Die klassisch-liberale Toleranz-Maxime: „Jeder soll nach seiner Fasson leben können“ soll in Hessen durch eine Bürger-Pflicht zu wertschätzender Akzeptanz bestimmter Positionen ersetzt werden. Der neue paternalistische Staat will Lehrern, Kindern und indirekt den Eltern vorschreiben, was sie in Sexualfragen für gut und richtig zu halten hätten.
Ein Gastbeitrag von Hubert Hecker.
Abschaffung der Toleranz in Lehrplan und Schulgesetz
Der hessische Kultusminister Prof. R. Alexander Lorz will Toleranz als Grundsatz für staatliches und gesellschaftliches Handeln abschaffen. Im alten Sexualerziehungslehrplan von 2007 war als Lernziel angegeben: „Die Schülerinnen und Schüler sollen unterschiedliche sexuelle Lebensstile respektieren und tolerieren können.“ Diese Passage ist im neuen Lehrplan ersatzlos gestrichen. Die Worte Toleranz oder Tolerieren tauchen dort nicht mehr auf. Die CDU-Fraktion im hessischen Landtag will den Toleranz-Begriff sogar aus dem Schulgesetz tilgen.
Gegen diese Eliminierung einer zentralen Maxime unserer Gesellschaft haben die katholischen Bischöfe Hessens sowie Elterngremien protestiert. Der Landeselternbeirat lehnte vor allem aus diesem Grunde zweimal den Lehrplanentwurf ab. In der „gemeinsamen Stellungnahme der hessischen Kreis- und Stadtelternbeiräten“ vom Oktober 2016 wird Toleranz als unverzichtbares Basisverhalten für unsere Gesellschaft eingeschätzt.
Toleranz als verfassungsrechtliche und schulgesetzliche Vorgabe für den Staat
Die Elternvertreter können sich bei dieser Einschätzung auf schulgesetzliche und verfassungsrechtliche Vorgaben berufen. Im hessischen Schulgesetz (Artikel 7) ist für die Sexualerziehung festgelegt, dass Lehrplan und Lehrer „Offenheit und Toleranz gegenüber verschiedenen Wertvorstellungen zu beachten“ haben.
Auch das Bundesverfassungsgericht verpflichtet in seinem Urteil von 1977 die staatlichen Schulen, bei den gegebenen unterschiedlichen Wertvorstellungen zu Sexualität neutral zu sein und so das tolerante Miteinander verschiedener, auch gegensätzlicher Überzeugung zu fördern.
Noch 2008 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht, dass das der Schule auferlegte „Zurückhaltungs- und Toleranzgebot“ für unterschiedliche sexualethische Wertungen „wesentlich“ sei, um damit divergierenden Überzeugungen der Eltern bei der Ausübung ihres Grundrechts auf Erziehung ihrer Kinder gerecht zu werden.
Toleranz als zentrale Leitformel bei sensiblen Werte-Themen für Staat und Gesellschaft
Die zurückhaltende Toleranz des Staates in Wertefragen ergibt sich notwendig aus den Grund- und Freiheitsrechten unserer Verfassung, die zu einer Pluralität an Meinungen und Weltanschauungen führen. Die hat der Staat zu achten und zu schützen. Entsprechend betonte der damalige Bundeskanzler Willy Brandt in seiner Regierungserklärung von 1969, dass der Staat die unterschiedlichen Wertvorstellungen und Lebensweisen der Menschen respektieren und damit die Haltung der Toleranz einnehmen müsse. Diese Direktive für den liberalen Staat gilt auch für den staatlichen Schulunterricht, insbesondere bei wertesensiblen Bereichen wie der Sexualerziehung.
In diesem Sinne haben Lehrplan und Lehrer die unterschiedlichen Wertvorstellungen und Lebensweisen zur Sexualität zur Kenntnis zu nehmen und zu achten. Sobald die Lehrer in den aktiven Vermittlungsmodus treten, hat sich das Toleranzgebot als Neutralitätsaufgabe darzustellen. Insbesondere bei gegensätzlichen Sexualitätsauffassungen in der Gesellschaft – und somit auch bei den Eltern – müssen Schule und Lehrer diese Themen neutral ansprechen, also weder Ablehnung noch Wertschätzung vermitteln oder gar verlangen.
Das staatliche Toleranzgebot wird im neuen Sexualerziehungslehrplan missachtet. Dort stehen in einseitiger Fokussierung nur die umstrittenen Theorien der genderorientierten Geschlechtervielfalt und der Vielzahl von sexuellen Orientierungen auf dem Programm.
Lehrpläne müssen gegebenenfalls gesellschaftliche Kontroversen abbilden
Im Politikunterricht gilt seit Jahrzehnten die Praxis-Regel: Die Lehrkräfte müssen ein Thema dann kontrovers darstellen, wenn dazu in Gesellschaft oder Politik mit gegensätzlichen Vorstellungen gestritten wird. Aus dem Gebot der Kontroversität folgt: Lehrplan und Lehrende dürfen bei Kontrovers-Themen von den Schülern nicht die Billigung einer spezifischen Meinungsrichtung oder die Zustimmung zu einer bestimmten Wertvorstellung verlangen.
Analoges gilt für die schulische Sexualerziehung. Da hierzulande Gruppen und Parteien über die Gender- und Geschlechterfrage heftig streiten, muss die gesellschaftliche Kontroverse auch im Lehrplan abgebildet werden. In diesem Falle müsste der Lehrplan vorsehen, dass die Lehrer gegensätzliche Auffassungen zur Sprache bringen.
Das betrifft zwei strittige Themenkomplexe. In der Geschlechterfrage steht auf der einen Seite
- die klassische Dualität von männlich und weiblich. Das jeweilige Geburtsgeschlecht bestimmt die physischen Geschlechtsmerkmale sowie die geschlechtstypischen psychischen und sozialen Präferenzen ein Leben lang.
- Dagegen steht die Gendertheorie mit ihrer These von der Vielfalt der Geschlechter. Danach wird das Geschlecht als soziales Konstrukt angesehen, das sowohl von der Gesellschaft wie vom Einzelnen formbar, wandelbar und wählbar sei.
Ein zweites Streitthema bezieht sich auf die sexuelle Ausrichtung und Praxis.
- Nach der klassischen Sexualitätslehre entwickelt sich in der Phase der Geschlechtsreife die der Geschlechterdualität entsprechende heterosexuelle Orientierung. Sie mündet in der Regel in bipolarer Ehe, Elternschaft und Familie.
- Im Gegensatz dazu behauptet die Queer-Theorie, mit der Pubertät entfalte sich eine Vielzahl von sexuellen Orientierungen. Neben den Lesben und Schwulen gehörten dazu Fetischisten, Sadomasochisten, Intersexuelle, Pädophile, Zoosexuelle und Asexuelle.
Selbstverständlich sind diese Kontroversthemen erst in der Altersstufe zu behandeln, wenn die Schüler/innen in ihrer Auffassungs- und Urteilkompetenz gefestigt sind – etwa ab der neunten oder zehnten Klasse.
Wird ein Rechtsgutachten den Kultusminister zur Lehrplan-Revision bewegen?
Im hessischen Lehrplan ist keine Neutralität und Kontroversität bei Streitthemen vorgesehen. Im Gegenteil. Die Lehrer sind sogar aufgefordert, den Schülern wertschätzende Akzeptanz zu umstrittenen Positionen aufzunötigen. Damit bewegt sich die hessische Richtlinie zur Sexualerziehung auf ein gesetz- und verfassungswidrigen Terrain zu.
Ein solches Urteil legt ein neueres Rechtsgutachten nahe. Der Verein Echte Toleranz e.V. hatte ein Gutachten bei dem Verfassungsrechtler Prof. Christian Winterhoff [1]Am 6. Mai spricht Prof. Dr. Christian Winterhoff über den „Rechtlichen Rahmen der Sexualpädagogik der Vielfalt“. Der Vortrag ist Teil des Symposions zur „Sexualpädagogik der Vielfalt“ im … Continue reading in Auftrag gegeben. Es ging dabei um die Prüfung von Unterrichtsmaterialien für die Grundschule in Schleswig-Holstein. Das dortige Sozialministerium hatte den Lesben- und Schwulen-Verband mit der Erarbeitung des „Methodenschatzes“ beauftragt. Die für 20.000 Euro erstellten Materialien erwiesen sich als didaktisch und entwicklungspsychologisch unbrauchbar.
Wichtiger aber ist der verfassungsrechtliche Durchfall des Materials: Unter Ausklammerung des Toleranz-Ansatzes war das Projekt als Propaganda für „Akzeptanz und Vielfalt“ erstellt worden. Das ist das gleiche Beeinflussungsschema wie im hessischen Sexualerziehungslehrplan: Der Staat will den Lehrern, Kindern und indirekt den Eltern vorschreiben, was sie für gut und richtig zu halten und welche Wertepositionen sie zu lehren und zu lernen hätten. Dagegen hat das Verfassungsgericht schon 1977 eine Haltelinie festgelegt, die da lautet: Zurückhaltung und Toleranz, Neutralitätsgebot und Indoktrinationsverbot bei der Sexualitätslehre.
Den gelernten Juristen Prof. Lorz sollte das Rechtsgutachten zu einer baldigen Revision des Lehrplans bewegen.
Toleranz als Basis der demokratischen Diskurs-Kultur
Von dieser Toleranz-Auflage für den Staat ist die Toleranz der Bürger untereinander zu unterscheiden. In der pluralistischen Demokratie ist die Toleranz-Maxime das unverhandelbare Grundmuster der gesellschaftlichen Beziehungen: Alle Gruppen haben das Recht auf eigene Lebensweise, Wertvorstellungen und Meinungsäußerungen, jeder soll nach seiner Fasson leben und reden können. Aus dem Gleichheitsansatz folgt, dass dieses Grundrecht gegenseitig anzuerkennen ist. Die wechselseitige Respektierung des formalen Rechts auf Meinungsdissens bildet die Grundlage für den demokratischen Streit über Inhalte. Der aber ist ein notwendiges Element der demokratischen Diskurs-Kultur.
Im Sinne der bürgerschaftlichen Toleranz-Maxime sprach der bisherige Lehrplan von Respekt und Toleranz gegenüber unterschiedlichen sexuellen Lebensstilen. Damit setzte die Richtlinie eine Direktive des Bundesverwaltungsgerichts von 2008 um, in der es heißt: „Die Anleitung zur Toleranz gegenüber unterschiedlichen sexuellen Orientierungen ist ein legitimes staatliches Erziehungsziel.“
Homosexuellen-Gruppen bekämpfen Toleranz
Das tolerante Geltenlassen anderer Meinungen schließt deren Kritik ein. Meinung und Gegenmeinung, Demonstration und Gegendemonstration bewegen sich im Rahmen der Toleranz, nicht aber Demonstrationsblockaden. Solche Intoleranzaktionen organisieren Teile der homosexuellen Aktionsbündnisse regelmäßig gegen ihre Kritiker – z. B. am 30. 10. 2016 in Wiesbaden.
Homosexuelle Interessengruppen lehnen die zivilgesellschaftliche Haltung der Toleranz ab. „Toleranz ist zynisch“ ließ die Homo-Gruppe SCHLAU Hessen verlauten. Und noch drastischer das Thema einer Podiumsdiskussion auf dem Queer-Festival 2015 in Heidelberg: „Toleranz ist Sch.…!“
In diesem unflätigen Stil äußerte sich auch der Staatssekretär im hessischen Kultusministerium, Dr. Manuel Lösel. Auf einer CDU-Veranstaltung in Frankfurt ließ er sich dazu hinreißen, Toleranz abschätzig als „ein bisschen Bäh“ zu bezeichnen.
Auf der Informationsveranstaltung in Fulda am 2. 12. 2016 ließ Prof. Lorz durchblicken, dass er sich bei seiner Ablehnung der Toleranz-Kategorie ebenfalls auf die Ansichten von sexuellen Minderheiten-Gruppen stützt.
Ablehnung und Verächtlichmachung von Toleranz führt zu Intoleranz
Die Internetzeitung queer.de nennt sich selbst das „Zentralorgan der Homo-Lobby“. Die Lobby-Arbeit der queer-Gruppe zielt darauf, von der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft bedingungslose Akzeptanz der homosexuellen Meinungen und Lebensweisen zu verlangen. Die Akzeptanz-Forderung richtet sich damit gegen die Haltung der kritischen Toleranz als wechselseitiges Recht. Die Homo-Lobby beansprucht für sich ein asymmetrisches Recht: Sie teilt nach allen Seiten Kritik aus, an ihren eigenen Positionen will sie dagegen keine Kritik zulassen. Dazu dient die Akzeptanz-Forderung nach bedingungsloser Wertschätzung aller Homosexualitätspositionen. Auf diese Weise sollen nur positive Meinungsbeiträge von Mehrheit und Medien zu Homosexualitätsthemen als akzeptabel bewertet werden. Die Selbstbelobigungsformel der Homosexuellen: „Das ist gut so!“ soll zum alleinigen Maßstab öffentlicher Äußerungen gemacht werden. Das geschieht über die sanfte Meinungsdiktatur der politischen Korrektheit.
Hinter der Akzeptanz-Formel steht damit eine Abschottungsstrategie, um die Homosexuellenbewegung gegen jegliche Kritik zu immunisieren. Komplementär zu diesem Versuch der passiven Abschirmung von Kritik steht eine zweite aggressive Handlungsstrategie der Homolobby: Kritiker von Homosexualitätspositionen werden mies gemacht bis hin zu Diffamierungen.
Mit Verleumdungen von „Hasspredigt“ und „Homophobie“ gegen kritische Vorbehalte
Der Theologe Josef Ratzinger wurde als Kardinal und später als Papst vom Lesben- und Schwulenverband Deutschlands als „Hassprediger“ beschimpft. Mit diesem Etikett brandmarkte ihn der LSVD jahrelang auf seiner Startseite. Warum? Kardinal Ratzinger hatte 2003 eine vatikanische Erklärung unterzeichnet, in der er die naturrechtliche Lehre der katholischen Kirche zu Homosexualität entfaltete. Die ethische Ablehnung von homosexueller Praxis verband er mit der Direktive für personalen Respekt gegenüber Homosexuellen. Mit der argumentativen Schrift selbst führt der Homosexuellenverband bis heute keinerlei kritische Auseinandersetzung. Es liegt in der Logik von Verleumdungen, dass über einen diffamierten Autor und Text nicht zu diskutieren ist. Mit der Etikettierung als Hassprediger sollte also ein argumentativer Diskurs mit kritischen Positionen verhindert werden.
Ein anderes Mittel, um Akzeptanz für Homosexuelle zu erzwingen und kritische Äußerungen totzuschlagen, ist das Schimpfwort „Homophobie“. Der psychiatrische Fachbegriff einer krankhaften „Angststörung“ wird von der Homo-Lobby als Allzweckwaffe eingesetzt, um Kritik gegenüber Homosexuellen als politisch unkorrekt niederzuschlagen. „Homophobie“ wird als neue Auschwitzkeule benutzt. Jenen Begriff hatte der Politikwissenschaftler Michael Wolffsohn 1988 erfunden und in die Debatte geworfen mit der Bedeutung: „Nutzt Argumente, nicht Worthülsen“ (FNP 3. 1. 2017). Heute wird der Begriff Homophobie als Keule gegen Kritiker und Argumente benutzt. Der Grüne Boris Palmer, selbst von queer.de als homophob verschrien, nennt diese Brandmarkungsstrategie „totalitär“.
Der Staat als Büttel der Homolobby?
Im Gegensatz zu der staatlichen Toleranzauflage, sich zurückhaltend und neutral gegenüber der pluralistischen Meinungsvielfalt zu verhalten, positioniert sich der Staat derzeit einseitig für die homosexuellen Interessengruppen. Die Bundesregierung hat sogar die exzessive Totschlag-Strategie der Homo-Lobby gegenüber Kritikern übernommen. In nächster Zeit soll im Bundestag ein „Nationaler Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie“ verabschiedet werden. Die kürzlich publizierte Befragungsstudie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes macht dafür Stimmung. Darin sind die Fragestellungen so hingedreht, dass der kommende Aktionsplan notwendig erscheint. Bei der Interpretation der Ergebnisse verstärkt die Studie die Diffamierungsstrategie der Homo-Lobby.
Ist halb Deutschland mit homophoben Angststörungen behaftet?
Die Regierungsbeauftragten-Befragungsstudie pathologisiert einen Großteil der deutschen Bevölkerung, indem die krankhafte Angststörung der „Homophobie“ unterstellt wird. Für diese Fehldiagnose muss folgendes Befragungsergebnis herhalten. 44 Prozent hatte dem kritischen Vorhalt zugestimmt: „Homosexuelle sollen aufhören, so einen Wirbel um ihre Sexualität zu machen“. Für ein solches Urteil gibt es gute Gründe, wenn man allein an die CSD-Paraden und Pride-Wochen in 23 deutschen Großstädten denkt, bei denen alle Versionen und Varianten von Homosexualität in die Öffentlichkeit verwirbelt werden.
Doch solchen Urteilsgründen für Ansichten klebt man gleich das Etikett „moderne Homophobie“ auf. Die entsprechenden Bürgermeinungen werden als irrationale Angstsyndrome dramatisiert. Auf solche Weise wird dieses Meinungssegment aus dem Bereich des politisch Korrekten und damit dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen. Der staatliche Kampf „gegen Homophobie“ erweist sich als paternalistisches Steuerungsmittel, um Andersdenkende oder von der Homo-Lobby abweichende Meinungen zur (Staats-) Räson zu nötigen.
Unterstellungen, um gewünschte Antworten zur Schulsexualkunde zu präsentieren
In einem weiteren Block der Befragung geht es um den „Umgang mit sexueller Vielfalt in der Schule“. Bei ihren Fragestellungen würden die „Argumente der Gegner“ von Bildungsplänen zur sexuellen Vielfalt berücksichtigt. Doch diese Behauptung der Studie trifft nicht zu. Die erste Frage z. B. ist so formuliert, als wenn jegliches „Ansprechen von sexueller Vielfalt in der Schulzeit die Kinder in der Entwicklung ihrer Sexualität verwirren“ würde. Das haben die Lehrplangegner nie gesagt.
In Hessen z. B. stören sich aber Eltern und Lehrer daran, dass die Kinder schon in der Frühpubertät mit den „sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten von Homo- und Transsexualität“ konfrontiert werden. Die besorgten Eltern und Elternvertretungen werden bei dieser Kritik von der Professorin für Sexualpädagogik, Karla Etschenberg, unterstützt. Die sagte im FAZ-Interview vom 24. 9. 2016: „Das Thema Transsexualität in der 5. oder 6. Klasse halte ich sogar für gefährlich, da es Kinder zu Beginn der Pubertät stark verunsichern kann.“
Wenn sich die Fragestellung an der realen Sorge der Eltern orientiert und auf die Verwirrung durch Frühsexualisierung fokussiert hätte, dann wäre jedenfalls eine weitaus größere Zustimmung als 29 Prozent herausgekommen, wahrscheinlich sogar eine Mehrheit. Aber das wollten die Befragungsmacher/innen nicht hören. Deshalb manipulierten sie die Frageformulierung so, dass sie eine Mehrheit für die umstrittenen Sexualisierungspläne hindeichseln können.
Gefälligkeitsstudie für den Vorrang schulischer Homosexualitätsthemen
Noch deutlicher wird der Gefälligkeitscharakter der Studie bei der nächsten Fragestellung zum Thema Liebe und Partnerschaft: „Sollten in der Schule nur heterosexuelle Paare aus Mann und Frau vorkommen“? Mit 73 Prozent Ablehnung hat man sich auf billige und manipulative Weise eine Mehrheit für die Sexualpädagogik der Vielfalt herbeigezaubert.
Auch eine solche Forderung haben die Lehrplankritiker nie gestellt. Im Gegenteil. Sie kämpfen in Hessen dafür, dass heterosexuelle Paare sowie Ehe und Familie, also die Partnerschaftsform der Mehrheitsgesellschaft, überhaupt im Unterricht behandelt wird. Denn diese Themen sind in allen vier Schul-Altersstufen nicht vorgesehen. Stattdessen nehmen die Sexualitätsvariationen von Minderheiten einen überproportionalen Platz ein. Bezogen auf den hessischen Lehrplan hätte die Frage lauten müssen: Sollen im Sexualkundeunterricht nur gleichgeschlechtliche Partnerschaften vorkommen? Die wahrscheinliche Mehrheitsantwort würde eine Klatsche für den verantwortlichen Kultusminister bedeuten.
Oder wie wäre es mit einer Fragestellung nach dem Grundsatz, dass im Sexualkundeunterricht die Realitäten der Gesellschaft abgebildet werden sollten? Das ist dem Kultusminister angeblich wichtig. Dann müsste der Vorhalt lauten: ‚In der Schule sollen Heterosexualität, Ehe und Familie sowie Sexualitäten der Minderheiten in den Proportionen behandelt werden, in denen sie in der Gesellschaft vorkommen.’ Diesem realistischen Frageansatz würde die überwältigende Mehrheit der Befragten zustimmen und damit die vernünftige Position der Lehrplangegner stützen. Doch solche Ergebnisse wollte die Studie eben nicht haben.
Vom liberalen Toleranzstaat zum paternalistischen Bevormundungsstaat
Wenn der liberale Staat die gebotene Neutralität und Toleranz in Wertfragen aufgibt und sich einseitig für die Förderung von partikularen Interessen und Wertvorstellungen einspannen lässt, dann wird er zum paternalistischen Bevormundungsstaat, der mit Gesinnungslehrplänen schon die Kinder und Jugendlichen lenken will – gegen den Mehrheitswillen der Eltern.
Text: Hubert Hecker
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↑1 | Am 6. Mai spricht Prof. Dr. Christian Winterhoff über den „Rechtlichen Rahmen der Sexualpädagogik der Vielfalt“. Der Vortrag ist Teil des Symposions zur „Sexualpädagogik der Vielfalt“ im Kurhaus Wiesbaden. Anmeldung erforderlich |
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