(Rom) In den letzten Stunden wurde die Öffentlichkeit auf bevorstehende Verhaftungen im Vatikan vorbereitet. In Wirklichkeit waren sie bereits in der „Nacht von Halloween“, so der Vatikanist Sandro Magister, vom 31. Oktober auf den 1. November erfolgt.
Die Aktion wird von den Medien Vatileaks 2.0 genannt. Es geht um Dokumentenklau aus dem Vatikan. Und wieder einmal scheint sich alles um den italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi zu drehen, dessen neues „Enthüllungsbuch“ in dieser Woche auf den Markt kommt. Nuzzi wurde nicht verhaftet, dafür zwei „alte Bekannte“. Die umtriebige Lobbyistin Ernst&Young und Nuzzi-Verehrerin Francesca Chaouqui und Msgr. Lucio Angel Vallejo Balda. Beide saßen zusammen in der von Papst Franziskus gewollten Päpstlichen Sonderkommission für die Reform der Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten des Heiligen Stuhls (COSEA). Papst Franziskus war es auch, der Chaouqui und Balda trotz Warnungen in diese Kommission berief (siehe Francesca Chaouqui: umtriebig, Lobbyistin, Nuzzi-Verehrerin, neue päpstliche Kommissarin).
Die umstrittene Sonderkommissione COSEA
Die Kommissionsmitglieder waren mit außerordentlichen Sondervollmachten ausgestattet worden. Katholisches.info schrieb dazu Anfang Juli 2013: „Die Kommission besteht aus sieben Laien, die gewissermaßen Inventur im Vatikan machen und ‚Vorschläge‘ für Verbesserungen, mehr Effizienz und Einsparungen machen sollen. In der päpstlichen Anweisung heißt es, daß die Mitglieder der neuen Kommission Zugang ‚zu allen Dokumenten, Daten und Informationen‘ der Vatikanbank IOR, aller Bilanzen, jeglicher Behörde und Einrichtung des Vatikans und dem gesamten beweglichen und unbeweglichen Besitz des Heiligen Stuhls weltweit haben. Jedes Amtsgeheimnis wurde für die Kommission vom Papst aufgehoben. Informationen, die ‚pures Gold‘ wert sind, so Insider. Die sieben Kommissionsmitglieder wissen am Ende mehr als jeder im Vatikan selbst. Entsprechende Kritik über den möglichen Beginn des ‚Ausverkaufs‘ des Vatikans wurde daher laut.“
Der Vatikanist Sandro Magister bezeichnete Chaouqui bereits im Sommer 2013 als „Feind im eigenen Haus“. Zwei Jahre später wurden die zentralen Figuren der Kommission verhaftet.
Chaouqui hatte nach ihrer unerwarteten Ernennung selbst erklärt, von Msgr. Vallejo Balda für diese Aufgabe vorgeschlagen worden zu sein. Der Spanier Vallejo Balda gehört dem Opus Dei an, „der beste Ökonom, den die Kirche je auf Erden hatte“, so Chaouqui über ihren Mentor. Gleichzeitig gab sie auch bekannt, daß Papst Franziskus die Kommissionserrichtung und die Ernennung der Mitglieder völlig am damaligen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone vorbei durchführte.
Beispielhaft für die Umtriebigkeit von Chaouqui und Valleja Balda ist eine Dach-Party für 18.000 Euro, die Msgr. Valleja Balda zur Doppelheiligsprechung von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. für V.I.P.’s organisierte. Zur gutbezahlten Dienstleistung der prominenten Anwesenden gehörte auch, daß Valleja Balda die Kommunion im Plastikbecher auf die Dachterrasse brachte und austeilte (Die Agape der Höflinge – Hostien im Plastikbecher über den Dächern Roms).
Wer sich eine Ermahnung durch Papst Franziskus erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Kurz darauf bedankte sich der Papst ausdrücklich bei Valleja Balda für seine Arbeit in der Sonderkommission COSEA (siehe Statt Empörung dankt Papst Franziskus Msgr. Vallejo Balda nach der VIP-Dachparty).
Papst Franziskus handelte im Alleingang und trotz Warnungen
„Halloween im Santa Marta“, nennt der Vatikanist Sandro Magister die Verhaftungsaktion. In der Nacht auf Allerheiligen klickten für die beiden bekanntesten Mitglieder der Päpstlichen Sonderkommission COSEA die Handschellen.
Chaouqui und Valleja Balda wurden verhört und verhaftet. Kurz darauf wurde Chaouqui von der vatikanischen Justiz wegen „ihrer Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei den Ermittlungen“ wieder auf freien Fuß gesetzt. In Rom will nun kaum jemand bezweifelt haben, daß die umtriebige Lobbyistin mit dem Hang zur Society lieber alle anderen über die Klinge springen läßt, als selbst zu springen.
Das Presseamt des Vatikans gab die Justizaktion mit einer Erklärung heute Nachmittag bekannt. Am Ende der Erklärung werden die beiden Personen mit den diese Wochen auf den Markt kommenden Büchern in Verbindung gebracht. Die Anschuldigung gegen sie lautet auf „schwerwiegender Verrat“ des Treueversprechens gegenüber dem Papst.
Gebracht hat die Sonderkommission nichts. Wieviel Schaden sie angerichtet hat, darüber kann derzeit nur spekuliert werden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo/Aci Prensa