Die „geglaubte“ Einstimmigkeit – Eine Anmerkung zu den Einlassungen des Kardinal Marx zu den DBK-Richtlinien zu Amoris Laetitia


Martyrium des hl. Lambert von Maastricht (oder Lüttich) für die Unauflöslichkeit der Ehe.
Martyrium des hl. Lambert von Maastricht (oder Lüttich) für die Unauflöslichkeit der Ehe.

von Dr. Mar­kus Büning*

Anzei­ge

 So, so! Der Herr Vor­sit­zen­de, Erz­bi­schof Marx, „glaubt“ (katho​li​sches​.info berich­te­te dar­über!), dass in der von ihm gelei­te­ten Bischofs­kon­fe­renz all sei­ne Mit­brü­der im bischöf­li­chen Amt mit fol­gen­den Aus­sa­gen aus den jüngst abge­ge­be­nen Kon­fe­renz­richt­li­ni­en zu Amo­ris Lae­ti­tia (AL) über­ein­stim­men. Dort heißt es dann wie folgt:

„Amo­ris lae­ti­tia bie­tet in die­ser Fra­ge kei­ne all­ge­mei­ne Rege­lung und kennt kei­nen Auto­ma­tis­mus in Rich­tung einer gene­rel­len Zulas­sung aller zivil­recht­lich wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen zu den Sakra­men­ten. Amo­ris lae­ti­tia über­sieht weder die schwe­re Schuld, die vie­le Men­schen in sol­chen Situa­tio­nen des Zer­bre­chens und Schei­terns ehe­li­cher Bezie­hun­gen auf sich laden, noch die Pro­ble­ma­tik, dass eine zivil­recht­li­che Wie­der­hei­rat dem sicht­ba­ren Zei­chen des Ehe­sa­kra­ments wider­spricht, selbst wenn die betrof­fe­ne Per­son schuld­los ver­las­sen wur­de. Amo­ris Lae­ti­tia bleibt aber den­noch nicht beim kate­go­ri­schen und irrever­si­blen Aus­schluss von den Sakra­men­ten stehen.“

Dann wei­ter:

„Nicht alle Gläu­bi­gen, deren Ehe zer­bro­chen ist und die zivil geschie­den und wie­der­ver­hei­ra­tet sind, kön­nen ohne Unter­schei­dung die Sakra­men­te emp­fan­gen. Erfor­der­lich sind viel­mehr dif­fe­ren­zier­te Lösun­gen, die dem Ein­zel­fall gerecht wer­den und dann zum Tra­gen kom­men, wenn die Ehe nicht annul­liert wer­den kann.“

Da haben wir es dann also Schwarz auf Weiß: Hier ist Platz für den sub­jek­ti­ven Ein­zel­fall­ent­scheid! Was ist mit dem strik­ten Gebot Jesu Chri­sti, dass die Ehe unauf­lös­lich ist? Was ist mit Fami­lia­ris Con­sor­tio Nr. 84 und dem dort aus­ge­spro­che­nen und zu beach­ten­den Gebot zur Ent­halt­sam­keit für den Fall, dass sog. wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne den Zugang zu den Sakra­men­ten begeh­ren? Fra­gen über Fragen?

Kardinal Reinhard Marx
Kar­di­nal Rein­hard Marx

So, nun sit­ze ich hier als Mün­ste­ra­ner Diö­ze­san und fra­ge mich, ob das auch die Hal­tung mei­nes Bischofs ist, der sich rüh­men kann, einem Cle­mens August Kar­di­nal Graf von Galen nach­zu­fol­gen. Oder noch ein­dring­li­cher zum The­ma: Die­ser Bischof ist Nach­fol­ger des Hl. Liud­ger, der ein gro­ßer Ver­eh­rer des Hl. Lam­ber­tus (um 635–705), Bischof von Maas­tricht, gewe­sen ist. Daher tra­gen die Haupt­pfarr­kir­chen in Mün­ster und Coes­feld auch sei­nen wer­ten Namen. Die­ser Hei­li­ge ist für die Unauf­lös­lich­keit der Ehe in den Tod gegan­gen. Man lese nur in den ein­schlä­gi­gen Hei­li­gen­bio­gra­fien nach. Und nun die kla­re Fra­ge: Bischof Felix Genn, fol­gen Sie auch der „geglaub­ten Ein­stim­mig­keit“? Ver­schan­zen Sie sich hin­ter die­sen Richt­li­ni­en oder haben sie in Ihrer eige­nen Ver­ant­wor­tung als Ober­hir­te die­ser Diö­ze­se eine eige­ne Mei­nung, die Sie not­falls auch am jüng­sten Tag vor Got­tes Ange­sicht recht­fer­ti­gen kön­nen? Das sind mei­nes Erach­tens berech­tig­te Fra­gen, die nun jeder Katho­lik sei­nem Ober­hir­ten stel­len sollte.

Ganz anders scheint es der­zeit in der Schweiz zu lau­fen. Da gibt es einen Bischof, der mit einem muti­gen Hir­ten­wort zur Inter­pre­ta­ti­on von AL sei­ner ihm von Gott und der Kir­che über­tra­ge­nen Ver­ant­wor­tung als Ober­hir­te nach­ge­kom­men ist. Die­ser Bischof heißt Vitus Huon­der und hat den alt­ehr­wür­di­gen Stuhl des Hl. Luzi­us in Chur inne. Da hört sich der Kom­men­tar zu AL aber ganz anders an. Hören wir die­sen muti­gen Bischof:

„Der Emp­fang der hei­li­gen Kom­mu­ni­on der zivil wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen darf nicht dem sub­jek­ti­ven Ent­scheid über­las­sen wer­den. Man muss sich auf objek­ti­ve Gege­ben­hei­ten stüt­zen kön­nen (auf die Vor­ga­ben der Kir­che für den Emp­fang der hei­li­gen Kom­mu­ni­on). Im Fal­le von zivil wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen ist die Ach­tung vor dem bestehen­den Ehe­band ausschlaggebend.

Wird bei einem Gespräch (bei einer Beich­te) die Abso­lu­ti­on eines zivil wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen erbe­ten, muss fest­ste­hen, dass die­se Per­son bereit ist, die Vor­ga­ben von Fami­lia­ris con­sor­tio 84 anzu­neh­men (JOHANNES PAUL II., Apo­sto­li­sches Schrei­ben Fami­lia­ris con­sor­tio vom 12. Novem­ber 1981). Das heißt: Kön­nen die bei­den Part­ner aus ernst­haf­ten Grün­den … der Ver­pflich­tung zur Tren­nung nicht nach­kom­men (vgl. AL 298), sind sie gehal­ten, wie Bru­der und Schwe­ster mit­ein­an­der zu leben. Die­se Rege­lung gilt nach wie vor schon des­halb, weil das neue Apo­sto­li­sche Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia aus­drück­lich kei­ne „neue gesetz­li­che Rege­lung kano­ni­scher Art“ vor­sieht (vgl. AL 300). Der Pöni­tent wird den festen Wil­len bezeu­gen müs­sen, in Ach­tung vor dem Ehe­band der „ersten“ Ehe leben zu wollen.“

Das ist mal eine wahr­haft katho­li­sche Stel­lung­nah­me zum umstrit­te­nen Lehr­schrei­ben AL! Wir Juri­sten spre­chen hier von einer „gel­tungs­er­hal­ten­den Reduk­ti­on“. Nur wenn man AL so inter­pre­tiert, kann es zur Über­ein­stim­mung mit der bis­her gel­ten­den Leh­re der Kir­che an die­ser Stel­le kom­men. Da ist dann eben kein Platz für den sub­jek­ti­ven Ent­scheid des Ein­zel­nen. Da bleibt es bei der kla­ren Linie von Fami­lia­ris Con­sor­tio Nr. 84 des hl. Johan­nes Paul II..

Heiliger Lambert (Kloster St. Lambrecht in der Pfalz, um 1400)
Hei­li­ger Lam­bert (Klo­ster St. Lam­brecht in der Pfalz, um 1400)

Es ist gut, dass die­ser Schwei­zer Bischof sei­ne ihm über­tra­ge­ne Ver­ant­wor­tung sel­ber aus­übt und sich nicht hin­ter einem Gre­mi­um ver­steckt, wel­ches sich eben nicht dem gött­li­chen Recht ver­dankt. Bischofs­kon­fe­ren­zen haben in insti­tu­tio­nel­ler Hin­sicht nichts, aber auch gar nichts, mit dem Stif­ter­wil­len Jesu Chri­sti zu tun. Geschicht­lich sind die­se Kon­fe­ren­zen ein rein mensch­li­ches Pro­dukt von Kir­chen­or­ga­ni­sa­ti­on, die der Ver­ein­heit­li­chung die­nen soll. Dies darf aber nicht auf Kosten der Wahr­heit erfol­gen! Und: Dies darf nicht per­ma­nent dazu füh­ren, dass der ein­zel­ne Orts­bi­schof nicht mehr gefor­dert ist, sei­nen kon­kre­ten Hir­ten- und Lehr­auf­trag gegen­über sei­nen Diö­ze­sa­nen zu erfül­len. Ein jeder Diö­ze­san hat doch das Recht zu wis­sen, wie sein Bischof zu die­sen wich­ti­gen Fra­gen der Glau­bens- und der Sit­ten­leh­re der Kir­che denkt. Zudem besteht hier die andau­ern­de Gefahr, dass sich der ein­zel­ne Bischof hin­ter das „aper­so­na­le“ Kon­strukt der Kon­fe­renz ver­schanzt und sich sei­ner ori­gi­nä­ren Ver­ant­wor­tung entledigt.

Ich fra­ge mich nicht nur nach mei­nem Ober­hir­ten in Mün­ster. Ich fra­ge auch beson­ders die Her­ren Bischö­fe von Regens­burg, Eich­stätt und Pas­sau, ob Sie hier der „geglaub­ten Ein­stim­mig­keit“ unter­wor­fen sind oder dem kla­ren und immer gel­ten­den Gesetz Jesu Chri­sti? Von die­sen Bischö­fen dach­te ich bis­her, dass sie durch­aus „kla­re Kan­te“ zei­gen kön­nen und wol­len. Also, was ist Ihre Mei­nung? Vie­le Katho­li­ken schau­en in die­sen Tagen sicher auch auf die­se Bischöfe?

Schau­en wir vor allem auf das Wort Jesu Chri­sti, wel­ches gera­de in die­ser Situa­ti­on Bän­de spricht. Der Herr wirft den Pha­ri­sä­ern fol­gen­des vor:

„Ihr gebt Got­tes Gebot preis und hal­tet euch an die Über­lie­fe­rung von Men­schen. (…) Sehr geschickt setzt ihr Got­tes Gebo­te außer Kraft und hal­tet euch an eure eige­ne Über­lie­fe­rung.“ (Mk 7,8f.)

Nicht die­je­ni­gen, die hier das Gebot von der Unauf­lös­lich­keit der Ehe ver­tei­di­gen sind die Pha­ri­sä­er. Nein, die­je­ni­gen, die mit viel mensch­li­chem Geschick und Anpas­sung an den Zeit­geist ver­su­chen, die Wahr­heit zu ver­wäs­sern, sind die wah­ren Pha­ri­sä­er unse­rer Tage. Ein ande­rer muti­ger deut­scher Bischof, der sei­nen Dienst im fer­nen Kasach­stan treu und  evan­ge­li­ums­ge­mäß aus­übt, hat dar­auf schon mehr­mals in der Dis­kus­si­on um Ehe und Fami­lie hin­ge­wie­sen. Scha­de, dass die­ser Ober­hir­te nicht Mit­glied der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz ist. Von einer „geglaub­ten Ein­stim­mig­keit“ könn­te man dann wohl nicht mehr ausgehen.

*Mar­kus Büning, gebo­ren 1966 in Ahaus (West­fa­len), stu­dier­te katho­li­sche Theo­lo­gie und Phi­lo­so­phie in Mün­ster in West­fa­len und Mün­chen. Nach sei­nem erfolg­rei­chen Stu­di­en­ab­schluß absol­vier­te er ein Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten an den Uni­ver­si­tä­ten von Kon­stanz und Mün­ster und wur­de 2001 in Mün­ster zum Dok­tor der Rechts­wis­sen­schaf­ten pro­mo­viert. Nach Tätig­kei­ten als Assi­stent an den Uni­ver­si­tä­ten Kon­stanz und Mün­ster trat er als Jurist in den Ver­wal­tungs­dienst. Der aus­ge­wie­se­ne Kir­chen­recht­ler ver­öf­fent­lich­te zahl­rei­che Publi­ka­tio­nen zu kir­chen­recht­li­chen und theo­lo­gi­schen The­men und über Hei­li­ge. Dr. Mar­kus Büning ist ver­hei­ra­tet und Vater von zwei Kindern.

Bild: Wikicommons/​MiL

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6 Kommentare

  1. Ja, Herr Dr. Büning: man wüß­te schon ger­ne wie der betref­fen­de Orts­bi­schof zu AL und den immer­gül­ti­gen Leh­ren der Kir­che steht.
    Mein Orts­bi­schof ist der Trie­rer Bischof Dr. Ste­phan Acker­mann, und da kann ich davon aus­ge­hen, daß er kom­plett mit Kar­di­nal Marx übereinstimmt.
    Ihr Mün­ste­ra­ner Ober­hir­te, Herr Bischof Genn, war zu sei­ner Zeit in Trier als eher „kon­ser­va­tiv“ bekannt: aber wer weiß.
    Herr Bischof Voder­hol­zer von Regens­burg, den ich eben­falls in sei­ner Trie­rer Zeit ein wenig gekannt habe, wird wohl an den Leh­ren der Kir­che fest­hal­ten und zur treu­en Min­der­heit gehören.
    Die Bischö­fe Bät­zing (Lim­burg) und Die­ser (Aachen), auch sie mir ein Stück weit bekannt als ehe­ma­li­ge Trie­rer, dürf­ten wie­der­um ziem­lich sicher zu den Mehr­heits­bi­schö­fen gehören.
    Es ist Fakt, daß der Trie­rer Karl Marx seit Jahr­zehn­ten Wur­zeln in der Kir­che von Trier schla­gen konn­te mit all den nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen. Und das trifft sich alles gut mit Papst Fran­zis­kus, der eben­falls wenig Sinn für das Über­na­tür­li­che besitzt, dafür umso mehr für die mar­xi­sti­sche und wahr­heits­wid­ri­ge „Pra­xis“.

  2. Ja, wie wäre es mit einem offe­nen Brief an den Bischof? Denn sind die Kon­se­quen­zen, die sich aus der Ant­wort erge­ben, nicht enorm? Darf man eigent­lich an einer Hl. Mes­se teil­neh­men, in der die Gefahr besteht, dass auf aus­drück­li­che Anord­nung des Bischofs gegen die Leh­re der Kir­che ver­sto­ßen wird?

  3. Da sit­zen vie­le Bischö­fe bei­sam­men zu dem bri­san­te­sten The­ma und die­se lei­sten sich gro­be, sprach­li­che und/​oder gedankliche
    “ Unge­reimt­hei­ten „. Wenn sie schrei­ben “ Nicht alle Gläu­bi­gen deren Ehe zer­bro­chen ist … „, dann folgt dar­aus, dass es eben Gläu­bi­ge gibt, die ohne Ein­zel­fall­ent­schei­dung zum Eucha­ri­stie­emp­fang zuge­las­sen werden?
    Die Ver­wir­rung unter den Chri­sten ist lei­der so groß, dass kei­ne Samm­lung im Gei­ste mög­lich zu sein scheint!?

  4. Aller­dings setzt das vor­aus, zunächst die Annul­lie­rung anzu­stren­gen. Und trotz des „gestraff­ten“ Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­rens glau­be ich nicht, dass das eine Mas­sen­be­we­gung wer­den wird.

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