Varoufakis, DiEM25 und Papst Franziskus


Ist Yanis Varoufaxis bald bevorzugter Gast von Papst Franziskus im Vatikan?
Wird auch Yanis Varoufaxis bald ein bevorzugter Gast im Vatikan sein?

(Rom) Offi­zi­el­len katho­li­schen Medi­en wird aktu­ell eine wert­freie „Dia­log­fi­xiert­heit“ nach­ge­sagt. Zu die­sem Schluß gelangt auch der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster mit sei­nem neu­en Arti­kel: „Wer springt aus dem Oster­ei des Avve­ni­re? Varou­fa­kis“. Der Avve­ni­re ist die Tages­zei­tung der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, Yanis Varou­fa­kis ist der ehe­ma­li­ge grie­chi­sche Finanz­mi­ni­ster der links­ra­di­ka­len Par­tei Syri­za.

„Wer schlüpft aus dem katholischen Osterei? Yanis Varoufakis“

Anzei­ge

„Aus dem Oster­ei des Avve­ni­re, der Tages­zei­tung im Besitz der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, schlüpf­te in den ver­gan­ge­nen Tagen eine bizar­re Über­ra­schung. Ihr Name ist Yanis Varou­fa­kis, der umstrit­te­ne Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ter, der Grie­chen­lands Finanz­mi­ni­ster war, als sich das Land am Ran­de des Abgrunds befand, dann von der Euro­päi­schen Uni­on gebannt und von sei­nem Weg­ge­fähr­ten Alexis Tsi­pras fal­len­ge­las­sen wur­de“, so Magister.

Am Mitt­woch der Kar­wo­che mach­te Varou­fa­kis Sta­ti­on in Rom, um sei­ne neue poli­ti­sche Bewe­gung DiEM25 vor­zu­stel­len. DiEM25 steht für Demo­cra­cy in Euro­pe Move­ment 2025 (Bewe­gung Demo­kra­tie in Euro­pa 2025). Das Mot­to von DiEM25 lautet:

„Die EU wird demo­kra­ti­siert, oder sie wird zerfallen.“

2025 bezeich­net das Jahr, bis zu dem die „Demo­kra­ti­sie­rung“ Euro­pas erreicht wer­den soll.

In DiEM25 sam­melt sich der­zeit mehr oder weni­ger alles, was im links­ra­di­ka­len Spek­trum Rang und Namen hat, von Pablo Igle­si­as, dem Chef der links­po­pu­li­sti­schen, spa­ni­schen Bewe­gung Pode­mos, bis zum unent­behr­li­chen Noam Chom­sky, vom trotz­ki­sti­schen bri­ti­schen Film­re­gis­seur Ken Loach über den links­ra­di­ka­len ita­lie­ni­schen Staats­an­walt Anto­nio Ingroia (Zivi­le Revo­lu­ti­on) bis zum Links­extre­mi­sten Toni Negri. Der Staats­theo­re­ti­ker Negri war Ende der 60er Jah­re vom Links­ka­tho­li­zis­mus zum neo­mar­xi­sti­schen bewaff­ne­ten Kampf der „Arbei­ter­klas­se“ abge­drif­tet. Toni Negri leg­te 2002 zusam­men mit Micha­el Hardt das Buch „Impe­rio“ (deutsch: Empire: die neue Welt­ord­nung) vor. Dar­in kri­ti­sier­te er nicht nur die neo­li­be­ra­le Glo­ba­li­sie­rung als moder­ne Form des Impe­ria­lis­mus, son­dern sah dar­in auch eine neue Chan­ce zur Revolution.

Katholische Unterstützung für DiEM25

Varoufakis in der Zeitung der Bischöfe
Varou­fa­kis in der Zei­tung der Bischöfe

Doch nicht nur die radi­ka­le und extre­me Lin­ke unter­stützt DiEM25, son­dern auch die katho­li­sche Tages­zei­tung Avve­ni­re. Am Grün­don­ners­tag ver­öf­fent­lich­te die Zei­tung der ita­lie­ni­schen Bischö­fe ein ganz­sei­ti­ges, begei­ster­tes Inter­view mit Varou­fa­kis. Als Titel wur­den Varou­fa­kis Wor­te gewählt:

„Es ist ein see­len­lo­ses Euro­pa. Wir ste­hen vor der letz­ten mora­li­schen Prüfung“.

Der ehe­ma­li­ge grie­chi­sche Finanz­mi­ni­ster und auf­stre­ben­de Stern der radi­ka­len Lin­ken gab im Inter­view selbst bekannt, wie es zur unge­wöhn­li­chen Liai­son zwi­schen ihm und der katho­li­schen Zei­tung gekom­men ist:

„Ich habe die vom Avve­ni­re ver­öf­fent­li­che Ana­ly­se des ehe­ma­li­gen Prä­si­den­ten der ita­lie­ni­schen Zen­tral­bank Fazio gese­hen. Exzel­lent! Ab und zu gibt es noch jemand, der mir Recht gibt…“ [1]Anto­nio Fazio war 1993 auf Lebens­zeit zum Prä­si­den­ten der ita­lie­ni­schen Zen­tral­bank Ban­ca d’Italia ernannt wor­den. Unter sei­ner Amts­füh­rung erfolg­ten die Auf­nah­me Ita­li­ens in die Euro­päi­sche … Con­ti­n­ue rea­ding

Kritik des Ex-Zentralbankchefs Fazio an der EU-Wirtschaftspolitik

Gemeint ist ein zwei­tei­li­ger Arti­kel von Anto­nio Fazio, der in den bei­den Tagen vor Varou­fa­kis Ankunft in Rom vom Avve­ni­re ver­öf­fent­licht wor­den war. Der Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler Fazio, ein beken­nen­der Katho­lik, der als aus­ge­zeich­ne­ter Ken­ner der Schrif­ten des hei­li­gen Tho­mas von Aquin gilt, hat­te mit dem Jour­na­li­sten Euge­nio Fatig­an­te meh­re Gesprä­che geführt, aus dem der Arti­kel ent­stan­den ist. Fatig­an­te war dann auch der Inter­view­er von Varoufakis.

Im ersten Teil rekon­stru­ier­te Fazio, in einer auch für Nicht-Spe­zia­li­sten ver­ständ­li­chen Spra­che, die Geschich­te der euro­päi­schen und der Welt­wirt­schafts­po­li­tik des 20. Jahr­hun­derts. Beson­de­res Augen­merk leg­te er dabei auf die Hyper­in­fla­ti­on im Deut­schen Reich in den 20er Jahren.

Im zwei­ten Teil kri­ti­sier­te er die der­zei­ti­ge EU-Wirt­schafts­po­li­tik wegen ihrer „fast ver­ses­se­nen“ Fixie­rung auf die Wäh­rungs­sta­bi­li­tät, die zu Lasten von Inve­sti­tio­nen und Wachs­tum gehe. Sei­ne Vor­be­hal­te gegen den Ein­tritt Ita­li­ens in die Euro­päi­sche Wäh­rungs­uni­on (1996) und die Teil­nah­me sei­nes Lan­des an der neu­en Euro-Wäh­rung (2002) waren bekannt. Im Arti­kel wie­der­hol­te er sie. Sei­ne Haupt­kri­tik gilt jedoch den aktu­el­len Entscheidungen.

Die von Fazio aus­ge­führ­te Haupt­the­se lautet:

„Der Über­schuß in der Zah­lungs­bi­lanz eini­ger euro­päi­scher Staa­ten (Deutsch­land an erster Stel­le) soll­te für rea­le Inve­sti­tio­nen im eige­nen Land oder in ande­ren Län­dern des gemein­sa­men Rau­mes ein­ge­setzt wer­den und nicht für Finanzinvestionen.“

Dabei nann­te Fazio nament­lich Varoufakis.

„Der ehe­ma­li­ge grie­chi­sche Finanz­mi­ni­ster Yanis Varou­fa­kis, der sehr kri­ti­siert wur­de, hat­te die Din­ge bes­ser ver­stan­den als ande­re. Im Kern lau­tet das Argu­ment: Wenn 300 Mil­li­ar­den, statt alles auf Quan­ti­ta­ti­ve easing zu set­zen (auch wenn Mario Draghi sich in die rich­ti­ge Rich­tung bewegt, soweit es ihm die Sat­zun­gen erlau­ben), indem Staats­an­lei­hen gekauft wer­den – womit eine Aus­ga­be gedeckt wird, die ande­re bereits getä­tigt haben –, wenn also 300 Mil­li­ar­den jedes Jahr in Inve­sti­ti­ons­pro­jek­te flie­ßen wür­den, die von der Euro­päi­schen Inve­sti­ti­ons­bank aus­ge­wählt wer­den, und die ent­spre­chen­den pri­va­ten Anlei­hen von den natio­na­len Zen­tral­ban­ken gekauft wür­den, hät­ten wird sofort eine beacht­li­che Erleich­te­rung der Wirtschaftslage.“

„Die Fra­ge ist bekannt­lich umstrit­ten“, wie Magi­ster anmerkt. An die­ser Stel­le geht es auch mehr um die unge­wöhn­li­che Ein­tracht im Namen von „See­le“ und „Moral“ zwi­schen Varou­fa­kis, sei­ner Bewe­gung DiEM25 und der katho­li­schen Tages­zei­tung Avve­ni­re.

Die Faszination von Papst Franziskus für linke „Volksbewegungen“

Papst Franziskus am 9. Juli 2015 beim Treffen mit den "Volksbewegungen"
Papst Fran­zis­kus am 9. Juli 2015 beim Tref­fen mit den „Volks­be­we­gun­gen“

Magi­ster schreibt dazu:

„Dabei fällt die star­ke Nähe zwi­schen die­ser Liai­son der Zei­tung der Bischofs­kon­fe­renz und der poli­ti­schen Sicht­wei­se von Papst Fran­zis­kus auf, der eben­falls von dem fas­zi­niert ist, was er ‚Volks­be­we­gun­gen‘ nennt wie No Glo­bal, No Expo, No Tav, No Triv, Occu­py Wall Street, Indi­gna­dos, Coca­le­ros, kurz­um, die Viel­zahl der Rebel­len gegen die Herr­schaft des Kapi­tals, in denen er in sei­nen bei­den Reden – die erste in Rom im Okto­ber 2014, die zwei­te in Boli­vi­en im Juli 2015 –, die sein poli­ti­sches Mani­fest sind, die Avant­gar­de einer neu­en Mensch­heit begrüßte.“

In sei­nem Schrei­ben Evan­ge­lii gau­di­um und sei­nen Anspra­chen an die „Volks­be­we­gun­gen“ for­mu­lier­te Papst Fran­zis­kus eine drei­fa­che Kri­tik an „die­ser Wirtschaft“:

  • „Die­se Wirt­schaft tötet.“
  • „Die­se Wirt­schaft grenzt aus.“
  • „Die­se Wirt­schaft zer­stört unse­re Mut­ter Erde.“

Alexis Tsi­pras wur­de bereits, über Ver­mitt­lung des ehe­ma­li­gen Vor­sit­zen­den der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Öster­reichs (KPÖ), bereits im Sep­tem­ber 2014 von Papst Fran­zis­kus emp­fan­gen. Der Papst-Ver­trau­te, Kuri­en­bi­schof Mar­ce­lo Sanchez Sor­on­do, applau­dier­te, als der links­ra­di­ka­le, athe­isti­sche Phi­lo­soph Gian­ni Vat­ti­mo im März 2015 in Bue­nos Aires dazu auf­for­der­te, unter Füh­rung von Papst Fran­zis­kus eine neue Papi­sti­sche Inter­na­tio­na­le zu grün­den, die an die Stel­le der ehe­ma­li­gen Kom­mu­ni­sti­schen Inter­na­tio­na­le tre­ten solle.

„Es ist daher nicht aus­ge­schlos­sen, daß auch Varou­fa­kis bald unter den bevor­zug­ten Gästen im Vati­kan auf­taucht, nach­dem Jef­frey Sachs geru­fen wur­de, um die Enzy­kli­ka Lau­da­to si zu inspi­rie­ren und Noa­mi Klein, um sie zu kom­men­tie­ren“, so Magister

Der Avve­ni­re gehört der Bischofs­kon­fe­renz. Ver­ant­wort­lich ist dort dafür deren Gene­ral­se­kre­tär, Bischof Nun­zio Galan­ti­no, ein enger Ver­trau­ter von Papst Fran­zis­kus, den die­ser dort hin­ge­setzt hat­te. Über die Per­son Galan­ti­nos führt der Faden von der Tages­zei­tung direkt zu Papst Franziskus.

Auf der der­sel­ben Wel­len­län­ge „Varou­fa­kis“ liegt auch der in die­sen Tagen voll­zo­ge­ne Schwenk des Avve­ni­re in das Lager der No Triv. Am 17. April fin­det in Ita­li­en eine Volks­ab­stim­mung statt, bei sich die Wäh­ler für oder gegen eine Ver­län­ge­rung der Bohr­kon­zes­sio­nen in der Adria zur Gewin­nung von Erd­gas ent­schei­den müssen.

Obwohl die Bischofs­kon­fe­renz die Gläu­bi­gen auf­ge­for­dert hat­te, mit Sach­kennt­nis und Zurück­hal­tung die Fra­ge zu dis­ku­tie­ren, ohne eine Emp­feh­lung abzu­ge­ben, ergreift die Tages­zei­tung seit dem 18. März ein­deu­tig Partei.

Laut Avve­ni­re sei die Ent­schei­dung klar, wes­halb sich jede wei­te­re Dis­kus­si­on erüb­ri­ge, denn ein Nein zu einer Kon­zes­si­ons­ver­län­ge­rung erge­be sich zwin­gend aus den Doku­men­te Lau­da­to si und Evan­ge­lii gau­di­um von Papst Fran­zis­kus und zwar ohne Wenn und Aber.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: DiEM25/​Avvenire/​MiL (Screen­shots)

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1 Anto­nio Fazio war 1993 auf Lebens­zeit zum Prä­si­den­ten der ita­lie­ni­schen Zen­tral­bank Ban­ca d’Italia ernannt wor­den. Unter sei­ner Amts­füh­rung erfolg­ten die Auf­nah­me Ita­li­ens in die Euro­päi­sche Wäh­rungs­uni­on und die Wäh­rungs­um­stel­lung von der Lira zum Euro, obwohl gegen bei­de Maß­nah­me deut­li­che Vor­be­hal­te hat­te. 2005 muß­te er im Zuge eines Bestechungs­skan­dals zurück­tre­ten. Sein Nach­fol­ger wur­de Mario Draghi, der heu­te Prä­si­dent der Euro­päi­schen Zen­tral­bank ist.
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