Sexualpädagogik der Schamlosigkeit – Lehrplanmängel (7)


Der neue Sexu­al­erzie­hungs­lehr­plan in Hes­sen wirkt als Tür­öff­ner für Früh­sexua­li­sie­rung vor­pu­ber­tä­rer Kin­der. Schon im ersten Gel­tungs­jahr zei­gen sich des­sen schlech­te Früchte.

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Ein Gast­bei­trag von Hubert Hecker.

Die neue hes­si­sche Sexu­al­erzie­hungs­richt­li­nie hat zwei Schran­ken für einen zurück­hal­ten­den Sexu­al­kun­de­un­ter­richt auf­ge­ho­ben, wie es Recht und Gesetz eigent­lich vor­schrei­ben. Damit wird die Tür für einen exzes­si­ven Sexua­li­sie­rungs­un­ter­richt aufgestoßen.

Im alten Lehr­plan war als Lern­ziel ange­ge­ben, „das Bewusst­sein für eine per­sön­li­che Intim­sphä­re zu ent­wickeln“. Außer­dem soll­te „das natür­li­che Scham­ge­fühl der Kin­der und Jugend­li­chen ange­mes­sen berück­sich­tigt“ wer­den. Die­se bei­den Pas­sa­gen sind im neu­en Lehr­plan gestri­chen worden.

Was als klei­ner Unter­schied erscheint, zeigt an einem Bei­spiel gro­ße Wir­kung: Eine Zei­tungs­grup­pe in Mit­tel­hes­sen bie­tet der­zeit den Grund­schu­len in ihrem Ver­brei­tungs­ge­biet Auf­klä­rungs­un­ter­richt durch eine exter­ne Per­son an. In bis­her vier Arti­keln berich­te­ten die Lokal­aus­ga­ben von die­sem Experiment.

Die Wetz­la­rer Psy­cho­lo­gin Regi­na Edling über­nimmt in den vier­ten Grund­schul­klas­sen jeweils eine Dop­pel­stun­de. Das Weil­bur­ger Tage­blatt beschreibt in Arti­keln vom 7. und 9. März, wie „Lars und Lisa mit­ein­an­der schla­fen“. Die neun- bis zehn­jäh­ri­gen Schü­lern wer­den damit kon­fron­tiert, „wie der Geschlechts­ver­kehr zwi­schen Mann und Frau abläuft“.

Schrankenlose Frühsexualisierung in der Grundschule

Frau Edling erzählt von den „Hel­den eines Auf­klä­rungs­bu­ches“: „Lisa und Lars lie­ben sich. Und sie wol­len sich nah sein. Sie küs­sen sich, sie strei­cheln sich, sie zie­hen sich aus. Sie sind erregt.“ Und was pas­siert dann? „Sie schla­fen mit­ein­an­der.“ Die Psy­cho­lo­gin wür­de „schnör­kel­los“ über die „nor­mal­ste Sache der Welt“ reden, heißt es im Bericht wei­ter. Es geht dar­um, „wie­so man Sex braucht“ und „wie Sex funk­tio­niert“ – so der Titel eines wei­te­ren Arti­kels vom 12. 3. 2015.

Sexualkunde für Kinder im Angebot
Sexu­al­kun­de für Kin­der im Angebot

„Beim Vor­le­sen der Geschich­te von Lars und Lisa macht Edling immer wie­der kur­ze Pau­sen, um mit pas­sen­den Bil­dern ent­lang des Stuhl­krei­ses zu gehen.“ Es sind Bil­der aus dem Buch von Son­ja Här­din: „Woher kommst Du?“. Dar­in wer­den Lars und Lisa in allen Nackt­va­ria­tio­nen gezeigt sowie beim Geschlechts­ver­kehr. Wie­der­holt streckt Lars sein stei­fes Glied den klei­nen Betrach­tern ent­ge­gen. Das Buch soll laut Loe­we-Ver­lag für Kin­der ab 5 Jah­ren geeig­net sein.

Das Här­din-Buch ist ein Bei­spiel für schran­ken­lo­se Früh­sexua­li­sie­rung der Klei­nen in Kin­der­gar­ten und Grund­schu­le. Es ist auf kei­nen Fall kind- und alters­ge­recht, wenn die bei­de Ado­les­zen­ten Lars und Lisa in Situa­tio­nen sexu­el­ler Sti­mu­la­ti­on gezeigt wer­den, etwa wie Lisa ein Kon­dom über Lars‘ eri­gier­ten Penis streift oder der Geschlechts­akt inklu­si­ve Orgas­mus im Detail beschrie­ben wird.

Überschreiten der natürlichen Schamgrenzen der Kinder

Frau Edling mag nicht alle die­se Bil­der gezeigt haben. Aber sie legt offen­sicht­lich Wert dar­auf, die intim­sten Sexu­al­si­tua­tio­nen „scham­frei“ vor den Kin­dern aus­zu­brei­ten. Dass die Kin­der „immer wie­der kichern und unru­hig auf ihren Stüh­len sit­zen“, deu­tet auf das Über­schrei­ten der Scham­gren­ze hin. Doch dar­auf reagier­te die Refe­ren­tin nicht mit „Zurück­hal­tung“, wie es das Schul­ge­setz verlangt.

Die Psy­cho­lo­gin für Paar­be­ra­tung hat anschei­nend wenig Ahnung von Ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gie. Als ihr Vor­trag „Scham aus­lö­ste“ oder die Nackt­bil­der „pein­lich-berühr­tes Lachen“ her­vor­rie­fen, wies sie die Kin­der „immer wie­der dar­auf hin, dass sie doch schon neun oder zehn Jah­re alt sei­en und kei­ne Kin­der­gar­ten­kin­der mehr“. Sie scheint es regel­recht dar­auf ange­legt zu haben, das Scham- und Schutz­ge­fühl der Kin­der aus­zu­schal­ten. Laut Zei­tungs­be­rich­ten beton­te Frau Edling mehr­mals die Nor­ma­li­tät von Sexua­li­tät und Nackt­heit – auch in inti­men Situa­tio­nen, „um Scham zu vermeiden“.

Entschämung bis hin zu Pornographie und Pädophilie

Seit der ‚sexu­el­len Revo­lu­ti­on’ der 68er sind vie­le Scham­schran­ken nie­der­ge­ris­sen wor­den. Mit der „sexu­el­len Befrei­ung des bür­ger­li­chen Indi­vi­du­ums“ wur­de der Schutz von Pri­vat- und Intim­sphä­re als „bour­geois“ ver­pönt. Das Über­schrei­ten aller Scham­schwel­len erklär­te man zum revo­lu­tio­nä­ren Ver­än­de­rungs­akt der Gesell­schaft. Seit­her ist Por­no­gra­phie in öffent­li­chen Dar­stel­lun­gen all­ge­gen­wär­tig. Doch am Ende der Ent­ta­bui­sie­rung von Nackt­heit, Sexua­li­tät und Intim­sphä­re ste­hen die ent­blöß­ten (Frau­en-) Kör­per in den Bil­der­wel­ten des Konsums.

Die Ent­schä­mung in der Päd­ago­gik begann schon frü­her. Prot­ago­ni­sten dafür sind in der Zeit um den 1. Welt­krieg die Reform­päd­ago­gen Gustav Wyne­ken und Paul Geheep, der Grün­der der Oden­wald­schu­le. Damals denun­zier­te man Scham als Prü­de­rie und pro­pa­gier­te den scham­frei­en, „unge­zwun­ge­nen“ Umgang mit­ein­an­der. In den „Fami­li­en­ver­bän­den“ der Oden­wald­schu­le dräng­ten sich Leh­rer in den Mäd­chen­du­sch­raum und nötig­ten weib­li­che Zög­lin­ge zu Strip-Run­den. In der Reform­päd­ago­gik war das Nie­der­rei­ßen der Scham­schran­ken von Anfang dar­an gekop­pelt, dass Erwach­se­ne leich­ter pädo­se­xu­el­len Zugang zu Kin­dern und Jugend­li­chen bekom­men woll­ten. Die pädo­phi­le Annä­he­rung wur­de als „päd­ago­gi­scher Eros“ verschleiert.

Aufbrechen von Schamgrenzen im Klassenzimmer

Eine ande­re Begrün­dung für Ent­schä­mung zieht die „Sexu­al­päd­ago­gik der Viel­falt“ her­an. Die wird von der Kent­ler-Sie­lert-Tui­der-Schu­le pro­pa­giert. In Anknüp­fung an die 68er behaup­ten die­se Sexper­ten, dass sinn­lich-sexu­el­le Lust­erfah­run­gen ein „Kin­der­recht“ von Anfang an sei. Päd­ago­gen soll­ten den Kin­dern Wis­sen über sexu­el­le Lust­quel­len ver­mit­teln und sie anschlie­ßend ermun­tern, durch Selbst­be­frie­di­gung und Dok­tor­spie­le sol­ches aus­zu­pro­bie­ren. Bei den „Post­mo­der­nen Ent­gren­zun­gen“ (so der Unter­ti­tel eines Buches von Uwe Sie­lert) geht es auch um Auf­bre­chen von Scham­gren­zen im Klas­sen­zim­mer. In einem Metho­den­buch von Eli­sa­beth Tui­der sol­len 10Jährige, also Grund­schü­ler, vor der Klas­se über ihre Lieb­lings­stel­lun­gen reden. Man soll dar­über spre­chen, wohin sonst man den Penis stecken kann. Nach die­sem exzes­si­ven Sexua­li­sie­rung­kon­zept ist das soge­nann­te „Recht auf sexu­el­le Selbst­be­stim­mung“ ein Vor­wand, um Kin­der und Jugend­li­che mit scham­ver­let­zen­den Bil­dern und Übun­gen sowie sexu­ell grenz­ver­let­zen­den Inhal­ten zu belä­sti­gen. Die Scham­ver­let­zun­gen füh­ren zu Irri­ta­ti­on, Angst, Sprach­lo­sig­keit und inne­rer Lähmung.

Ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gen gehen davon aus, „dass alle Kin­der bereits im Alter von sie­ben Jah­ren über ein aus­ge­bil­de­tes Scham­ge­fühl ver­fü­gen“ (Schuh­r­ke, 1999). Es hat die pri­mä­re Bedeu­tung, die eige­ne ver­letz­li­che Geschlecht­lich­keit vor frem­den Blicken und Berüh­run­gen zu schüt­zen. Inso­fern ist eine ermu­ti­gen­de Scham­er­zie­hung auch Grund­la­ge für Missbrauchsprävention.

Im wei­te­ren Sin­ne schützt der Scham den inne­ren Kern unse­rer Per­sön­lich­keit, unse­re Iden­ti­tät. Der Ver­lust an Scham cha­rak­te­ri­siert einen fun­da­men­ta­len Wer­te­man­gel, so der Scham­ex­per­te Léon Wurm­ser. Die Akzep­tanz von Scham­lo­sig­keit läuft auf eine Unkul­tur der Respekt­lo­sig­keit, des Ver­wer­fens und Ent­wer­ten von Idea­len hinaus.

Schamverlust als Anfang weiterer Enthemmungen

Noch deut­li­cher drückt es Sig­mund Freud aus: „Der Ver­lust des Scham­ge­fühls ist das erste Zei­chen von Schwach­sinn. Kin­der, die sexu­ell sti­mu­liert wer­den, sind nicht mehr erzie­hungs­fä­hig. Denn die Zer­stö­rung der Scham bewirkt eine Ent­hem­mung auf allen ande­ren Gebie­ten, eine Bru­ta­li­tät und Miss­ach­tung der Per­sön­lich­keit des Mit­men­schen“ (Gesam­melt Wer­ke, Bd. 7, S. 149).

Ange­sichts die­ser War­nun­gen vor einer Erzie­hung zur Scham­lo­sig­keit ist es unver­ant­wort­lich, dass der hes­si­sche Kul­tus­mi­ni­ster die Lern­zie­le zum Bewusst­sein für per­sön­li­che Intim­sphä­re und Pfle­ge des Scham­ge­fühls aus dem Sexu­al­erzie­hungs­lehr­plan gestri­chen hat. Die schlech­ten Früch­te die­ser ent­schäm­ten Richt­li­nie ersieht man an den Auf­klä­rungs­stun­den von Frau Edling: Mit ihrer Ent-Tabui­sie­rung und zugleich Bana­li­sie­rung von sexua­li­sier­ter Nackt­heit beför­dert sie eine Erzie­hung zu Scham­lo­sig­keit. Die Kin­der wer­den auf die­sem Weg auf die all­ge­gen­wär­ti­ge Por­no­gra­phie der Erwach­se­nen­welt ein­ge­stimmt. Die­se Art der öffent­li­chen Bloß­stel­lung von Sexua­li­tät ist gewiss nicht im Sin­ne der Eltern.

Der Lehr­plan braucht in die­sen und ande­ren Punk­ten drin­gend eine Revision.

Text: Hubert Hecker
Bild: Demo für alle/paarfeeeling.de (Screen­shot)

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6 Kommentare

  1. Sind denn alle ver­rückt gewor­den, daß sie so etwas dul­den? Wo sind die Eltern der Kin­der, die in der Schu­le durch sol­chen Unter­richt regel­recht miß­braucht werden?

    • Die Eltern sind schnell im Gefäng­nis, wenn sie ihre Kin­der nicht zu die­sem „Unter­richt“ las­sen; es sind auch kei­ne Tage oder bestimm­te Fächer, nein es zieht sich durch den gesam­ten Unter­richt, alle Fächer. Eltern kön­nen wenig aus­rich­ten, die gan­ze nicht-grü­ne-lin­ke-sozia­li­sti­sche-Mensch­heit ist gefragt, sie muss dage­gen pro­te­stie­ren, auch alle Bischö­fe und Prie­ster müs­sen die Kin­der schützen.

  2. Wenn man bedenkt, dass die Kin­der kei­ner­lei Mög­lich­kei­ten haben, sich die­ser mas­si­ven Mani­pu­la­ti­on zu entziehen …
    Kein Kind ist wie das andere.
    Jedes von ihnen hat sei­ne eige­ne, indi­vi­du­ell aus­ge­präg­te Rei­fe. Was für das eine Kind viel­leicht gera­de noch ertrag­bar wäre, könn­te für das ande­re ein tota­ler Schock bedeuten.
    Aber das scheint den schu­li­schen Auf­klä­rern voll­kom­men schnup­pe zu sein.
    Frü­her hat man den Kin­dern in der Schu­le Lesen, Schrei­ben, Rech­nen und ande­res Wis­sen beigebracht.
    Heut­zu­ta­ge hat das Sexu­el­le einen Stel­len­wert, der sprach­los macht.
    Kampf­los soll­te er des­we­gen aber nicht machen! Also Eltern – wehrt Euch!
    Für die gesun­de psy­chi­sche Ent­wick­lung der Kin­der soll­te Wider­stand allen ein Anlie­gen sein.

    • Nicht die Ver­ant­wor­tung auf die Eltern abschie­ben, jeder, jeder kann und muss dage­gen demon­strie­ren auch Allein­ste­hen­de und alte Menschen.

      • Rich­tig. Das wird erst dann etwas, wenn sich die Omas und Opas ein­mi­schen. Denen kön­nen Sie nicht die Kin­der wegnehmen!

  3. Katho­li­sche Schu­len machen das mit. Die Schul­se­xu­al­erzie­hung wur­de mit Zustim­mung der Bischö­fe in Deutsch­land ein­ge­führt. Für Bay­ern weiß ich es noch von Alt­abt Dr. Tho­mas Niggl OSB (+). Die katho­li­sche Kir­che macht heu­te fast alles Böse mit. Von den Pro­te­stan­ten nicht zu reden. Erin­nern wir uns an die hoch­rich­ter­li­che Bil­li­gung der Homo­ehe in den USA und ihre gesetz­li­che Ein­füh­rung in tra­di­tio­nell katho­li­schen Län­dern wie Irland. Und jetzt wer­den vie­le mir zür­nen, wenn ich dar­aus schlie­ße: dass die katho­li­sche Kir­che, so wie sie jetzt ist, alle schlim­men Din­ge der Zukunft, von denen das hier erst die Vor­bo­ten sind (ja, es wird alles noch schlim­mer wer­den!), auch mit­ma­chen wird. Wenn jetzt schon fast kein Wider­stand ist, wo man ihn noch ohne Gefahr für Leib und Leben lei­sten kann, was ist dann erst für die Zukunft zu erwar­ten, wenn das Tier die Kral­len nicht nur zeigt, son­dern zuschlägt. Die Zei­chen ste­hen auf Tota­li­ta­ris­mus. Papst Johan­nes Paul II. hat in sei­nem zuletzt ver­öf­fent­lich­ten Buch „Erin­ne­rung und Identität2 anschei­nend ver­geb­lich gewarnt. Schlim­mer: Die Kir­che ist füh­rend betei­ligt. Gleich­gül­tig­keit, Anpas­sung, fal­sche Ehr­furcht und nack­te Angst läh­men vie­le Katholiken.

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