(Rom) Die niederländische Obdachlosenzeitschrift Straatnieuws setzte Papst Franziskus auf die Titelseite und veröffentlichte unter dem Titel „Unser Freund in Rom“ ein Interview mit dem katholischen Kirchenoberhaupt. Die Italienische Sektion von Radio Vatikan übernahm das Interview vollständig.
Bis vor kurzem waren Interviews mit einem Papst unbekannt. Obwohl sich die Kommunikationsmittel rapide änderten, hielten Päpste Interviews nicht für ein lehramtstaugliches Mittel. Johannes Paul II. gewährte wenige reglementierte Ausnahmen. Papst Benedikt XVI. das Gespräch mit dem Journalisten Peter Seewald, aus dem ein Gesprächsbuch entstand. Ganz anders Papst Franziskus. Die Zahl der Interviews, die er den unterschiedlichsten Medien gewährt, sind zahlreich und kaum mehr zu überblicken. Sie finden meist vorbei an den zuständigen Stellen des Heiligen Stuhles statt. Auch das vatikanische Presseamt erfährt meist erst davon, wenn ein Interview irgendwo veröffentlicht wurde.
Die wichtigsten Medien, denen Papst Franziskus bisher Interviews gewährte sind: La Repubblica (die umstrittenen Interviews von Eugenio Scalfari); La Civiltà Cattolica (römische Jesuitenzeitschrift) und La Nacion (Argentien). Viele der Interviews fanden internationale Beachtung wegen umstrittener Aussagen, die das Kirchenoberhaupt darin machte oder diesem zugeschrieben wurden. Aus diesem Grund sollte heute der Blick auf ein ruhigeres Fahrwasser fallen. Ein Interview, das Papst Franziskus einer niederländischen Obdachlosenzeitung gewährte. Das Gespräch wird in deutscher Übersetzung dokumentiert, um einen Einblick in das Wesen und Denken des Papstes zu ermöglichen und den Umgang und die Eignung des Interviews als Kommunikationsform eines Papstes zu prüfen.
„Unser Freund in Rom“
Die Redakteure beschreiben zunächst ihre Eindrücke im Vatikan und von der Begegnung mit Papst Franziskus: „Der Heilige Vater vermittelt den Eindruck eines ruhigen und freundlichen, doch gleichzeitig energischen und präzisen Mannes. Nachdem wir Platz genommen hatten, entschuldigte er sich dafür, nicht Holländisch zu sprechen. Wir haben es ihm sofort verziehen.“
Straatnieuws: Unsere Gespräche beginnen immer mit einer Frage zur Straße, in der der Gesprächspartner aufgewachsen ist. Heiliger Vater, an was erinnern Sie sich von dieser Straße? Welche Bilder kommen Ihnen in den Sinn, wenn Sie an die Straßen Ihrer Kindheit denken?
Franziskus: Von der Zeit an, als ich ein Jahr alt war, bis zum Zeitpunkt, als ich in das Seminar eingetreten bin, habe ich immer in derselben Straße gelebt. Es war ein einfaches Viertel von Buenos Aires, alles niedere Häuser. Es gab einen kleinen Platz, wo wir Fußball gespielt haben. Ich erinnere mich, von zu Hause weggelaufen zu sein, um mit den Buben nach der Schule Fußball zu spielen. Mein Vater arbeitete in einer Fabrik, die hundert Meter entfernt war. Er war Buchhalter. Und meine Großeltern lebten 50 Meter entfernt. Alles lag nur wenige Schritte voneinander entfernt. Ich erinnere mich auch an die Namen der Leute. Als Priester brachte ich ihnen die Sakramente, vielen brachte ich die letzte Tröstung, die mich gerufen haben und ich bin hingegangen, weil ich sie gern hatte. Das sind meine spontanen Erinnerungen.
Straatnieuws: Sie haben auch Fußball gespielt?
Franziskus: Ja.
Straatnieuws: Waren Sie gut?
Franziskus: Nein. In Buenos Aires wurden jene, die so Fußballspielen wie ich „pata dura“ genannt. Das bedeutet, daß man zwei linke Beine hat. Aber ich habe gespielt, oft war ich Tormann.
Straatnieuws: Wie entstand Ihr persönlicher Einsatz für die Armen?
Franziskus: Da kommen mir viele Erinnerungen in den Sinn. Sehr berührt hat mich eine Frau, die dreimal in der Woche zu uns nach Hause kam, um meiner Mutter zu helfen. Sie half ihr zum Beispiel in der Waschküche. Sie hatte zwei Kinder. Es waren Italiener, Sizilianer, und sie haben den Krieg erlebt. Sie waren sehr arm, aber so gute Leute. Von dieser Frau habe ich mir immer eine Erinnerung bewahrt. Ihre Armut hat mich berührt. Wir waren nicht reich. Wir kamen normal zum Monatsende, nichts mehr. Wir hatten ein Auto und wir machten keinen Urlaub oder solche Dinge. Doch ihr fehlte es viele Male am Nötigsten. Wir hatten genug und meine Mutter gab ihr etwas. Dann ist sie nach Italien zurückgegangen und später nach Argentinien zurückgekehrt. Ich habe sie, als ich Erzbischof von Buenos Aires war, wiedergefunden. Sie war 90 Jahre alt. Ich habe sie bis zu ihrem Tod mit 93 Jahren begleitet. Eines Tages hat sie mir eine Medaille des Heiligsten Herzen Jesu gegeben, die ich jeden Tag bei mir trage. Diese Medaille – die auch eine Erinnerung ist – tut mir viel Gutes. Wollen Sie sie sehen?
(Mit einiger Mühe gelingt es dem Papst die Medaille hervorzuholen, die völlig verblaßt ist, da sie seit Jahren getragen wird.)
So denke ich jeden Tag an sie und wie sehr sie wegen ihrer Armut gelitten hat. Und ich denke an alle anderen, die gelitten haben. Ich trage ich und bete …
Straatnieuws: Welche Botschaft hat die Kirche für die Obdachlosen? Was bedeutet christliche Solidarität für sie konkret?
Franziskus: Mir kommen zwei Dinge in den Sinn. Jesus ist obdachlos in die Welt gekommen und hat sich arm gemacht. Die Kirche will alle umarmen und sagen, daß es ein Recht ist, ein Dach über dem Kopf zu haben. In den Volksbewegung arbeitet man mit drei spanischen T: trabajo (Arbeit), techo (Haus) und tierra (Land). Die Kirche predigt, daß jede Person das Recht auf diese drei T hat.
Straatnieuws: Sie rufen oft zur Aufmerksamkeit für die Armen und die Flüchtlinge auf. Fürchten Sie nicht, daß auf diese Weise eine Form von Übersättigung in den Massenmedien und in der Gesellschaft allgemein entstehen könnte?
Franziskus: Uns allen kommt die Versuchung, wenn man ein Thema anspricht, das nicht schön ist, weil man nicht gerne darüber spricht, zu sagen: „Hören wir doch auf, Schluß mit dieser Sache, die nervt.“ Ich spüre, daß es diese Ermüdung gibt, aber sie macht mir nicht Angst. Ich muß fortfahren, Wahrheiten auszusprechen und zu sagen, so wie die Dinge sind.
Straatnieuws: Ist das Ihre Pflicht?
Franziskus: Ja, das ist meine Pflicht. Das spüre ich in mir. Es ist kein Gebot, aber als Personen müssen wir alle es tun.
Straatnieuws: Befürchten Sie nicht, daß Ihre Verteidigung der Solidarität und der Hilfe mit den Obdachlosen und anderen Armen politisch ausgenützt werden könnte? Wie muß die Kirche sprechen, um Einfluß zu nehmen, aber gleichzeitig nicht von den politischen Gruppen vereinnahmt zu werden?
Franziskus: Es gibt Wege, die führen in diesem Punkt zu Fehlern. Ich möchte zwei Versuchungen betonen. Die Kirche muß mit der Wahrheit und auch mit dem Zeugnis sprechen: dem Zeugnis der Armut. Wenn ein Gläubiger von der Armut oder den Obdachlosen spricht und selbst das Leben eines Pharaos führt, dann geht das nicht. Das ist die erste Versuchung. Die andere Versuchung ist die, Abkommen mit den Regierungen zu schließen. Man kann Abkommen schließen, aber es müssen klare, transparente Abkommen sein. Zum Beispiel: Wir verwalten ein Gebäude, aber alle Konten sind kontrolliert, um Korruption zu vermeiden, denn es gibt immer die Versuchung der Korruption im öffentlichen Leben, sowohl im politischen wie im kirchlichen. Ich erinnere mich, einmal mit großem Schmerz beobachtet zu haben, als Argentinien unter dem Militärregime wegen der Malvinen (Falkland-Inseln) im Krieg mit Großbritannien war, daß viele Menschen Dinge gaben und viele Menschen, auch Katholiken, die den Auftrag hatten, sie zu verteilen, sie nach Hause nahmen. Es gibt immer die Gefahr der Korruption. Einmal habe ich eine Frage an einen argentinischen Minister, einen ehrlichen Mann gerichtet. Einer, der sein Amt aufgab, weil er nicht mit einigen etwas obskuren Dingen klarkam. Ich habe ihn gefragt: Wenn ihr Hilfe an die Armen und Bedürftigen schickt, sei es Nahrung, sei es Kleidung, sei es Geld: von dem, was ihr schickt, wieviel kommt davon an? Er hat mir gesagt: 35 Prozent. Das heißt, daß 65 Prozent verlorengehen. Das ist Korruption: Ein Stück für mich, ein anderes Stück für mich.
Straatnieuws: Glauben Sie, daß Sie bisher in Ihrem Pontifikat einen Mentalitätswandel erreichen konnten, zum Beispiel in der Politik?
Franziskus: Ich wüßte das nicht zu sagen. Ich weiß es nicht. Ich weiß, daß einige gesagt haben, ich sei Kommunist. Das ist aber eine etwas veraltete Kategorie [lacht]. Vielleicht verwendet man heute andere Worte, um das zu sagen …
Straatnieuws: Marxist, Sozialist …
Franziskus: Das alles haben sie gesagt.
Straatnieuws: Die Obdachlosen haben finanzielle Probleme, aber pflegen ihre Freiheit. Der Papst hat keine materiellen Bedürfnisse, doch manche sehen ihn als Gefangenen im Vatikan. Verspüren Sie nie den Wunsch, sich in die Lage eines Obdachlosen zu versetzen?
Franziskus: Ich erinnere mich an das Buch von Mark Twain „Der Prinz und der Bettelknabe“, wenn einer alle Tage zu Essen hat, Kleider hat, ein Bett zum Schlafen hat, einen Schreibtisch zum Arbeiten hat und es ihm an nichts fehlt. Und er auch Freunde hat. Doch dieser Prinz von Mark Twain lebt in einem goldenen Käfig.
Straatnieuws: Fühlen Sie sich frei hier im Vatikan?
Franziskus: Zwei Tage, nachdem ich zum Papst gewählt wurde, habe ich, wie man offiziell sagt, Besitz von der päpstlichen Wohnung im Apostolischen Palast ergriffen. Das ist keine Luxuswohnung. Aber sie ist groß, sehr groß … Nachdem ich mir diese Wohnung angeschaut hatte, kam sie mir vor wie ein umgekehrter Trichter, das heißt, groß, aber mit einer kleinen Tür. Das heißt, isoliert sein. Ich habe mir gedacht: Hier kann ich nicht leben, allein schon aus mentalen Gründen nicht. Das würde mir nicht gut tun. Anfangs schien das eine seltsame Sache, aber ich habe darum gebeten, hier in Santa Marta bleiben zu wollen. Und das tut mir gut, weil ich mich frei fühle. Ich esse im Speisesaal, wo alle essen. Und wenn ich früh dran bin, esse ich mit den Angestellten. Ich treffe Leute, grüße sie und das macht es möglich, daß der goldene Käfig weniger Käfig ist. Mir fehlt aber die Straße.
Straatnieuws: Heiliger Vater, Marc [ein Straßenverkäufer von Straatnieuws] möchte Sie einladen, mit uns eine Pizza essen zu gehen. Was sagen Sie dazu?
Franziskus: Das würde ich gerne, aber es würde uns nicht gelingen. Denn sobald ich hier rausgehe, werden die Menschen zu mir kommen. Als ich die Gläser meiner Brillen in der Stadt gewechselt habe, war es sieben Uhr abends. Es waren nicht viele Menschen auf der Straße. Sie haben mich zum Optiker gebracht, ich bin aus dem Auto gestiegen und da war eine Frau, die mich gesehen hat und rief: „Der Papst!“ Ich war dann drinnen und draußen war alles voller Menschen …
Straatnieuws: Fehlt Ihnen der Kontakt mit den Leuten?
Franziskus: Er fehlt mir nicht, weil die Menschen herkommen. Jeden Mittwoch gehe ich zur Generalaudienz auf den Platz, manchmal gehe ich in eine Pfarrei. Ich bin mit den Menschen in Kontakt. Zum Beispiel gestern [26. Oktober] sind mehr als 5.000 Zigeuner in die Aula Paolo VI gekommen.
Straatnieuws: Man sieht, daß Sie diese Runde auf dem Platz bei der Generalaudienz genießen …
Franziskus: Das stimmt. Ja, das stimmt.
Straatnieuws: Ihr Namensvetter, der heilige Franziskus, wählte die radikale Armut und verkaufte auch sein Evangeliar. Fühlen Sie sich als Papst und Bischof von Rom nie unter Druck, die Schätze der Kirche zu verkaufen?
Franziskus: Das ist eine leichte Frage. Es sind nicht die Schätze der Kirche, sondern die Schätze der Menschheit. Zum Beispiel: wenn ich morgen sage, daß die Pietà von Michelangelo versteigert wird, dann geht das nicht, weil sie nicht der Kirche gehört. Sie befindet sich in einer Kirche, aber sie gehört der Menschheit. Das gilt für alle Schätze der Kirche. Wir müssen aber damit beginnen, die Geschenke und andere Dinge zu verkaufen, die man mir gibt. Und der Erlös des Verkaufs geht an Monsignore Krajewski, der ein Almosenier ist. Dann gibt es noch die Lotterie. Es gab Maschinen, die verkauft wurden oder mit einer Lotterie weggegeben wurden und der Erlös wird für die Armen verwendet. Aber es gibt Dinge, die man verkaufen kann und die werden verkauft.
Straatnieuws: Können Sie sich vorstellen, daß der Reichtum der Kirche eine solche Art von Erwartungen wecken kann?
Franziskus: Ja, wenn wir ein Verzeichnis der Güter der Kirche erstellen, dann denkt man: die Kirche ist sehr reich. Als aber 1929 das Konkordat mit Italien über die Römische Frage geschlossen wurde, hat die damalige italienische Regierung der Kirche einen großen Park in Rom angeboten. Der damalige Papst, Pius XI., sagte: Nein, ich möchte nur einen halben Quadratkilometer, um die Unabhängigkeit der Kirche sicherzustellen. Dieser Grundsatz gilt immer noch. Ja, die Kirche hat viele Immobilien, aber wir nützen sie, um die Strukturen der Kirche zu erhalten und um viele Werke zu erhalten in den bedürftigeren Ländern. Die Ausbildung ist eine wichtige Sache für die Kinder. Ich bin zur zuständigen Verwaltung gegangen und habe eine entsprechende Anweisung gegeben, und die Gelder wurden überwiesen.
Straatnieuws: Sprechen wir über die Niederlande. Waren Sie schon einmal in unserem Land?
Franziskus: Ja, einmal, als ich Provinzoberer der Jesuiten in Argentinien war. Es war auf der Durchreise während einer Reise. Ich war in Wijchen, weil wir dort das Noviziat hatten. Und ich war für anderthalb Tage in Amsterdam, wo ich das Haus der Jesuiten besuchte. Vom kulturellen Leben habe ich nichts gesehen, weil ich nicht die Zeit hatte.
Straatnieuws: Deshalb könnte es eine gute Idee sein, wenn die Obdachlosen der Niederlande Sie zu einem Besuch in unserem Land einladen. Was sagen Sie dazu, Heiliger Vater?
Franziskus: Die Türen zu dieser Möglichkeit sind nicht geschlossen.
Straatnieuws: Wenn es also eine Einladung dazu gäbe, würden Sie sie in Betracht ziehen?
Franziskus: Ich werde sie in Betracht ziehen. Und jetzt, wo die Niederlande eine argentinische Königin haben [lacht], wer weiß.
Straatnieuws: Haben Sie vielleicht eine besondere Botschaft für die Obdachlosen unseres Landes?
Franziskus: Ich kenne nicht die besondere Situation der Obdachlosen in den Niederlanden. Ich möchte sagen, daß die Niederlande ein entwickeltes Land sind, mit vielen Möglichkeiten. Ich möchte die niederländischen Obdachlosen auffordern, weiter für die drei T zu kämpfen.
Schließlich möchte Marc wissen, ob der Papst bereits als er noch klein war, davon geträumt hat, einmal Papst zu werden. Der Papst antwortet mit einem energischen „Nein“.
Franziskus: Ich werde Euch aber etwas anvertrauen. Als ich klein war, gab es noch nicht die Geschäfte, in denen die Dinge verkauft wurden. Statt dessen gab es den Markt, wo es den Metzger, den Obst- und Gemüsehändler usw. gab. Ich ging mit Mutter und Großmutter hin, um den Einkauf zu machen. Ich war sehr klein, gerade einmal vier Jahre alt. Und einmal haben sie mich gefragt: „Was möchtest Du gerne machen, wenn Du groß bist?“ Und ich habe gesagt: „Metzger!“
Straatnieuws: Für viele waren Sie bis zum 13. März 2013 ein Unbekannter. Dann wurden Sie von einem Moment auf den anderen auf der ganzen Welt berühmt. Wie haben Sie diese Erfahrung erlebt?
Franziskus: Es ist gekommen und ich habe es nicht erwartet. Ich habe nicht den Frieden verloren. Das ist eine Gnade Gottes. Ich denke nicht so sehr an den Umstand, daß ich berühmt bin. Ich sage mir: Jetzt habe ich einen wichtigen Platz, aber in zehn Jahren wird dich niemand mehr kennen [lacht]. Wißt Ihr, es gibt zwei Arten von Ruhm: den Ruhm der „Großen“, die große Dinge getan haben, wie Madame Curie, und den Ruhm der Eitlen. Aber letztere Art von Ruhm ist wie eine Seifenblase.
Straatnieuws: Sie sagen also: „Jetzt bin ich da und muß das Beste tun“ und werden diese Arbeit fortsetzen, so lange Sie können?
Franziskus: Ja.
Straatnieuws: Heiliger Vater, darf man sich eine Welt ohne Arme vorstellen?
Franziskus: Ich möchte eine Welt ohne Arme. Wir müssen dafür kämpfen. Aber ich bin gläubig und weiß, daß die Sünde immer in uns drinnen ist. Und es gibt immer die menschliche Gier, den Mangel an Solidarität, den Egoismus, der die Armen schafft. Deshalb scheint es mir etwas schwierig, sich eine Welt ohne Arme vorzustellen. Wenn Sie an die für Sklavenarbeit ausgebeuteten Kinder denken, oder an die durch sexuellen Mißbrauch ausgebeuteten Kinder. Und an eine andere Form der Ausbeutung: Kinder wegen der Organe zu töten, der Organhandel. Kinder zu töten, um ihnen Organe zu entnehmen, ist Habgier. Deshalb weiß ich nicht, ob wir diese Welt ohne Arme schaffen werden, weil es immer die Sünde gibt, die uns zum Egoismus führt. Aber wir müssen kämpfen, immer, … immer.
Wir sind fertig. Wir danken dem Papst für das Interview. Auch er bedankt sich und sagt, daß ihm das Gespräch sehr gefallen hat. Dann nimmt er einen weißen Umschlag, der die ganze Zeit neben ihm auf dem Sofa lag und nimmt für jeden von uns einen Rosenkranz heraus. Es werden Fotos gemacht, dann verabschiedet sich Papst Franziskus. So ruhig und gelassen, wie er gekommen ist, geht er nun zur Tür hinaus.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Straatnieuws (Screenshot)