Synode der Zwietracht – Kommt es zum „faktischen Schisma“?


Papst und Synodalen
Papst Fran­zis­kus mit Synodalen

Der domi­ni­ka­ni­sche Theo­lo­ge Tho­mas Miche­let stellt die Mehr­deu­tig­keit des Syn­oden­tex­tes bloß, der kei­ne Ein­heit schuf, son­dern die Spal­tun­gen zudeck­te. Der Kon­flikt zwi­schen der „Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät“ und der „Her­me­neu­tik des Bruchs“ und das Dilem­ma von Papst Franziskus.

Anzei­ge

von San­dro Magister

Zwei Wochen nach ihrem Ende, wird das, was die Syn­ode über die Fami­lie gesagt hat, gegen­sätz­lich gelesen.

Für eini­ge war die­ser unsi­che­re Aus­gang gewollt. Pater Adol­fo Nicolás Pachón, der Gene­ral­obe­re der Jesui­ten, den Papst Fran­zis­kus in die Kom­mis­si­on beru­fen hat, die mit der Abfas­sung der Rela­tio fina­lis beauf­tragt war, hat dies offen als Erfolg behaup­tet, kaum daß die Syn­ode zu Ende war:

„Im Kopf aller in der Kom­mis­si­on war die Idee, ein Doku­ment vor­zu­be­rei­ten, das die Türen offen läßt: damit der Papst hin­ein und hin­aus kann, und tun kann, wie er es für rich­tig hält“.

In der Tat sind nun alle Erwar­tun­gen auf das gerich­tet, was Fran­zis­kus sagen wird. Die­ser hat sei­ne Absich­ten bereits tele­fo­nisch am 28. Okto­ber sei­nem Freund Euge­nio Scal­fa­ri ange­kün­digt, dem beken­nen­den Athe­isten und Grün­der von La Repubbli­ca, dem ita­lie­ni­schen Leit­me­di­um des lai­zi­sti­schen Den­kens, der die Wor­te des Pap­stes prompt fol­gen­der­ma­ßen niederschrieb:

„Die unter­schied­li­che Mei­nung der Bischö­fe ist Teil der Moder­ni­tät der Kir­che und der ver­schie­de­nen Gesell­schaf­ten, in denen sie wirkt, aber die Absicht ist eine gemein­sa­me und was die Zulas­sung der Geschie­de­nen zu den Sakra­men­ten betrifft, bestä­tigt es, daß die­ses Prin­zip von der Syn­ode ange­nom­men wur­de. Das ist das wesent­li­che Ergeb­nis, die eigent­li­chen Abwä­gun­gen sind den Beicht­vä­tern anver­traut, doch am Ende der schnel­ler oder lang­sa­mer von­stat­ten gehen­den Wege, wer­den alle Geschie­de­nen, die es wün­schen, zuge­las­sen werden.“

Am 2. Novem­ber sag­te Pater Feder­i­co Lom­bar­di aller­dings, vom Natio­nal Catho­lic Regi­ster befragt, daß das, was Scal­fa­ri hin­ter­brach­te, „in kei­ner Wei­se glaub­wür­dig ist und nicht als Den­ken des Pap­stes betrach­tet wer­den kann“.

Doch unab­hän­gig von der Span­nung, mit der erwar­tet wird, was Fran­zis­kus denkt und sagen wird, bleibt das Fra­ge­zei­chen. Wie begrün­det ist die Les­art des Syn­oden­schluß­be­richts – und beson­ders sei­ner Para­gra­phen zum Kern­punkt, der Kom­mu­ni­on für die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen – als „offen“ für meh­re­re wider­sprüch­li­che Interpretationen?

Es folgt die erste ver­tief­te Ana­ly­se zur Fra­ge. Sie wur­de vom fran­zö­si­schen domi­ni­ka­ni­schen Theo­lo­gen Pater Tho­mas Miche­let für chie​sa​.espres​son​line​.it [San­dro Magi­ster] geschrie­ben. Miche­let schreibt für die renom­mier­te Zeit­schrift Nova et Vete­ra der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät von Frei­burg im Üchtland.

Sei­ne Schluß­fol­ge­rung lau­tet: Wenn kein kla­res und unmiß­ver­ständ­li­ches lehr­amt­li­ches Doku­ment auf der Grund­la­ge der Tra­di­ti­on folgt, wer­den sich die bereits bestehen­den unter­schied­li­chen pasto­ra­len Prak­ti­ken wei­ter­ent­wickeln, die einen in Über­ein­stim­mung mit der Recht­gläu­big­keit, die ande­ren nicht, mit dem unaus­weich­li­chen Ergeb­nis eines „fak­ti­schen Schis­mas“, das für die einen wie für die ande­ren durch die dop­pel­te, gegen­sätz­li­che Les­art des Syn­oden­aus­gangs legi­ti­miert wird.

Sehen wir, wie Pater Miche­let zu sei­nem Schluß kommt.

Mit einem Hin­weis: Das Inter­pre­ta­ti­ons­sche­ma, das Pater Miche­let in der Ana­ly­se des Syn­oden­tex­tes anwen­det, ist das­sel­be, das Bene­dikt XVI. für die Nach­kon­zils­zeit in sei­ner denk­wür­di­gen Rede vom 22. Dezem­ber 2005 ange­wen­det hat, in der er die „Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät“ der „Her­me­neu­tik des Bruchs“ gegenüberstellte.

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Was sagt die Synode wirklich über die wiederverheirateten Geschiedenen?

Pater Thomas Michelet OP
Pater Tho­mas Miche­let OP

von Tho­mas Miche­let OP

Es wird nie­man­dem ent­gan­gen sein, daß die Fra­ge der „wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen“ (die man bes­ser „wie­der­ver­pflich­te­te Getrenn­te“ nen­nen soll­te) die wäh­rend die­se gan­zen Syn­ode über die Fami­lie am här­te­sten dis­ku­tier­te war, sowohl unter den Syn­oden­vä­tern als auch unter den Gläu­bi­gen, ja sogar des gro­ßen Publi­kums, indem sie regel­mä­ßig die Titel­sei­ten der Zei­tun­gen erober­te. Etwas, was man seit lan­gem nicht mehr gese­hen hat­te. Kurz­um, weni­ge The­men haben ein eben­sol­ches Inter­es­se ausgelöst.

Die Kom­ple­xi­tät der Debat­te spie­gelt sich in den offi­zi­el­len Doku­men­ten wider, indem die direkt die­se Mate­rie betref­fen­den Para­gra­phen jedes Mal die gering­ste Zustim­mung fan­den, obwohl die Ent­wür­fe dar­auf abziel­ten, einen brei­ten Kon­sens zu fin­den. So fin­det man es auch in den gegen­sätz­li­chen Bewer­tun­gen durch die Medi­en wie­der, die je nach­dem ent­we­der den Sieg des einen oder des ande­ren Lagers ver­kün­den, oder sich über den Aus­gang freu­en oder ihn bekla­gen. Die einen, indem sie den Von-Fall-zu-Fall-Zugang der Geschie­de­nen zur Kom­mu­ni­on als Beginn einer sanf­ten Revo­lu­ti­on in Rich­tung einer neu­en Kir­che hal­ten; die ande­ren, indem sie auf das ent­schei­den­de Feh­len einer Erwäh­nung der Kom­mu­ni­on im Schluß­be­richt ver­wei­sen und damit die Bei­be­hal­tung des sta­tus quo ante.

Set­zen wir jedoch nicht zu schnell die „Syn­ode der Medi­en“ der wirk­li­chen gegen­über und geben viel­mehr ehr­lich zu, daß die­ser Inter­pre­ta­ti­ons­kon­flikt sei­nen Ursprung, zumin­dest zum Teil, im Text selbst hat, dem es in die­sem kon­kre­ten Punkt an jener Klar­heit und Prä­zi­si­on fehlt, die man sich nach zwei Jah­ren erwar­ten hät­te dür­fen. Wie ich bereits im Juli geschrie­ben habe, ist zu befürch­ten, daß ver­schie­de­ne Syn­oden­vä­ter mit die­ser Über­ein­kunft aus den unter­schied­lich­sten, ja sogar gegen­sätz­li­chen Grün­den, zufrie­den sind, da der Text unter­schied­li­che Les­ar­ten erlaubt und ermög­licht, eine Spal­tung zuzu­decken, die bleibt und die Gefahr birgt, in Zukunft noch grö­ßer zu wer­den, wenn man die Sache nicht klärt.

1. Ein schwieriger Konsens

Alle erin­nern sich, daß am 18. Okto­ber 2014 bei der Abstim­mung über den Schluß­be­richt der Para­graph 52 über den Zugang der wider­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen zum Buß- und Altar­sa­kra­ment sowie der Para­graph 53 über die geist­li­che Kom­mu­ni­on ver­wor­fen wur­den, indem sie nicht die nöti­ge Zwei­drit­tel­mehr­heit erreich­ten, das war die Zustim­mung von 122 von 183 Syn­oden­vä­tern. (Nr. 52 erhielt 104 pla­cet und 74 non pla­cet; Nr. 53 erhielt 112 pla­cet und 64 non pla­cet). Zu die­sen bei­den Para­gra­phen ist noch jener über die Seel­sor­ge für Per­so­nen mit homo­se­xu­el­ler Nei­gung (Nr. 55: 118 pla­cet und 62 non pla­cet) hin­zu­zu­fü­gen. Die­se for­mal abge­lehn­ten Para­gra­phen fan­den sich den­noch im offi­zi­el­len Schluß­text, der zum Arbeits­pa­pier für den wei­te­ren Syn­oden­pro­zeß wur­de, sicher um eine freie Dis­kus­si­on zu fördern.

Im Instru­men­tum labo­ris vom 24. Juni 2015 fin­det sich die­ser Para­graph 52 unter dem Titel „Der Buß­weg“ als Para­graph 122 wie­der. Dazu ein Para­graph 123, der mit der erstaun­li­chen Fest­stel­lung auf­war­te­te, daß „es eine all­ge­mei­ne Über­ein­kunft bezüg­lich der Idee eines Pro­zes­ses der Ver­söh­nung oder eines Buß­we­ges“ gibt. [1]In der deut­schen Über­set­zung wur­de die Stel­le abge­schwächt mit „eine gewis­se Über­ein­stim­mung“ wie­der­ge­ge­ben. Man hat sich damals gefragt, wor­in denn die­se geheim­nis­vol­le Über­ein­kunft besteht. Um so mehr, als die Mehr­heit der auch jetzt 2015 ver­sam­mel­ten Syn­oden­vä­ter dage­gen deut­li­che Vor­be­hal­te geäu­ßert zu haben scheint mit dem Resul­tat, daß die­se „Idee“ am Ende nicht ein­mal ange­wandt wur­de, jeden­falls nicht in die­ser Formulierung.

In der Rela­tio syn­odi vom 24. Okto­ber 2015 wird in den Para­gra­phen 84 bis 86 ein neu­er pasto­ra­ler Vor­schlag unter­brei­tet unter dem Titel: „Unter­schei­dung und Inte­gra­ti­on“. [2]Der Syn­oden­schluß­be­richt liegt wei­ter­hin aus­schließ­lich in ita­lie­ni­scher Spra­che vor. Da die Zahl der Syn­oden­vä­ter auf 265 ange­wach­sen war, waren für die Zwei­drit­tel­mehr­heit 177 Stim­men erfor­der­lich. Sie wur­de bei die­sen drei Para­gra­phen nur mit Mühe erreicht, in einem Fall sogar nur wegen einer ein­zi­gen Stim­me (Nr. 84: 187 pla­cet und 72 non pla­cet; Nr. 85: 178 pla­cet und 80 non pla­cet; Nr. 86 190 pla­cet und 64 non pla­cet).

Die Rela­tio syn­odi 2015 lie­fert drei lehr­amt­li­che Hin­wei­se. Alle drei sind im Para­graph 85 ent­hal­ten und bereits in der Rela­tio syn­odi 2014 und im Instru­men­tum labo­ris ent­hal­ten. Es han­delt sich um Fami­lia­ris con­sor­tio Nr. 84, den Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che Nr. 1735 und die Erklä­rung vom 24. Juni 2000 des Päpst­li­chen Rates für die Geset­zes­tex­te. Das Doku­ment vom 14. Sep­tem­ber 1994 der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, die im Para­graph 123 des Instru­men­tum labo­ris Erwäh­nung fand, fin­det sich hin­ge­gen nicht mehr.

2. Das Zitat aus Familiaris consortio

Unter­su­chen wir zunächst das Zitat aus Fami­lia­ris con­sor­tio Nr. 84:

„Die Hir­ten mögen beher­zi­gen, daß sie um der Lie­be wil­len zur Wahr­heit ver­pflich­tet sind, die ver­schie­de­nen Situa­tio­nen gut zu unter­schei­den. Es ist ein Unter­schied, ob jemand trotz auf­rich­ti­gen Bemü­hens, die frü­he­re Ehe zu ret­ten, völ­lig zu Unrecht ver­las­sen wur­de oder ob jemand eine kirch­lich gül­ti­ge Ehe durch eige­ne schwe­re Schuld zer­stört hat. Wie­der ande­re sind eine neue Ver­bin­dung ein­ge­gan­gen im Hin­blick auf die Erzie­hung der Kin­der und haben manch­mal die sub­jek­ti­ve Gewis­sens­über­zeu­gung, daß die frü­he­re, unheil­bar zer­stör­te Ehe nie­mals gül­tig war.“

Die­ser Text wird hier als „ein Gesamt­kri­te­ri­um“ genannt, „das die Grund­la­ge für die Bewer­tung die­ser Situa­tio­nen bleibt“, sowohl für den Prie­ster, des­sen Auf­ga­be es ist, „die betrof­fe­nen Per­so­nen auf dem Weg der Unter­schei­dung zu beglei­ten“, als auch für den Gläu­bi­gen, in sei­ner „Gewis­sens­prü­fung mit­tels Momen­ten des Nach­den­kens und der Reue“.

Wenn von Reue die Rede ist, impli­ziert das die Not­wen­dig­keit, die eige­ne Schuld und die eige­ne Sün­de anzu­er­ken­nen, um Ver­ge­bung zu erlan­gen. Es ist daher nicht rich­tig, zu behaup­ten, daß Kennt­nis der Sün­de in die­sem Doku­ment bei­sei­te gelegt wird. Es bleibt aber die Tat­sa­che, daß sie nicht mehr im Titel der pro­po­si­tio erwähnt wird, der nicht mehr direkt von Reue spricht, son­dern von Unter­schei­dung. Die­ses Feh­len kann man auf dok­tri­nel­ler Ebe­ne bekla­gen, auch wenn die­se For­mu­lie­rung auf pasto­ra­ler Ebe­ne sicher sym­pa­thi­scher ist. Zudem ist es mög­lich, daß es eine Ten­denz gibt, die Reue mehr für Schuld der Ver­gan­gen­heit zu ver­ste­hen (die Kir­che, die für die Sün­den ihrer Glie­der bereut), wäh­rend die Buße häu­fi­ger Situa­tio­nen der Ver­gan­gen­heit, aber auch der Gegen­wart (und sogar die Sün­den ande­rer Per­so­nen) betrifft, um die Umkehr des Sün­ders und die Wie­der­gut­ma­chung des Übels zu errei­chen, das er durch sei­ne Schuld pro­vo­ziert hat.

Die Wahl des Wor­tes „Reue“ birgt daher die Gefahr, die Zweit­ehe nach einer Schei­dung nur als Schuld der Ver­gan­gen­heit zu betrach­ten, anstatt als immer aktu­el­le „objek­tiv unge­ord­ne­te Situa­ti­on“. Oder gar nur die Schuld der Ver­gan­gen­heit zu betrach­ten, die zu die­ser Situa­ti­on geführt hät­te, die man für sich selbst nicht gewollt habe und für die man daher auch nicht schul­dig sei. Man muß also, was die­sen Pro­zeß betrifft, sowohl in sei­nem Ver­ständ­nis als auch in sei­ner Pra­xis, zu einer wirk­li­chen „seman­ti­schen Unter­schei­dung“ fähig sein.

Ande­rer­seits zieht Fami­lia­ris con­sor­tio Nr. 84, bei aller Not­wen­dig­keit die­se ver­schie­de­nen Situa­tio­nen zu unter­schei­den, eine für alle Fäl­le iden­ti­sche Schluß­fol­ge­rung: die Unmög­lich­keit, die Kom­mu­ni­on zu emp­fan­gen, außer man bringt die eige­ne Situa­ti­on auf die eine oder ande­re Wei­se in Ordnung:

„Die Kir­che bekräf­tigt jedoch ihre auf die Hei­li­ge Schrift gestütz­te Pra­xis, wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne nicht zum eucha­ri­sti­schen Mahl zuzu­las­sen. Sie kön­nen nicht zuge­las­sen wer­den; denn ihr Lebens­stand und ihre Lebens­ver­hält­nis­se ste­hen in objek­ti­vem Wider­spruch zu jenem Bund der Lie­be zwi­schen Chri­stus und der Kir­che, den die Eucha­ri­stie sicht­bar und gegen­wär­tig macht. Dar­über hin­aus gibt es noch einen beson­de­ren Grund pasto­ra­ler Natur: Lie­ße man sol­che Men­schen zur Eucha­ri­stie zu, bewirk­te dies bei den Gläu­bi­gen hin­sicht­lich der Leh­re der Kir­che über die Unauf­lös­lich­keit der Ehe Irr­tum und Verwirrung.

Die Wie­der­ver­söh­nung im Sakra­ment der Buße, das den Weg zum Sakra­ment der Eucha­ri­stie öff­net, kann nur denen gewährt wer­den, wel­che die Ver­let­zung des Zei­chens des Bun­des mit Chri­stus und der Treue zu ihm bereut und die auf­rich­ti­ge Bereit­schaft zu einem Leben haben, das nicht mehr im Wider­spruch zur Unauf­lös­lich­keit der Ehe steht. Das heißt kon­kret, daß, wenn die bei­den Part­ner aus ernst­haf­ten Grün­den – zum Bei­spiel wegen der Erzie­hung der Kin­der – der Ver­pflich­tung zur Tren­nung nicht nach­kom­men kön­nen, ‚sie sich ver­pflich­ten, völ­lig ent­halt­sam zu leben, das heißt, sich der Akte zu ent­hal­ten, wel­che Ehe­leu­ten vor­be­hal­ten sind‘.“

Was kann man dem Umstand ent­neh­men, daß die­se doch so star­ke Schluß­fol­ge­rung von Fami­lia­ris con­sor­tio nicht aus­drück­lich in das neue Doku­ment über­nom­men wurde?

In einer „Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät“ wird man das Schwei­gen mit Zustim­mung gleich­set­zen im Sin­ne, daß das Zitie­ren eines Tex­tes auf den gesam­ten Text ver­weist, der dem Zitat sei­nen wirk­li­chen Kon­text lie­fert. Ein sol­cher Unter­schei­dungs­pro­zeß kann nur dann zur Eucha­ri­stie füh­ren, wenn der Gläu­bi­ge wirk­lich soweit gelangt ist, durch die Ver­wirk­li­chung eines festen Vor­sat­zes aus die­ser objek­tiv unge­ord­ne­ten Situa­ti­on her­aus­zu­tre­ten, damit die Ver­ge­bung sei­ner Schuld erlangt und die Abso­lu­ti­on erhält. Bis zu die­sem Moment kann er die Kom­mu­ni­on nicht empfangen.

In einer „Her­me­neu­tik des Bru­ches“ wird man das Schwei­gen mit Wider­spruch gleich­set­zen. Wenn die Schluß­fol­ge­rung von Fami­lia­ris con­sor­tio nicht aus­drück­lich über­nom­men ist, bedeu­tet dies, daß sie obso­let gewor­den ist, weil sich der fami­liä­re Kon­text seit damals [1981] völ­lig ver­än­dert habe, eine Ver­än­de­rung, die das Doku­ment nicht nur kul­tu­rell, son­dern auch „anthro­po­lo­gisch“ nennt. Die Ord­nung der Kir­che zur Zeit von Johan­nes Paul II. sei nicht mehr die Ord­nung der neu­en Kir­che, auf die man sich beruft. Man wird wahr­schein­lich dar­aus fol­gern, daß die­ser Pro­zeß der Unter­schei­dung auch ohne Ände­rung des eige­nen Lebens zur Eucha­ri­stie füh­ren kann, sofern die Per­son die ver­gan­ge­ne Schuld bereut und nach eige­nem Gewis­sen zum Schluß gekom­men ist, die Kom­mu­ni­on emp­fan­gen zu können.

3. Der Katechismus der Katholischen Kirche

Im sel­ben Para­graph 85 der Rela­tio syn­odi 2015 wird die Nr. 1735 des Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che zitiert:

„Zudem kann nicht geleug­net wer­den, daß auf­grund unter­schied­li­cher Fak­to­ren in eini­gen Umstän­den ‚die Anre­chen­bar­keit einer Tat und die Ver­ant­wor­tung ver­min­dert oder auf­ge­ho­ben sein kön­nen‘ (KKK Nr. 1735).“

Das Zitat ist nicht voll­stän­dig. Es emp­fiehlt sich daher, den voll­stän­di­gen Text zu lesen:

„1735. Die Anre­chen­bar­keit einer Tat und die Ver­ant­wor­tung für sie kön­nen durch Unkennt­nis, Unacht­sam­keit, Gewalt, Furcht, Gewohn­hei­ten, über­mä­ßi­ge Affek­te sowie wei­te­re psy­chi­sche oder gesell­schaft­li­che Fak­to­ren ver­min­dert, ja sogar auf­ge­ho­ben sein.“

Ist die­ser Para­graph wirk­lich auf die Situa­ti­on der wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen anwend­bar? Zunächst ist anzu­mer­ken, daß die­sel­ben Bedin­gun­gen sich teil­wei­se auch bezüg­lich der Ehe fin­den und die­se ungül­tig machen:

„1628. Der Kon­sens muß ein Wil­lens­akt jedes der bei­den Ver­trags­part­ner sein und frei von Zwang oder schwe­rer Furcht, die von außen ein­ge­flößt wird [Vgl. [link] CIC, can. 1103]. Kei­ne mensch­li­che Gewalt kann den Kon­sens erset­zen [Vgl. [link] CIC, can. 1057, § 1]. Falls die­se Frei­heit fehlt, ist die Ehe ungültig.“

Kann jemand sich also vor­stel­len, daß einer die­ser Umstän­de bei einer Zweit­ehe nach einer Schei­dung auf mora­li­scher Ebe­ne nicht anre­chen­bar wäre? Wenn dem so wäre, wäre die neue Ver­bin­dung alle­mal ungül­tig. Gewiß, das ist sie bereits, weil die Ehe unauf­lös­lich ist, wes­halb eine Zweit­ehe gar nicht mög­lich ist, solan­ge der erste Ehe­gat­te noch am Leben ist. Sie wäre aber nicht nur als Ehe ungül­tig: Sie wäre auch als mensch­li­che Hand­lung ungül­tig, sie wäre eine Freud­sche „Fehl­lei­stung“. Damit könn­te man auch nicht mehr von wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen spre­chen: Es gäbe kei­ne wirk­li­che neue Ver­pflich­tung und kei­ne Art von Ver­bin­dung zwi­schen den bei­den Per­so­nen. Unter die­sen Umstän­den ist es nicht sicher, ob man wirk­lich immer die Mög­lich­keit einer tota­len Eli­mi­nie­rung der Anre­chen­bar­keit gel­tend machen will. Zudem müß­ten die­se psy­chi­schen Fak­to­ren an erster Stel­le die Exi­stenz des sakra­men­ta­len Bun­des in Fra­ge stel­len. Die Situa­ti­on wür­de sich damit ganz anders darstellen.

Umge­kehrt, wenn die Men­schen bei vol­lem Bewußt­sein des­sen, was sie tun, fähig sind, sich das „Ja“ für das Leben zu schen­ken, dann kön­nen sie sich nicht gleich­zei­tig nicht auch bewußt sein, daß sie durch eine neue Ver­pflich­tung gegen­über einer ande­ren Per­son einen Schlag genau gegen die­ses „Ja“ aus­füh­ren. Es ist damit völ­lig unver­ständ­lich, wie die Ver­ant­wor­tung für die­se Neu­ver­pflich­tung in Fra­ge gestellt wer­den kann. Mag sein, daß es vie­le Arten von Moti­ven gibt, die dazu ver­lei­ten, so zu han­deln, wie es im Para­graph 85 wei­ter heißt: „Unter bestimm­ten Umstän­den fin­den die Per­so­nen gro­ße Schwie­rig­kei­ten auf ande­re Wei­se zu han­deln.“ Das ändert aber nichts dar­an: Ent­we­der wis­sen sie, daß sie mit ihrer neu­en Ver­pflich­tung ihren Ehe­bund schla­gen und es sich damit um eine freie Hand­lung, für die sie die Ver­ant­wor­tung tra­gen müs­sen, han­delt, oder sie wis­sen es nicht und man kann sogar bezwei­feln, ob ihr Ehe­band existiert.

4. Die Erklärung des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte

Para­graph 85 der Rela­tio syn­odi 2015 fährt so fort:

„Folg­lich darf das Urteil über eine objek­ti­ve Situa­ti­on nicht zu einem Urteil über die ‚sub­jek­ti­ve Anre­chen­bar­keit‘ füh­ren (Päpst­li­cher Rat für die Geset­zes­tex­te, Erklä­rung vom 24. Juni 2000, 2a).“

Der Text, um den es sich han­delt, ist fol­gen­der in sei­nem Kontext:

„ 2. Jeg­li­che Inter­pre­ta­ti­on des can. 915, die sei­nem wesent­li­chen Inhalt wider­spricht, wie er unun­ter­bro­chen vom Lehr­amt und der Dis­zi­plin der Kir­che durch die Jahr­hun­der­te erklärt wur­de, ist ein­deu­tig abwe­gig. Man darf die Ach­tung vor den Wor­ten des Geset­zes (vgl. can. 17) nicht ver­wech­seln mit dem unei­gent­li­chen Gebrauch der sel­ben Wor­te als Instru­men­te zur Rela­ti­vie­rung der Vor­schrif­ten oder zu deren inhalt­li­cher Entleerung.

Die For­mu­lie­rung „sowie ande­re, die hart­näckig in einer offen­kun­di­gen schwe­ren Sün­de ver­har­ren“ ist klar und muß so ver­stan­den wer­den, daß ihr Sinn nicht ver­formt und die Anwen­dung der Norm unmög­lich wird. Die drei gefor­der­ten Bedin­gun­gen sind:

a) die schwe­re Sün­de, im objek­ti­ven Sinn, denn die sub­jek­ti­ve Anre­chen­bar­keit könn­te der Kom­mu­ni­ons­pen­der nicht beurteilen;

b) das hart­näcki­ge Ver­har­ren, das heißt das Bestehen einer objek­ti­ven Situa­ti­on der Sün­de, die in der Zeit fort­dau­ert und die der Gläu­bi­ge nicht aus der Welt schaf­fen will; es sind kei­ne ande­ren Erfor­der­nis­se not­wen­dig (her­aus­for­dern­des Ver­hal­ten, vor­aus­ge­hen­de Ermah­nung usw.), damit die Situa­ti­on in ihrer grund­sätz­li­chen kirch­li­chen Schwe­re eintritt;

c) der offen­kun­di­ge Cha­rak­ter der Situa­ti­on der schwe­ren habi­tu­el­len Sünde.

Jene Gläu­bi­gen, die geschie­den und wie­der­ver­hei­ra­tet sind und wegen ern­ster Grün­de, zum Bei­spiel wegen der Erzie­hung der Kin­der, nicht „der Ver­pflich­tung zur Tren­nung nach­kom­men kön­nen“, befin­den sich nicht im Zustand der schwe­ren habi­tu­el­len Sün­de, wenn sie „die Ver­pflich­tung ein­ge­hen, in vol­ler Ent­halt­sam­keit zu leben, das heißt sich der den Gat­ten eige­nen Akte zu ent­hal­ten“ (Fami­lia­ris con­sor­tio, Nr. 84) und auf der Grund­la­ge die­ser Absicht das Sakra­ment der Buße emp­fan­gen haben. Weil die Tat­sa­che, daß die­se Gläu­bi­gen nicht more uxorio zusam­men­le­ben, natur­ge­mäß ver­bor­gen ist, wäh­rend ihre Lebens­si­tua­ti­on als geschie­de­ne Wie­der­ver­hei­ra­te­te natur­ge­mäß bekannt ist, kön­nen die­se nur remo­to scan­da­lo das Sakra­ment der Eucha­ri­stie empfangen.“

Die­se Erklä­rung des Päpst­li­chen Rates für die Geset­zes­tex­te legt also fest, daß die Zweit­ehe nach einer Schei­dung eine Situa­ti­on „schwe­rer gewohn­heits­mä­ßi­ger Sün­de“ ist, die vom Canon 915 des Codex Iuris Cano­ni­ci behan­delt wird, der jene meint, „die hart­näckig in einer offen­kun­di­gen schwe­ren Sün­de ver­har­ren“. Die von der Rela­tio syn­odi zitier­te Stel­le spe­zi­fi­ziert, daß die­se Bewer­tung objek­tiv und nicht sub­jek­tiv zu ver­ste­hen ist, „weil der Kom­mu­ni­ons­pen­der die sub­jek­ti­ve Anre­chen­bar­keit nicht beur­tei­len könn­te“. Mit ande­ren Wor­ten, die Situa­ti­on wur­de im forum exter­num geklärt, weil man kei­nen Zugang zum forum inter­num hat.

Im Kon­text der Rela­tio syn­odi scheint die­se Stel­le aber einen ande­ren Sinn zu bekom­men: Da man nicht über die „sub­jek­ti­ve Schuld­haf­tig­keit“ urtei­len kön­ne, soll­te man sich eines mora­li­schen Urteils über die­se Situa­ti­on ent­hal­ten. Gewiß, der Text sagt das nicht so aus­drück­lich, doch wer sich nicht die Mühe macht, die Erklä­rung des Päpst­li­chen Rates für die Geset­zes­tex­te anzu­schau­en, kann ihn so ver­ste­hen. Zudem sagt der Text an kei­ner Stel­le, weder daß es sich um eine Sün­de han­delt noch daß Chri­stus die neue Ver­bin­dung als Ehe­bruch bezeich­net, wenn der erste Ehe­gat­te noch am Leben ist (vgl. Mk 10,11–12). Die­ses Wort mag hart klin­gen, aber es stammt direkt aus dem Mun­de Chri­sti, der es in sei­ner gan­zen Trag­wei­te gebraucht.

Auch in die­sem Fall wird eine „Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät“ zu einer Text­in­ter­pre­ta­ti­on füh­ren, in der man aus dem Kon­text der zitier­ten Doku­men­te ergänzt, daß es sich um eine „schwe­re und offen­kun­di­ge Sün­de“ han­delt. Eine „Her­me­neu­tik des Bruchs“ hin­ge­gen wird die­ses Schwei­gen nüt­zen und sich jedes Urteils einer sub­jek­ti­ven Schuld­haf­tig­keit ent­hal­ten, was dazu füh­ren wird, jed­we­de Beur­tei­lung die­ser Situa­ti­on im Zusam­men­hang von Schuld und Sün­de zu qua­li­fi­zie­ren, sei sie nun schwer und offen­kun­dig oder nicht.

Im erste­ren Fall wird man im Lich­te der Enzy­kli­ka Veri­ta­tis sple­ndor im Rah­men einer Moral der Objek­ti­vi­tät und des Zwecks dar­an fest­hal­ten, daß die Zweit­ehe nach einer Schei­dung ein schlech­ter Akt ist, den man unter kei­nen Umstän­den wol­len kann.

Im zwei­te­ren Fall wird man die Ein­la­dung auf­grei­fen, die eige­ne pasto­ra­le Sicht­wei­se zu ändern und mehr auf die Umstän­de zu ach­ten und damit das dok­tri­nel­le Gleich­ge­wicht von Veri­ta­tis sple­ndor modi­fi­zie­ren, indem man sich auf eine Moral der Sub­jek­ti­vi­tät und des Gewis­sens beruft.

Der Papst hat garan­tiert, daß nir­gends die Leh­re ange­rührt wur­de, was für erste­re Aus­le­gung spricht. In der Tat gibt es aus­rei­chend Ver­wei­se auf das Lehr­amt, um die Ver­tre­ter der Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät in ihrer Les­art zu bestär­ken. Es gibt aller­dings auch aus­rei­chend Schwei­gen, Leer­stel­len und posi­ti­ve Signa­le für die Ver­tre­ter der Her­me­neu­tik des Bruchs, sodaß sich auch die­se in ihrem Zugang bekräf­tigt füh­len kön­nen. In Erman­ge­lung wei­te­rer Prä­zi­sie­run­gen schei­nen bei­de Inter­pre­ta­tio­nen zulässig.

Zum Abschluß die­ser Ana­ly­se der drei Zita­te sei ange­merkt: Die Lücken in der For­mu­lie­rung erklä­ren wahr­schein­lich, war­um die­ser Para­graph 85 die größ­te Anzahl an non pla­cet erhal­ten hat und er nur mit einer Stim­me Mehr­heit ange­nom­men wur­de. Es ist daher mög­lich, daß Prä­zi­sie­run­gen in die eine oder ande­re Rich­tung ihn Stim­men ver­lie­ren hät­ten las­sen. Eine ein­zi­ge hät­te genügt, und er wäre abge­lehnt worden.

5. Begleitung und Integration

Was den Para­gra­phen 84 betrifft, so prä­sen­tiert er die „Logik der Inte­gra­ti­on“ der wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen als „Schlüs­sel ihrer pasto­ra­len Beglei­tung“, die dar­auf abzielt, ihnen nicht nur zu zei­gen, daß sie nicht exkom­mu­ni­ziert sind, son­dern daß sie in der Kir­che leben und wach­sen kön­nen, durch die Über­win­dung „der ver­schie­de­nen For­men des Aus­schlus­ses, die der­zeit im lit­ur­gi­schen, pasto­ra­len, erzie­he­ri­schen und insti­tu­tio­nel­len Bereich prak­ti­ziert wer­den“. Para­graph 86 sie­delt schließ­lich das „kor­rek­te Urteil über das, was die Mög­lich­keit einer voll­stän­di­ge­ren Teil­nah­me am Leben der Kir­che behin­dert“, auf der Unter­schei­dungs­ebe­ne mit dem Prie­ster im forum inter­num an. „Die­se Unter­schei­dung wird nie von den Not­wen­dig­kei­ten der von der Kir­che ver­kün­de­ten Wahr­heit und der Näch­sten­lie­be des Evan­ge­li­ums abweichen“.

Im Licht der „Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät“ erschei­nen die­se bei­den Para­gra­phen völ­lig recht­gläu­big und lehr­amts­ge­mäß. Das Zitat aus Fami­lia­ris con­sor­tio Nr. 84 und der Erklä­rung des Päpst­li­chen Rates für die Geset­zes­tex­te erlau­ben, die­ses Wach­sen als schritt­wei­se Bekeh­rung in der Wahr­heit des Evan­ge­li­ums zu ver­ste­hen. Eine Pasto­ral der Beglei­tung wird immer auf die vol­le Ver­söh­nung des Gläu­bi­gen und nach Errei­chung der­sel­ben auf die Wie­der­zu­las­sung zur Eucha­ri­stie abzie­len nach den Bedin­gun­gen, so wie sie in Fami­lia­ris con­sor­tio Nr. 84 genannt sind. Es geht dar­um, jenem „objek­ti­ven Wider­spruch zu jenem Bund der Lie­be zwi­schen Chri­stus und der Kir­che“ ein Ende zu berei­ten, den die neue Ver­pflich­tung mit einer ande­ren Per­son als dem recht­mä­ßi­gen Ehe­gat­ten dar­stellt, und den der Codex Iuris Cano­ni­ci im forum exter­num als „schwe­re und offen­kun­di­ge Sün­de“ bezeich­net. Hier ist am Ende des Para­gra­phen 86 mit schö­nen Wor­ten ein wirk­li­cher Weg der Hei­lig­keit skiz­ziert, wenn die Rede ist von den „not­wen­di­gen Vor­aus­set­zun­gen der Demut, der Zurück­hal­tung, der Lie­be zur Kir­che und zu ihrer Beglei­tung, auf der ehr­li­chen Suche nach dem Wil­len Got­tes und dem Wunsch zu einer Ant­wort zu gelan­gen, die die­sem am voll­kom­men­sten entspricht.“

Die Aner­ken­nung der Inte­gra­ti­on in die Kir­che fän­de also mit Blick auf die „Ord­nung der Büßer“ statt, wie man in alten Zei­ten gesagt hät­te mit Ein­schrän­kun­gen in der Aus­übung ver­schie­de­ner kirch­li­cher Dien­ste, die vom objek­ti­ven Stand der unge­ord­ne­ten Situa­ti­on abhän­gen und die schritt­wei­se auf­ge­ho­ben wer­den kön­nen, so wie die­se Situa­ti­on in Ord­nung gebracht wird.

Im Licht der „Her­me­neu­tik des Bruchs“ hin­ge­gen wird man, da die genann­ten Vor­aus­set­zun­gen und Schluß­fol­ge­run­gen des frü­he­ren Lehr­am­tes in die­sem Text ver­schwie­gen wer­den, dazu ten­die­ren, die rela­ti­ve Neu­heit einer Auf­wer­tung des forum inter­num zu Lasten des forum exter­num zu bevor­zu­gen. Man wird auf die­se Wei­se zu einer Moral der Sub­jek­ti­vi­tät statt der Objek­ti­vi­tät gelan­gen, mit der Schwie­rig­keit, um es mit Veri­ta­tis sple­ndor zu sagen, „in sich schlech­te Hand­lun­gen“ zuzu­las­sen, da der Schwer­punkt vor allem auf dem Gewis­sen und der inne­ren Wahr­neh­mung der ver­schie­de­nen Hand­lun­gen, Ent­schei­dun­gen und Umstän­de gelegt wird. Unter die­sen Bedin­gun­gen spielt es dann kei­ne Rol­le mehr, daß der Codex des Kano­ni­schen Rechts die­se Situa­ti­on als „schwe­re und offen­kun­di­ge Sün­de“ bezeich­net, wenn sie inner­lich nicht so wahr­ge­nom­men wird. Viel­mehr wäre es sogar bes­ser, dies zu ver­schwei­gen, anstatt damit in den inne­ren Raum der Frei­heit und des unver­letz­li­chen Hei­lig­tums des Gewis­sens ein­drin­gen zu wol­len. Man wird also war­ten müs­sen, daß die Per­son selbst imstan­de ist, von sich aus die­se Hand­lun­gen zu defi­nie­ren, ohne je in die­sen Pro­zeß ein­zu­grei­fen aus Angst, sie zu ver­letz­ten oder Zwang auf ihr frei­es Fort­kom­men auszuüben.

Hier han­delt es sich mehr um eine „Frei­heit der Gleich­gül­tig­keit“ als um eine „Frei­heit der Qua­li­tät“. Die Beglei­tung wür­de von der Per­son aus­ge­hen und dem, was in ihr auf­ge­wer­tet wer­den könn­te, um sie wach­sen zu las­sen, anstatt von einem von außen auf­er­leg­ten Gesetz aus­zu­ge­hen, dem sich die­se Per­son anpas­sen soll­te. Die Inte­gra­ti­on in die Kir­che wäre von der Sub­jek­ti­vi­tät der Per­son abhän­gig, von ihrer inne­ren Wahr­neh­mung der eige­nen Situa­ti­on. Unter die­sen Umstän­den, wenn die­se Per­son „im Gewis­sen“ ent­schei­det, daß sie kei­ne Sün­de began­gen hat und die Kom­mu­ni­on emp­fan­gen darf, wer sind wir, um zu urtei­len? Der geist­li­che Fort­schritt könn­te sich zudem, para­do­xer­wei­se, durch einen Rück­zug zei­gen, wenn die Per­son schritt­wei­se die eige­ne Sün­de oder die objek­ti­ve Unord­nung erkennt und daher von sich aus die Ent­schei­dung trifft, die Kom­mu­ni­on nicht mehr zu emp­fan­gen, weil sie erst dann den Grund dafür erkennt; oder die Ent­schei­dung trifft, nicht mehr bestimm­te Dien­ste in der Kir­che aus­zu­üben, weil sie erst dann das nega­ti­ve Zeug­nis in der Öffent­lich­keit ver­steht gegen­über den jun­gen Leu­ten, die sich auf die Ehe vorbereiten.

Die­se bei­den Posi­tio­nen sind hier als Gegen­satz dar­ge­stellt. Es ist nicht völ­lig aus­ge­schlos­sen, daß sich sowohl in der einen wie der ande­ren posi­ti­ve Aspek­te und Gren­zen fin­den las­sen. Der Irr­tum selbst kann dazu die­nen, die Wahr­heit kla­rer sicht­bar zu machen. Die Gren­ze der rei­nen Logik der Objek­ti­vi­tät liegt im Ver­ständ­nis, daß es Zeit und ver­schie­de­ne Etap­pen braucht, um die Wahr­heit zu erlan­gen, damit die­se Wahr­heit nicht nur als wahr an sich ver­stan­den wird, son­dern als wahr für einen, als erstre­bens­wert und gut und daß es mög­lich ist, sie frucht­brin­gend zu leben. Die Gren­ze der rei­nen Logik des Gewis­sens ist die Mög­lich­keit eines irren­den Gewis­sens und der Not­wen­dig­keit, es von die­sem Irr­tum zu befrei­en, damit es wirk­lich wird, was es ist, näm­lich wirk­lich frei und nicht nur poten­ti­ell frei: „Dann wer­det ihr die Wahr­heit erken­nen und die Wahr­heit wird euch befrei­en“ (Joh 8,32).

Schließ­lich stel­len wir eine gewis­se Unru­he in der Spra­che des Para­gra­phen 84 fest, der „Exklu­si­on“ der „Inte­gra­ti­on“ gegen­über­stellt. Eine sol­che Ter­mi­no­lo­gie ent­spricht nicht der Theo­lo­gie. Sie ist viel­mehr typisch für eine Gleich­heits­ideo­lo­gie, die beson­ders die LGBT-Bewe­gung und gene­rell die Befrei­ungs­leh­re auf der alten Grund­la­ge der mar­xi­sti­schen Dia­lek­tik mit einer neu­en nihi­li­sti­schen Ten­denz ver­tritt. Es ist nicht mehr der Klas­sen­kampf, son­dern die Abschaf­fung aller Klas­sen, Unter­schie­de, Kate­go­rien, Stän­de… und daher auch das Ver­schwin­den der wah­ren Gerech­tig­keit, die jedem nach sei­nem Teil gibt (suum cui­que tri­bue­re), was nicht zwangs­läu­fig das Glei­che für alle bedeu­tet, weil die Situa­tio­nen nicht zwangs­läu­fig die­sel­ben sind. Wenn man beginnt, eine sol­che Art von welt­li­chem Gegen­satz in einem kirch­li­chen Doku­ment zu dul­den, ist die Tür offen für ande­re Bevöl­ke­rungs­ka­te­go­rien (Per­so­nen mit homo­se­xu­el­len Nei­gun­gen, Frau­en- statt Män­ner­kle­rus, usw.), die ihre „Exklu­si­on“ bekla­gen und ihre vol­le „Inte­gra­ti­on“ in die Kir­che for­dern wer­den. Es wäre daher ange­mes­sen, die Suche nach der Gemein­schaft für jene Men­schen, die wegen einer objek­tiv unge­ord­ne­ten Situa­ti­on der­zeit sich nicht in der vol­len Gemein­schaft mit der Kir­che befin­den, was ihre Zulas­sung zur Kom­mu­ni­on unmög­lich macht, auf ande­re Wei­se auf­zu­drücken. Viel­mehr soll­te die Näch­sten­lie­be betont wer­den, die drin­gend gebo­ten ist, um die­se Per­so­nen in der Wahr­heit wie­der in die vol­le Ein­heit mit der Kir­che zurück­zu­füh­ren unter den vom Evan­ge­li­um genann­ten Bedingungen.

6. Kommunion und Dezentralisierung

Die Rela­tio syn­odi 2015 hat als sol­che kei­ne lehr­amt­li­che Bedeu­tung. Es han­delt sich nur um ein dem Papst über­ge­be­nes Doku­ment, damit er eine Ent­schei­dung trifft. Man darf daher hof­fen, daß der Papst in einem nach-syn­oda­len Apo­sto­li­schen Schrei­ben in aller Deut­lich­keit die ein­zu­hal­ten­den Lini­en zieht. Oder daß ein Doku­ment der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on die not­wen­di­gen Prä­zi­sie­run­gen lie­fert, zum Bei­spiel in der Form einer Ermah­nung zur rich­ti­gen Inter­pre­ta­ti­on der lehr­amt­li­chen Doku­men­te gemäß einer Her­me­neu­tik der Kontinuität.

In Erman­ge­lung sol­cher Klä­run­gen könn­te was gesche­hen? Alle wer­den zufrie­den nach Hau­se gehen kön­nen mit dem siche­ren Gefühl, erreicht zu haben, was sie errei­chen woll­ten und das Schlimm­ste ver­mie­den zu haben, was vom geg­ne­ri­schen Lager ange­strebt wur­de. Eine Eini­gung, die auf zwei­deu­ti­ger Grund­la­ge erreicht wur­de, mag eine Spal­tung zudecken, sie bringt der Kir­che aber kei­nen Nut­zen. Die bereits heu­te bestehen­den unter­schied­li­chen, wider­sprüch­li­chen und gegen­sätz­li­chen pasto­ra­len Prak­ti­ken wer­den wei­ter­hin bestehen und sich wei­ter ent­fal­ten kön­nen, die einen auf der Grund­la­ge einer Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät und die ande­ren auf der Grund­la­ge einer Her­me­neu­tik des Bruchs. Die Zuwei­sung der Fra­ge an die pasto­ra­le „Gewissens“-Entscheidung eines jeden Prie­sters und Gläu­bi­gen, wird eine Viel­zahl unter­schied­li­cher pasto­ra­ler Lösun­gen zur Fol­ge haben, die einen völ­lig in Über­ein­stim­mung mit Ortho­do­xie und Orthop­ra­xie, die ande­ren mehr oder weni­ger diskutabel.

Letzt­lich, wenn in einem Land die Prie­ster, von „Richt­li­ni­en“ der eige­nen Bischö­fe ermu­tigt, damit begin­nen iden­ti­sche pasto­ra­le Prak­ti­ken fest­zu­le­gen, die sich aber von jenen ande­rer Län­der unter­schei­den, könn­te das in ein fak­ti­sches Schis­ma füh­ren, in dem sich bei­de Sei­ten durch eine mög­li­che dop­pel­te Les­art die­ses Doku­ments legi­ti­miert füh­len. Man gelangt damit an den Punkt, vor dem wir bereits im ver­gan­ge­nen Juli gewarnt haben, falls es der Syn­ode nicht gelän­ge, eine kla­re Linie zu defi­nie­ren. Dort sind wir nun.

Am Fest der hei­li­gen Apo­stel Simon und Judas
28. Okto­ber 2015

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL

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1 In der deut­schen Über­set­zung wur­de die Stel­le abge­schwächt mit „eine gewis­se Über­ein­stim­mung“ wiedergegeben.
2 Der Syn­oden­schluß­be­richt liegt wei­ter­hin aus­schließ­lich in ita­lie­ni­scher Spra­che vor.
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