(Rom) Für einen der Lieblinge der Kirche light ist Fatima nur ein „Schwindel“. Enzo Bianchi, der „Mönch“ und „Prior“ des „monastischen, interkonfessionellen Klosters“ von Bose, der in Wirklichkeit ein Laie ist, hält die Engels- und Marienerscheinungen von 1917 in Fatima für einen „Schwindel“, denn so Bianchi, ein Gott, „der über verfolgte Christen spricht, aber die sechs Millionen in Deutschland vernichteten Juden vergißt, ist kein glaubwürdiger Gott“. Wie man die Stellungnahme Bianchis auch dreht und wendet, unterm Strich folgt der selbsternannte Prior konsequent dem Mainstream.
Bianchi, der päpstliche Consultor
Enzo Bianchi wurde von Benedikt XVI. auf Distanz gehalten, doch unter Papst Franziskus verspüren Bianchis Förderer eines „horizontalen, anthropozentrischen Christentums“ (Msgr. Antonio Livi) Aufwind. Dem „falschen Propheten“ (Msgr. Antonio Livi) wurde jüngst der Leitartikel einer Ausgabe von Credere, der offiziellen Wochenzeitung für das Jubeljahr der Barmherzigkeit samt Foto auf der Titelseite gewidmet.
Papst Franziskus ernannte Bianchi im Juli 2014 zum Consultor des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen. Bianchi ist der „Prophet“ einer „demagogischen Suche nach dem Frieden, nach einer illusorischen, universalen Freundschaft und einer laizistischen Solidarität“, so Msgr. Livi über den Freund von Kardinal Carlo Maria Martini, der zu Bianchis Förderern zählte.
Bianchi vertritt eine Überwindung des Papsttums und dessen Reduzierung zu einem symbolischen und repräsentativen Primat. Das hindert ihn nicht, dem amtierenden Papst Rosen zu streuen und ihn als „neuen Psalmisten“ und „neuen Bernhard von Clairvaux“ zu feiern.
Maria hält Bianchi hingegen für „kein geeignetes Vorbild zur Förderung der Frau in der Kirche“. Laut Bianchi habe Christus „nichts zur Homosexualität gesagt, also soll auch die Kirche dazu schweigen“. Die Familie sei nur „eine Form, die sich die Gesellschaft gibt“, weshalb sie jederzeit von der Gesellschaft auch verändert werden könne.
„Ein Gott, der 1917 über Christen‑, nicht aber über Judenverfolgung sprach, ist nicht glaubwürdig“
Zu den Bianchi-Äußerungen schrieb der bekannte katholische Publizist Vittorio Messori: „Für den Prior von Bose sind die Erscheinungen von 1917 nur Schwindel, weil ein Gott, der über verfolgte Christen spricht, aber die sechs Millionen vernichteten Juden in Deutschland vergißt, kein glaubwürdiger Gott ist. Bianchi sollte sich jedoch daran erinnern, daß der Kommunismus (Lenin ergreift 1917 die Macht) mindestens 100 Millionen Tote auf dem Gewissen hat und es Hitler nicht gegeben hätte, wenn nicht vorher Lenin gewesen wäre.“
Vittorio Messori legte 1985 das Gesprächsbuch mit dem damaligen Glaubenspräfekten Joseph Kardinal Ratzinger: „Zur Lage des Glaubens“ vor. Ein Buch, das als wesentlicher Wendepunkt in der Wahrnehmung der Nachkonzilszeit gilt, weil sie ein diffuses Unbehagen artikulierte und diesem eine Stimme verlieh.
Messori legte nun eine Neuausgabe seines erstmals 2005 veröffentlichen Buches „Ipotesi su Maria“ (Hypothesen zu Maria) vor. Um 13 Kapitel und 150 Seiten erweitert, geht Messori darin auch auf die Kritik Bianchis zu Fatima ein, auf den sich weitere Kritiker beriefen, darunter der Dominikaner Jean Cardonnel.
Kritik des Dominikaners Jean Cardonnel an Fatima
Im Jahr 2000, als Papst Johannes Paul II. das Dritte Geheimnis von Fatima veröffentlichen ließ, oder – laut manchen – zumindest einen Teil davon, veröffentlichte die linke Tageszeitung Le Monde in Frankreich einen Artikel von Pater Cardonnel, der Zeit seines Lebens der Aufrührer eines klerikalen und politischen Widerspruchs war. Cardonnels Idole hießen Mao, Che Guevara, Ho Chi Minh und sogar der Vernichter des kambodschanischen Volkes, Pol Pot, hatte Platz im Olymp des französischen Dominikaners.
Obwohl er seinen Mitbrüdern ein Ärgernis war mit seinem ewigen „Nein“ zu allem, was den anderen heilig war, durfte er weiter im Kloster von Montpellier leben. Cardonnel, der sich um kein Dogma und kein Kirchengesetz scherte, untersagte es unter Zornesausbrüchen jedem, ihn „Pater“ zu nennen. Der Prior des Kloster nützte schließlich eine Reise des schon auf die 90 zugehenden Cardonnel, ließ seine Dinge säuberlich zusammenpacken und quartierte ihn ins Altenheim. Cardonnel rief „Skandal“, sah sich als Opfer und vergeudete auch in diesem Fall keinen Blick ins Kirchenrecht, sondern rief das französische Staatsgesetz zu Hilfe. Er zeigte den Prior wegen Hausfriedensbruchs an. Nach langer Verhandlung gab ihm das Gericht recht und verurteilte den Prior. Das Gericht behauptete, ein absoluter Präzedenzfall in der Rechtsgeschichte, eine Klosterzelle sei ein Privatraum. Eine provokante und gefährliche Entscheidung, da sie die kirchliche Autorität in ihren eigenen Räumen überging und einschränkte.
Cardonnel: „Das angebliche ‚Geheimnis‘ von Fatima ist eine Fälschung“
Dieser Cardonnel schrieb 2000 in Le Monde: „Dieses angebliche ‚Geheimnis‘ ist eine Fälschung. Es ist eine Fälschung wie die Konstantinische Schenkung, mit der man eine diabolische Widersinnigkeit rechtfertigen wollte: ein christliches Imperium. Ein großer italienischer Theologe – man sollte seinen Namen nicht vergessen: Enzo Bianchi, der Gründer einer neuen monastischen Gemeinschaft – hat den Aberglauben und den Schwindel sofort durchschaut, den der Vatikan mit Fatima betrieb. In der Tageszeitung La Repubblica legte Bruder Bianchi den Finger unerbittlich in die Wunde. Er schrieb: ‚Ein Gott, der 1917 daran denkt, zu offenbaren, daß es eine Verfolgung der Christen geben wird, aber nicht von der Schoah und den sechs Millionen vernichteten Juden spricht, ist kein glaubwürdiger Gott‘. Ja, man muß diese Wunde offenlegen: Wie könnte man diesen grellen Beweis nicht erkennen, daß das sogenannte Dritte Geheimnis von Fatima eine Fälschung ist und nicht von Gott kommen kann? Es ist eine Fälschung, die den Ewigen diskreditiert. Ein unglaubwürdiger Gott, ich wiederhole Bianchi, der Gott des katholischen Rassismus, der sich nur für die Seinen, für seine katholische Rasse interessiert, während das Volk Jesu der Vergessenheit anheimfallen kann.“
Laut Bianchi, ist nur ein Gott „glaubwürdig“, der die Shoah vorhergesagt und getadelt hätte
Soweit der Dominikaner Cardonnel, der 2009 gestorben ist. Bianchi widersprach Cardonnel nie, sondern bestätigte ihn vielmehr. Messori schreibt dazu: „Inzwischen zirkuliert auch unter gewissen Christen die Überzeugung, daß die Judenverfolgung der Nazis in den zwölf Jahren von 1933 bis 1945 keinen Vergleich kenne und auch kein Vergleich möglich sei. Es handle sich um das absolut Böse, um das größte Verbrechen der gesamten Geschichte, um das radikalste Beispiel der menschlichen Bösartigkeit. Nicht von ungefähr gilt die Schuld der Nazis als unsühnbar, weshalb auch heute noch Neunzigjährige, wenn nicht sogar Hundertjährige gejagt und verurteilt werden, weil sie auf irgendeine Weise für das verantwortlich gemacht werden, was mit dem religiösen Begriff ‚Holocaust‘ bezeichnet wird, dem Holocaust schlechthin. Für ein solches Verbrechen, und nur für dieses, ist keine Verjährung vorgesehen. Folgt man Cardonnel und Bianchi, muß, ich wiederhole, muß sogar Gott – wenn er zu uns durch Maria sprechen will – die Schoah ankündigen und vor allem verfluchen, ansonsten ist er ‚kein glaubwürdiger Gott‘. Er ist kein wahrer Gott, wenn er Auschwitz nicht ausdrücklich tadelt“, so Messori. Eine Offenbarung, Botschaft, Vision oder Erscheinung im geforderten Zusammenhang mit der Shoah oder Auschwitz hat es aber weder in Fatima noch sonstwo gegeben.
Ohne Kommunismus kein Nationalsozialismus, ohne Lenin 1917 kein Hitler 1933
Es sollte überflüssig sein, doch sicherheitshalber tue er es doch, und betont, daß es nicht darum gehe, das Verbrechen des Nationalsozialismus auf irgendeine Weise zu relativieren: „Mit dem Hakenkreuz wurde auf tragische Weise das christliche Kreuz pervertiert. Man kann sich daher nur der Verurteilung anschließen. Es ist aber dennoch paradox, Fatima mit der Begründung abzulehnen, weil die Gottesmutter 1917 die deutschen Lager nicht im Namen des Sohnes und der ganzen Dreifaltigkeit vorausgesagt und verurteilt habe. 1917 war das Jahr, in dem Lenin an die Macht gelangte und dem kommunistischen Monstrum freien Lauf ließ, das mindestens 100 Millionen Menschen verschlang und die brutalste und blutigste Unterdrückung der Religion der gesamten Geschichte in die Tat umsetzte. Eine Unterdrückung, die im Namen des atheistischen Staates geschah, denn als solcher waren die Sowjetunion und ihre Satelliten in der Verfassung erklärt worden.
Und wie die Studien des deutschen Historikers Ernst Nolte belegen, daß der Nationalsozialismus wesentlich als direkte Reaktion auf den Marxismus-Leninismus entstand: Ohne Lenin 1917, hätte es keinen Hitler 1933 gegeben. Ohne die Oktoberrevolution von St. Petersburg wäre die Ideologie des österreichischen Malers auf kleine fanatische Grüppchen im Hinterzimmer von Münchner Gaststätten beschränkt geblieben. Indem die Gottesmutter in Fatima vor dem Kommunismus warnte, warnte sie auch vor den anderen todbringenden Ideologien, die direkt oder indirekt auf den Kommunismus zurückgehen oder in einer Wechselwirkung mit diesem stehen.“
Bianchis Groteske vom „Gott des katholischen Rassismus“
„Grotesk“ würden Bianchi und Cardonnel, wenn sie Fatima als Ausdruck „eines Gottes des katholischen Rassismus“ denunzieren. „Was für ein Geschwätz ist das denn?“, fragt Messori. „Für den sowjetischen Atheismus gab es in der religiösen Welt keine freien Zonen: abgesehen davon, daß der weitaus größte Teil der Opfer von Lenin über Stalin bis Gorbatschow (der in seiner Jugend auch ein Verfolger war) nicht Katholiken, sondern Orthodoxe waren, vergessen die beiden, daß in der Sowjetunion alle Religionen präsent waren. Die Popen wurden massakriert wie die Priester, die Rabbiner wie die Imame oder die buddhistischen Meister. Dasselbe geschah überall dort, wo der Kommunismus an die Macht gelangte. Und das geschah genau in jenem fatalen Jahr 1917, als die Gottesmutter vor dieser perversen Ideologie warnte, gerade weil sie sich damals – und heute – in einem edlen Mäntelchen zeigt mit den ‚evangelisch‘ klingenden Worten von Gerechtigkeit, Befreiung, Gleichheit und Brüderlichkeit. Worte, die kommunistisch verstanden, sich jedoch ausnahmslos als Dämonen erwiesen, einschließlich des deutschen Regimes, das auch die Bezeichnung Sozialismus im Namen führte.“
Das Beispiel: Österreich und der Sühne-Kreuzzug
Für Fatima gelte, was für alle kirchlich anerkannten Privatoffenbarungen gilt. Man muß nicht an sie glauben. Sie können daher auch kritisiert werden. „Das sollte aber auf fundiertere und auf dezentere Weise geschehen“, als es Bianchi tue.
„Und wenn wir schon von Fatima und dem Kommunismus sprechen, dann täte Bianchi gut daran, sich auch an Österreich in der Zeit von 1945 bis 1955 zu erinnern. Durch den Krieg hatte die Sowjetunion ihren Einfluß weit nach Westen verschoben und gigantische Teile Europas unter ihre Kontrolle gebracht, zuerst mit Erlaubnis Hitlers, dann mit Erlaubnis der Westmächte. Am Ende hatte die Rote Armee Berlin und Wien besetzt. Der sowjetische Außenminister Molotow, der im Sommer 1939 den Hitler-Stalin-Pakt unterzeichnet hatte, der Hitler den Krieg gegen Polen ermöglichte, erklärte und wiederholte, daß die Sowjetunion kein Gebiet aufgeben werde, das sie besetzt hat. Auch für Österreich wurde daher damit gerechnet, daß die Kommunisten, wie in Prag und Budapest, durch einen Putsch die Macht an sich reißen werden. Selbst in den westlichen Staatskanzleien schien man davon auszugehen. Einen neuen Krieg wollte dagegen niemand führen. Doch ein Franziskaner hatte nicht aufgegeben: Pater Petrus Pavlicek. In der Kriegsgefangenschaft hatte er erstmals von Fatima gehört. Für seine glückliche Heimkehr aus dem Krieg unternahm er 1946 eine Dankwallfahrt und vernahm im Inneren die Stimme, die ihm sagte: ‚Tut, was ich euch sage, und es wird Frieden sein“. Pavlicek sah darin einen Zusammenhang mit den Marienerscheinungen von Fatima und gründete den Rosenkranz-Sühnekreuzzug um den Frieden in der Welt und für die Freiheit Österreichs.
Hunderttausende Österreicher schlossen sich an und beteten Tag und Nacht in diesen Anliegen. Die Jahre vergingen, aber die Beter ließen nicht nach in ihrem Eifer. 1955 wurde plötzlich Österreichs Bundeskanzler in den Kreml bestellt, wo ihm der Abzug der Roten Armee aus Österreich mitgeteilt wurde. Die westlichen Staatskanzleien wurden von der Entscheidung überrascht, die so unerwartet kam und vor allem präzedenzlos war und sich auch danach bis zum Zusammenbruch des Ostblocks 1989 in keinem anderen Land wiederholen sollte. Die Unterzeichnung des Staatsvertrags am 15. Mai 1955 brachte die Wiedererrichtung eines unabhängigen und souveränen Österreichs. Die Politiker, Diplomaten und Militärs der ganzen Welt staunten. Jene, die seit Jahren betend den Rosenkranz-Sühnekreuzzug geführt hatten, staunten hingegen nicht. Der Tag, an dem Österreichs Bundeskanzler den Rückzug der Roten Armee bekanntgab, war der 13. Mai, der Jahrestag der ersten Erscheinung von Fatima. Der Abzug der Sowjettruppen, die ein so schönes und strategisch wichtiges Land höchst ungern räumten, wurde im Oktober desselben Jahres abgeschlossen, jenem Monat, den die katholische Tradition seit der Schlacht von Lepanto als Rosenkranzmonat begeht.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/RSK/CR