Wer trennt sich von der Kirche? – Roberto de Mattei zur Entlassung von Prof. Josef Seifert wegen Kritik an Amoris laetitia


Der bekannte Philosoph Josef Seifert wurde aus der von ihm selbst mitgegründeten Internationalen Akademie für Philosophie entlassen, weil er Kritik an Papst Franziskus gewagt hatte. Die "Misericordina" der Bergoglianer hinterläßt eine Spur der Verwüstung in der Kirche.
Der bekannte Philosoph Josef Seifert wurde aus der von ihm selbst mitgegründeten Internationalen Akademie für Philosophie entlassen, weil er Kritik an Papst Franziskus gewagt hatte. Die "Misericordina" der Bergoglianer hinterläßt eine Spur der Verwüstung in der Kirche.

Von Rober­to de Mattei*

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Die Nach­richt wur­de von Mai­ke Hick­son gemel­det. Am 31. August hat Msgr. Javier Mar­ti­nez Fernán­dez, Erz­bi­schof von Gra­na­da, den öster­rei­chi­schen Phi­lo­so­phen Josef Sei­fert, nach­dem er ihn bereits vom Lehr­auf­trag sus­pen­diert hat­te, ganz aus der Inter­na­tio­na­len Aka­de­mie für Phi­lo­so­phie (IAP) aus­ge­schlos­sen, zu deren Grün­dern Sei­fert gehör­te, die heu­te aber vom Erz­bis­tum abhängt.

Prof. Josef Sei­fert gilt als einer der gro­ßen katho­li­schen Phi­lo­so­phen unse­rer Zeit. Sein Cur­ri­cu­lum und sei­ne Biblio­gra­phie fül­len zahl­rei­che Sei­ten. Vor allem aber ist er für sei­ne Treue zum päpst­li­chen Lehr­amt bekannt, die zu sei­ner Ernen­nung zum Mit­glied der Päpst­li­chen Aka­de­mie für das Leben führ­te. Jede katho­li­sche Uni­ver­si­tät wür­de sich geehrt füh­len, ihn zum Lehr­kör­per zäh­len zu dür­fen. Aus wel­chem Grund wur­de also die dra­sti­sche Maß­nah­me gegen ihn ergriffen?

Erz­bi­schof Javier Mar­ti­nez Fernà ndez

Laut einer Pres­se­mit­tei­lung des Erz­bis­tums ist der Grund sei­ner Ent­las­sung ein Arti­kel, in dem Prof. Sei­fert im Zusam­men­hang mit dem nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia von Papst Fran­zis­kus eine Bit­te äußer­te. Im inkri­mi­nier­ten Arti­kel bit­tet Sei­fert Papst Fran­zis­kus, eine Aus­sa­ge aus Amo­ris lae­ti­tia zurück­zu­neh­men, aus der, einer zwin­gen­den Logik fol­gend, die Auf­lö­sung der gesam­ten katho­li­schen Moral­leh­re abge­lei­tet wer­den kann. Sei­fert zitiert die Behaup­tung von Amo­ris lae­ti­tia der Num­mer 303 zum Gewis­sen ehe­bre­che­ri­scher Paa­re oder ande­rer soge­nann­ter „irre­gu­lä­rer“ Paare:

„Doch die­ses Gewis­sen kann nicht nur erken­nen, dass eine Situa­ti­on objek­tiv nicht den gene­rel­len Anfor­de­run­gen des Evan­ge­li­ums ent­spricht. Es kann auch auf­rich­tig und ehr­lich das erken­nen, was vor­erst die groß­her­zi­ge Ant­wort ist, die man Gott geben kann, und mit einer gewis­sen mora­li­schen Sicher­heit ent­decken, dass dies die Hin­ga­be ist, die Gott selbst inmit­ten der kon­kre­ten Viel­schich­tig­keit der Begren­zun­gen for­dert, auch wenn sie noch nicht völ­lig dem objek­ti­ven Ide­al entspricht.“

Mit ande­ren Wor­ten, so Sei­fert, defi­niert Amo­ris lae­ti­tia nicht nur den objek­ti­ven Stand der schwe­ren Sün­de als „noch nicht völ­lig dem objek­ti­ven Ide­al“ ent­spre­chend, son­dern behaup­tet, daß wir mit „einer gewis­sen mora­li­schen Sicher­heit“ wis­sen kön­nen, daß Gott selbst von uns ver­langt, in sich schlech­te Hand­lun­gen zu bege­hen wie den Ehe­bruch oder die akti­ve Homo­se­xua­li­tät. Sei­fert dazu:

„Man könn­te in Amo­ris Lae­ti­tia einen gewis­sen Fehl­schluß fest­stel­len, wenn es um die Annah­me geht, vie­le ‚Paa­re in irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen‘, die objek­tiv in schwe­rer Sün­de leben, sei­en aus sub­jek­ti­ven Grün­den unschul­dig. Man könn­te den Fehl­schluß so formulieren:

  1. Eine schwe­re Sün­de zu bege­hen setzt die Erkennt­nis vor­aus, daß es sich beim eige­nen Ver­hal­ten um eine schwe­re Sün­de handelt.
  2. Vie­le geschie­de­ne Wie­der­ver­hei­ra­te­te erken­nen nicht, daß sie eine schwe­re Sün­de bege­hen, wenn sie (ohne Annul­lie­rung der ersten Ehe) wie­der heiraten.
  3. Also bege­hen vie­le geschie­de­ne Wie­der­ver­hei­ra­te­te kei­ne schwe­re Sün­de, indem sie wie­der heiraten.
  4. (Also leben sie, wenn sie kei­ne ande­re schwe­re Sün­de began­gen haben, im Stand der Gna­de und man soll sie zu den Sakra­men­ten zulassen.)

Der Fehl­schluß grün­det in einer Äqui­vo­ka­ti­on des Aus­drucks ‚Erkennt­nis‘ in der ersten und des Aus­drucks ‚erken­nen nicht‘ in der zwei­ten Prä­mis­se sowie um den Fehl­schluß einer still­schwei­gen­den (fal­schen) Voraussetzung.“

Schließ­lich for­mu­liert Sei­fert sei­ne Bit­te an Papst Franziskus:

„Wenn es nicht mög­lich ist, wie es nicht mög­lich scheint, die genann­ten und ande­re Erklä­run­gen in AL in Kon­ti­nui­tät mit dem bestän­di­gen Lehr­amt der Kir­che zu inter­pre­tie­ren, bit­ten wir demü­tig, aber stark und ent­schie­den den Papst Fran­zis­kus, den Stell­ver­tre­ter Jesu Chri­sti auf Erden, Sät­ze, die fast jeder Leser von AL in irri­gem Sinn, der der Hei­li­gen Schrift und der Leh­re der Kir­che wider­spricht, ver­ste­hen muß, rich­tig­zu­stel­len und ver­hee­ren­de Inter­pre­ta­tio­nen der Aus­sa­gen von AL ent­schie­den zurück­zu­wei­sen. Geschieht dies nicht, wer­den immer mehr Bischofs­kon­fe­ren­zen (wie die phil­ip­pi­ni­sche) zwangs­läu­fig recht bald AL schlecht oder falsch inter­pre­tie­ren oder irri­ge Sät­ze ihrer Pasto­ral und ihrem Lehr­amt zugrun­de­le­gen. Da der Papst selbst, und nicht bös­ar­ti­ge Jour­na­li­sten oder Inter­pre­ten die­se und ande­re Din­ge gesagt oder geschrie­ben haben, hal­te ich es für die Pflicht aller Katho­li­ken, den Papst demü­tig, aber drin­gendst zu bit­ten, ja anzu­fle­hen, Irr­tü­mer durch die Wahr­heit, fal­sche Inter­pre­ta­tio­nen durch rich­ti­ge, ver­wor­re­ne durch kla­re Aus­sa­gen zu erset­zen. So daß das Wort der Hei­li­gen Schrift und der Dog­ma­ti­schen Kon­sti­tu­ti­on Lumen Gen­ti­um, daß die Kir­che die „feste Säu­le der Wahr­heit“ ist und der Papst, wenn er in Ein­klang mit dem Evan­ge­li­um und der Kir­che lehrt, unser höch­ster Leh­rer der Wahr­heit ist, in ihrem Glanz neu aufleuchten.“

Die Hal­tung des Erz­bi­schofs von Gra­na­da ent­spricht dem Ver­bot, Fra­gen stel­len zu dür­fen, die laut dem Phi­lo­so­phen Eric Voe­gel­in das Cha­rak­te­ri­sti­kum tota­li­tä­rer Regime ist. Nach dem­sel­ben Kri­te­ri­um sind alle der kirch­li­chen Ortho­do­xie treu­en Katho­li­ken aus der Päpst­li­chen Aka­de­mie für das Leben ent­fernt wor­den, dar­un­ter auch Sei­fert. Nach dem­sel­ben Kri­te­ri­um wer­den die recht­gläu­big­sten Dozen­ten aus den katho­li­schen Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten und die der Tra­di­ti­on treue­sten Prie­ster aus ihren Pfar­rei­en ent­fernt und in eini­gen Fäl­len sogar a divi­nis suspendiert.

Was wird den Kar­di­nä­len wider­fah­ren, wenn von ihnen eine cor­rec­tio fra­ter­na erfol­gen soll­te? Die­se repres­si­ve Logik öff­net den Weg zu einem Schis­ma in der Kir­che. Das ein­zi­ge Argu­ment, das die Amo­ris-lae­ti­tia-Fana­ti­ker imstan­de sind, den Kri­ti­kern die­ses Doku­men­tes ent­ge­gen­zu­hal­ten ist mehr als schwach, näm­lich der „Bruch der Ein­heit“. Jene aber, die Ein­spruch gegen das päpst­li­che Schrei­ben vor­brin­gen, beru­fen sich auf die unver­än­der­li­che Leh­re der Kir­che und haben nicht die gering­ste Absicht, die­se zu ver­las­sen. Wenn sie den­noch wegen ihrer Treue zum Lehr­amt offi­zi­ell bestraft wer­den, begeht der, der sie straft, einen Akt der Auto-Sepa­rie­rung von die­sem Lehr­amt. Er ist es, der sich dadurch viel­mehr selbst von der Kir­che trennt. Die Arti­kel von Prof. Sei­fert sind von der Lie­be für die Kir­che und vor allem für die Wahr­heit gelei­tet. Der Bischof, der ihn bestraft, trennt sich vom gött­li­chen und natür­li­chen Gesetz, das den Ehe­bruch, den Mord und ande­re schwe­re Sün­den ver­bie­tet und ohne Aus­nah­men und Kom­pro­mis­se. Indem er ihn beschul­digt, die Ein­heit mit dem Papst ver­las­sen zu haben, belegt der Prä­lat die Exi­stenz eines Lehr­am­tes von Papst Fran­zis­kus, das unver­ein­bar ist mit dem immer­wäh­ren­den Lehr­amt der Kir­che. Msgr. Mar­ti­nez Fernán­dez hat Prof. Sei­fert bestraft, weil er mit demü­ti­gem und respekt­vol­lem Ton den Papst ersucht hat, eine Aus­sa­ge zurück­zu­neh­men, die zum Ehe­bruch und zur Auf­lö­sung der Moral führt.

Um also in der Diö­ze­se von Gra­na­da, eben­so auf Mal­ta, in der Kir­chen­pro­vinz Bue­nos Aires und ande­ren Orten der Chri­sten­heit in Ein­heit mit Papst Fran­zis­kus zu sein, muß man – zumin­dest in eini­gen Fäl­len – die Recht­mä­ßig­keit des Ehe­bru­ches und ande­rer Ver­let­zun­gen des Moral­ge­set­zes zuge­ben. Papst Fran­zis­kus ist der Nach­fol­ger des Petrus, aber Unser Herr sagt nicht: Wer mich liebt, muß blind dem Nach­fol­ger des Petrus fol­gen. Er sagt viel­mehr: „Wenn ihr mich liebt, wer­det ihr mei­ne Gebo­te hal­ten“ (Joh 14,15–21). Wenn der ober­ste Hir­te von den Gött­li­chen Gebo­ten abrücken soll­te und die Her­de auf­for­dern soll­te, ihm dabei zu fol­gen, müß­ten die Gläu­bi­gen von ihm abrücken, denn „man muß Gott mehr gehor­chen als den Men­schen“ (Apg 5,29). Wenn man gezwun­gen wird, um in der Gemein­schaft mit Papst Fran­zis­kus zu sein, sich den Irr­tum zu eigen zu machen, sind jene, die der Wahr­heit Chri­sti treu blei­ben wol­len, gezwun­gen, sich von Papst Fran­zis­kus zu tren­nen. Das behaup­tet Msgr. Mar­ti­nez Fernán­dez, der Erz­bi­schof von Gra­na­da, öffentlich.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt erschie­nen: Vica­rio di Cri­sto. Il pri­ma­to di Pie­tro tra nor­ma­li­tà  ed ecce­zio­ne (Stell­ver­tre­ter Chri­sti. Der Pri­mat des Petrus zwi­schen Nor­ma­li­tät und Aus­nah­me), Vero­na 2013; in deut­scher Über­set­zung zuletzt: Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil – eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, Rup­picht­eroth 2011.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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5 Kommentare

  1. Die Ent­las­sung von Prof Dr. Sei­fert aus der Aka­de­mie für Philosophie
    zeigt deut­lich das Schis­ma, das durch die Kir­che läuft und vom jet­zi­gen Papst zu ver­ant­wor­ten ist. Sei­ne Cla­queu­re geben Berg­o­glio Recht und zemen­tie­ren die Trenn­li­nie zwi­schen der Kir­che Jesu Chri­sti, wel­che auf der Tra­di­ti­on beruht und einer Neo­kir­che, wel­che zuse­hens gno­sti­sche Posi­tio­nen ver­tritt, nicht mehr für das See­len­heil ein­tritt, son­dern die mora­li­schen Posi­tio­nen schleift und die Kir­che der Welt anpasst. Wir soll­ten uns nicht scheu­en vom inzwi­schen bestehen­den Schis­ma in der Kir­che zu spre­chen. Die­ses Schis­ma wird nicht durch die Erkennt­nis erzeugt, son­dern durch die Leug­nung der Leh­re und eine ande­re Neolehre.

  2. Abseits der theo­lo­gi­schen Kom­pe­tenz stammt. Prof. Josef Sei­fert aus einer Fami­lie, die im Kreis um Diet­rich Hil­de­brand gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus mit tief­stem katho­li­schen Glau­ben kämpf­te. Ich durf­te die Vor­trä­ge der Herz-Jesu-Gemein­schaft noch erle­ben, eben­so den ver­stor­be­nen Vater von Pro­fes­sor Sei­fert, Onkel des H.H. Wei­bi­schofs em. von Salz­burg, S.E. Andre­as Laun.
    Tief­from­me und gelehr­te Katho­li­ken. Sol­che Men­schen sind dem Pon­ti­fi­kat Berg­o­glio ein Gräu­el, weil sie nicht der Welt son­dern Gott mit den Waf­fen und Früch­ten des Hl. Gei­stes dienen.

    • Wenn man wirk­lich gläu­big ist, dann kann man doch gar nicht anders, als den fal­schen The­sen von Papst Fran­zis­kus zu widersprechen.
      Wie sie sagen ist es Herrn Prof. Sei­fert im Gegen­satz zu den mei­sten Katho­li­ken wohl nicht fremd, in einer gott­ver­nei­nen­den Umge­bung für den wah­ren katho­li­schen Glau­ben einzustehen.

  3. Die Mut­ter­got­tes weinte!
    Und es ist ein­ge­trof­fen, was in La Salet­te von Ihr gesagt wurde:
    „Rom wird den Glau­ben verlieren“

  4. Mit Papst Fran­zis­kus ist es wie mit Mar­tin Luther. Bei­de wider­spre­chen mit ihren Aus­sa­gen und Schrif­ten ganz offen­sicht­lich der Leh­re Jesu Chri­sti, vor allem auch unter dem Aspekt der Wich­tig­keit der apo­sto­li­schen Über­lie­fe­rung, die ein­deu­tig ist. Allei­ne die apo­sto­li­sche Über­lie­fe­rung, die die katho­li­sche Kir­che als allei­nig gewoll­te Kir­che Jesu Chri­sti belegt, führt die Recht­mä­ßig­keit der evan­ge­li­schen Kir­che ad absurdum.

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