Ein ehemaliger Kurien-Monsignore inszeniert sein Scheitern an Zölibat und Priestertum, um von der Medienbühne Steine auf die Kirche zu werfen.
Eine Besprechung von Hubert Hecker.
Der inzwischen laisierte polnische Priester Krzysztof Charamsa arbeitete 13 Jahre in der vatikanischen Glaubenskongregation. Im Oktober 2015 outete er sich zusammen mit seinem spanischen Partner als praktizierender Schwuler. Sein damaliger medienorientierter Auftritt war darauf berechnet, Kirchenpolitik zu machen. Er versuchte mit Hilfe internationaler Medien Druck auf die Bischöfe der römischen Familiensynode auszuüben. Seine weitreichenden Forderungen im Sinne der Homolobby verband er mit massiven Hass-Vorwürfen gegen die Kirche. Die Synode sollte ihr „paranoides Handeln“ aufgeben. Als Papst Franziskus und die Bischöfe auf diese Art von medienverstärkten Beschimpfungen und Beschuldigungen nicht eingingen, kanzelte er die Synode ab als „200 alte Männer“ ohne Wissen und Mitgefühl.
Ein Buch wie ein Stein – auf die Kirche
In diesem Stil agiert und agitiert er seither – etwa in seinem Buch „Der erste Stein“. Mit der Publikation auf Deutsch konnte er auf weiteres mediales Echo rechnen. Bei vielen deutschen Medien ist stets willkommen, wer die Kirche abwatscht. Wenn dann jemand auch noch Enthüllungen aus dem Zentrum des Vatikans verspricht, wird er im Medienzirkus besonders hofiert.
In der Fernsehsendung „Markus Lanz“ vom 26. 4. hatte der Moderator den schwulen Ex-Priester mit dem Vatikan-Plauderer Andreas Englisch zusammengepackt. Charamsa wiederholte seine maßlosen Angriffe auf Klerus und Kirche. Er verstieg sich zu der Behauptung, die Päpste Benedikt und Franziskus würden Homosexuelle „mit Geisteskranken gleichsetzen“. Englisch keilte nach: Die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. hätten „ganz klar extrem homophobe Tendenzen“, nach seiner Ansicht eine „ganz aggressive Haltung“.
Am Tag nach der Lanz-Sendung versprach das Wochenmagazin stern mit seinem Aufmacher zum „Enthüllungsbuch“ einen Schlüssellochblick in die vatikanischen Privatgemächer: „Verbotene Liebe im Vatikan. Über schwule Bischöfe, nackte Tänzer und die Doppelmoral der katholischen Kirche“. Alle vier Aussagen der Titelzeilen erweisen sich beim Lesen des dazugehörigen Textes als fake news.
Wiederholung altbekannter Falschthesen
Der Stern-Reporter Frank Ochmann, selbst ein laisierter Priester, hat Auszüge aus dem Buch des polnischen Ex-Priesters zusammengestellt. Abgesehen von den biographischen Darstellungen sind darin keine neuen Erkenntnisse zum Thema Kirche und Homosexualität aufgeführt, also Null-News. Fehlanzeige etwa zur Homolobby im Vatikan, deren Existenz und das Dossier darüber von Papst Franziskus bestätigt wurden. Charamsa sagt, er sei nie „Mitglied einer Schwulen-Mafia“ gewesen und kenne sich in den Netzwerken der Homosexuellen nicht aus.
Dagegen werden medienbekannte Tatsachen als Neuigkeiten verkauft– z. B. die Darbietungen einer Gruppe Akrobaten mit nacktem Oberkörper in der vatikanischen Audienzhalle. Dass die „Fratelli Pellegrini“ unter anderem auch beim Gay Circus in Barcelona aufgetreten waren, nimmt Charamsa als Beweis für die Verschwulung des Vatikans. In der entsprechenden Buchpassage projiziert er seine homosexuellen Vorliebe für maskuline Oberkörpermuskulatur anderer Männer in die Augen und Herzen der anwesenden Prälaten.
Ansonsten sind faktenfreie Deutungen und Spekulationen, Anklagen und Forderungen an die Kirche vorherrschend in den Buchauszügen des stern. In den Allgemeinaussagen zur Kirche erscheint das Werk wie eine Kopie von David Bergers Enthüllungsbuch von 2010. Der Titel „Der heilige Schein“ wird im Untertitel des neuen Buches variiert zur „Heuchelei der katholischen Kirche“. Bergers These, dass die katholische Mess-Zelebration und liturgische Kleidung homosexuell anzüglich seien, findet sich auch bei Charamsa wieder: Insbesondere in dem Pontifikat von Papst Benedikt XVI. sei das „ganze schwule Szenarium der katholischen Barockzeit wiederaufgelebt“. Der schwule Blick sieht in der katholischen Liturgie nur eine Travestieshow, bei der „in choreografierten Prozessionen“ mit Spitzengewändern, „wie sie jeden Schwulen in Entzücken versetzten“, die Geistlichen „wie Schönheitsköniginnen einhertrippeln. „Vom Geist der Liturgie“, so der Titel eines Buches von Kardinal Ratzinger, hat der polnische Monsignore offensichtlich gar nichts verstanden.
Homospezifische Legenden und Verleumdungen
Der Theologe Berger hatte behauptet, die Hälfte aller Priester und Prälaten im Vatikan sei schwul. Charamsa geht darüber hinaus mit seiner These, „dass etwa die Hälfte aller katholischen Geistlichen schwul“ sei. Das sagt er aufgrund seiner eng begrenzten „persönlichen Erfahrungen“ in Polen und im Vatikan. Er macht gar nicht erst den Versuch, für seine bizarre Tatsachenbehauptung über die 400.000 Kleriker der Weltkirche Beweise, Belege, Indizien oder auch nur Überlegungen beizubringen. Auch zu allen anderen Bereichen der Homosexualität reproduziert er einfach die Legenden und Selbstrechtfertigungen der Homo-Lobby. So bringt er die aufgeblähte Zahl von fünf bis zehn Prozent Homosexuelle in der Gesellschaft an, während seriöse Demoskopie-Studien in Deutschland und den USA nur Zahlen zwischen 1,9 und 2,6 belegen können.
Alle Spekulationen und Beschreibungen Charamsas münden stets in der Anklage, Kirche und Klerus würden an einer krankhaften Angststörung gegenüber Homosexuellen leiden (Homophobie). Auch diese Beschimpfung ohne Wahrheitswert wird wie eine abgegriffene Falschmünze weitergereicht. Verleumderisch beschimpft der ehemalige Vatikan-Mitarbeiter die Kirche mit der These vom angeblichen Homosexuellenhass. Besonders Kardinal Ratzinger habe es „vorzüglich verstanden, den Hass auf Homosexuelle zu verschärfen“. In der „finsteren Phase“ seines Pontifikats sei Homophobie geschürt und angeheizt worden.
So ähnlich hatte sich schon David Berger ereifert: Der Papst sei selbst homosexuell veranlagt und versuche dies mit homophoben Äußerungen zu überdecken. Bei jeder seiner sieben Neujahrsansprachen habe er die Homosexuellen verteufelt – eine grobe Unwahrheit, wie der Journalist Kissler aufdeckte. Charamsa bleibt bei seinen Hass- und Homophobieanklagen lieber im Allgemeinen, damit er nicht widerlegt werden kann. Eine unwahre Unterstellung ist jedenfalls seine rufmörderische These: Das Pontifikat Benedikts habe „nicht nur die extremsten Äußerungen von homophobem Hass toleriert, sondern sie sogar befürwortet“ und damit „Ungeheuer geboren“. Wo sind die Beweise für die behauptete Befürwortung von homophobem Hass, Herr Charamsa?
Verqueere Sprechblasen
Statt Belege für seine Anschuldigungen zu bringen schwadroniert der ehemalige „Diener der Wahrheit“ mit unsinnig-verqueeren Sprechblasen wie der folgenden: „Die katholische Kirche ist diejenige Körperschaft, die sich aus Männern in Frauenkleidern zusammensetzt, es aber einem männlichen Jugendlichen voller Hysterie verbietet, einen Rock anzuziehen (wie die Schotten es tun) und so auf der Straße zu gehen: Transvestiten, die andere Transvestiten verfolgen.“
Mit maßlosen Beschimpfungen traktiert er die Glaubenskongregation, in der er 13 Jahre lang Dienst tat: Das sei eine Geheimdienstorganisation ähnlich dem KGB, die „die Gläubigen ausspionierte und bewachte“. Er habe entdeckt, „wie abgestumpft und borniert die Agenten der Kirche“ wären. Sie hätten „ein männliches Vergnügen daran gefunden, andere aus dem Weg zu räumen, sie zu vernichten“. Sein Resümee: „So lernte ich dieses höchste Gremium der Kirche als eine Versammlung kranker Geister kennen, die Vergnügen darin fanden, einen Scheiterhaufen nach dem anderen aufzuschichten und in Brand zu stecken.“ Er fügt die Bemerkung hinzu, dass seine „persönliche Ex-Hölle auf Erden die ehemalige Heilige Inquisition“ war. Es scheint, als wenn Charamsa zu viele Verschwörungsfilme à la Dan Brown gesehen hat.
Phantasie-Projektionen
Solche überzogenen Vergleiche oder Übertragungen ohne Faktenbasis dienen allein der Desavouierung der Kirche: Schablonenworte wie KGB, Agenten, Auspionierung denunzieren die Glaubenskongregation zu einer totalitären Organisation. Schlagworte wie Scheiterhaufen und Ex-Hölle sollen irrationalen Fanatismus assoziieren. Besonders niederträchtig ist die Unterstellung, die aktuellen Mitarbeiter des Glaubensgremiums seien kranke Geister, die aus männlicher Lust andere vernichten würden.
Der Ex-Monsignore mit dem Unschuldsgesicht muss sich fragen lassen, was solche sadistische Phantasie-Projektionen über seine eigene Persönlichkeit aussagen. Oder liegt der Schlüssel zu der Konversion zum antikirchlichen Eiferer in seiner persönlichen Entwicklungsgeschichte? Ist da etwas falsch gelaufen im Leben des Krzysztof Charamsa?
Der geplatzte Traum von der priesterlichen Karriere als Großinquisitor
Er bringt selbst Indizien für biographische Fehlentwicklungen. Schon als Schüler habe er voll Übereifer als höchstes Ziel angestrebt, in die Glaubenskongregation einzutreten. „Ich träumte davon, Großinquisitor zu werden.“ Er sei als Jugendlicher „übertrieben pedantisch“ gewesen – vielleicht der Grund, „dass manche mich unausstehlich fanden“. Sein Alleinsein als Adoleszent habe er vor sich damit gerechtfertigt, dass er Priester werden wollte. Priestertum hieß für ihn, „Streben nach einem Leben in Einsamkeit, einem Leben, das dem Lernen und der Lehre gewidmet war. Das beherrschte mich ganz und gar.“
Aus diesen Selbstbekenntnissen ergibt sich, dass Charamsa sein Priestertum als kirchlichen Karriereaufstieg verstand – mit dem Streben nach Einsamkeit als Mittel oder Preis dafür. Bei solchen Motiven kann der Zölibat „um des Himmelreiches Willen“ und im Dienst für die Gläubigen allerdings nicht tragfähig sein auf die Dauer.
Bischof Vitus Huonder hat kürzlich bei einer Priesterweihe erklärt: Die Weihestufen des Priestertums versinnbilden einen Aufstieg im Leben der Gnade und der Heiligung. Zugleich ist der Weg des Priesters ein absteigender Pfad zu Dienst und Demut im inkarnatorischen Geiste Jesu Christi. Von diesem katholischen Priesterbild trennen Charamsas Karriere-Priestertum Welten.
Verketzerung des Pontifikats von Papst Benedikt XVI.
Weiter berichtet der Ex-Monsignore, wie er Unmengen von Büchern von und über Homosexuelle „verschlungen“ und sich deren Perspektiven angeeignet habe. Seine Urteile über die Kirche und Päpste wirken dann auch wie abgeklatscht von Propagandaformeln der Homo-Lobby: „Homophober Hass“ sei das Grundmotiv der Kirche, ihr Handeln richte sich gegen die menschliche „Natur“. Die kirchliche Lehre von Sünde und Umkehr wäre „unmenschlich“, „geistige Sklaverei und Gefangenschaft“. Die Kirche würde Homosexuelle „psychologisch töten“. Die Haltung der Kirche stände dem „islamistischen Fundamentalismus näher als der Vernunft“. Insbesondere das Pontifikat Papst Benedikts habe homofeindliche „Ungeheuer geboren“.
Als Kardinal Ratzinger als Chef der Glaubenskongregation 2003 eine Schrift zur theologisch-ethischen Bewertung von Homosexualität verfasst hatte, zog er den „geballten Zorn der Schwulen und Lesben“ auf sich. Seither wird er von Homo-Organisationen pauschal als „Hassprediger“ gebrandmarkt. Keiner der Homo-Eiferer hat sich mit den rationalen Argumentationen des späteren Papstes auseinandergesetzt, auch nicht Charamsa. Im Gegenteil. Diese und andere kirchliche Verlautbarungen zu Homosexualität einschließlich des Katechismus verketzert er pauschal als „beleidigend, abscheulich, diskriminierend“. Er verlangt kategorisch die Annullierung aller dieser Dokumente. Sogar die Bibel soll nach seinen Vorstellungen schwulenfreundlich neuinterpretiert werden.
Eine sexualisierte Neukirche?
Charamsa träumt von einer verschwulten Kirche und Priesterschaft. Er begründet das sakrilegisch aus seinen sexuellen Erlebnissen: In den Armen eines anderen Priesters habe er „Gott erblickt, der mich liebte, mich umarmte, mich akzeptierte.… Ich hatte Gott gesehen“. Auch für den Bruch seines priesterlichen Zölibatsversprechens glaubt er sich „der Liebe Gottes gewiss“ zu sein. Die Zustimmung seiner Schwester zu seinem Outing nennt er ein „Sakrament der Gnade“. Als schwuler Ex-Priester fühle er sich „katholischer als je zuvor“. Im extremen Gegensatz zu Wortbedeutung und Lehre der Katholizität meint er damit aber seine selbstgebastelte Eigenkirche, „meine Kirche“ – mit ausdrücklichem Bezug auf die Protestanten.
Die ideologische Basis für Charamsas sexualisierte Neukirche scheint eine Naturreligion der Sexualität zu sein. Die „wahre Freiheit im Glauben“ – wie bei den „evangelischen Brüdern und Schwestern“ – besteht für ihn darin, sexuelle Bedürfnisse auszuleben. Die sexuellen Orientierungen und Identitäten seien „Natur des Menschen“. Deshalb wäre die sexuelle Betätigung ein Menschenrecht, einschließlich des Rechts auf Zivilehe für Personen sexueller Minderheiten. Schließlich plädierte er für die kirchliche Akzeptanz von Gender Studies und die Forderungen nach „reproduktiver Gesundheit“. Hinter diesem Code-Wort verbirgt die internationale Abtreibungslobby ein vermeintliches Recht auf vorgeburtliche Kindstötung.
Verdrehung der Jesusworte
Mit der sexualisierten Neuinterpretation der Bibel fängt der schwule Ex-Priester schon bei dem Buchtitel an. „Der erste Stein“ bezieht sich auf die neutestamentliche Geschichte, in der Jesus die damalige jüdische Praxis der Steinigung von Ehebrecherinnen ebenso zurückweist wie die überhebliche Selbstgerechtigkeit der Pharisäer. Die entscheidende Weisung Jesu an die Ehebrecherin lautet dann: „Gehe hin und sündige fortan nicht mehr“. Diese Mahnung zur Abkehr von einem sündigen Leben wird vielfach bewusst unterschlagen, um das vorhergehende Jesuswort in den Mittelpunkt zu stellen: „Auch ich will dich nicht verurteilen“ wegen deines Ehebruchs. Das Diktum wird von heutigen Ehe- und Zölibatsbrechern gern als Entschuldigung für ihre fortgesetzte Sünde angenommen. Sie verdrehen damit das ultimative Gebot zur Umkehr von einem sündigen Weg ins Gegenteil.
Text: Hubert Hecker
Bild: Verlage/stern (Screenshots)