafür im Orden oder gegen­über dem Vati­kan ver­ant­wor­ten müs­sen, möch­te man mei­nen. Ob dem so sein wird, könn­te sich im Zuge der Ver­fas­sungs­än­de­rung zei­gen und der Art und Wei­se der vati­ka­ni­sche Ein­fluß­nah­me darauf.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/​Formiche/​Order of Mal­ta (Screen­shots)

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