(Rom) Der Bischof von Albano, Marcello Semeraro, Sekretär des C9-Kardinalsrats, äußerte seinen Unmut darüber, daß der Beschwerdebrief von dreizehn Kardinälen öffentlich bekannt wurde. „Ich empfinde ein Gefühl des Abscheus über die Veröffentlichung des Schreibens“, der Bischof wörtlich. Er korrigierte sich und schloß von sich auf die ganze Synode: „Das ist allgemeine Meinung“.
Bischof Semeraro gehört zum Kreis der Papst-Vertrauten. Sein Unmutssausbruch ist schwerlich von seiner Aufgabe bei der Synode zu trennen. Er gehört zu den von der Kritik der Kardinäle-Synodalen direkt Betroffenen. Semeraro ist Mitglied des zehnköpfigen Redaktionskomitees der Relatio finalis, das von Papst Franziskus ernannt und am 2. Oktober der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde.
Die Kardinäle kritisieren in ihrem Beschwerdeschreiben die Zusammensetzung des Komitees, in dem die Vertreter der „neuen Barmherzigkeit“ eine „erdrückende Mehrheit“ haben, wie der Vatikanist Sandro Magister anmerkte. Kardinal Napier, einer der Unterzeichner des Beschwerdeschreibens, sagte: „Wir möchten nicht wieder dieselbe Art von Personen dort sehen, die bereits beim vorigen Mal dort waren und uns Schmerz verursacht haben“. Gemeint waren die Passagen zu den wiederverheiratet Geschiedenen und zur Homosexualität im Zwischenbericht und im Schlußbericht der Synode 2014.
Semeraros Unmutsbekundung erbrachte den Nachweis, daß die Kritik der Kardinäle verstanden wurde. Der Bischof wählte den Angriff als Mittel der Verteidigung und war bemüht, die Bedeutung der Kritik herunterzuspielen. Durch Empörung über Form und Vorgehensweise soll vom Inhalt abgelenkt werden.
Semeraros Verurteilung, doch: „Ich kenne das Schreiben nicht“
Das Beschwerdeschreiben öffentlich zu machen, sei „nicht korrekt“ gewesen und habe „keine edlen Zwecke“, so Semeraro. Es handle sich um „eine Störaktion“. Die Kritik zeigt mit dem Finger auf den Vatikanisten Sandro Magister, ohne ihn namentlich zu nennen, meint aber in Wirklichkeit die Unterzeichner des Beschwerdeschreibens, unter ihnen kein Geringerer als Kardinal Gerhard Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation. Trotz der apodiktischen Verurteilung erklärte der Bischof im nächsten Satz: „Ich kenne das Schreiben nicht“.
Die Zusammensetzung des Redaktionskomitees erklärt er mit der Absicht des Papstes, daß sie „nicht eurozentrisch“ sein sollte. Auf die Kritik an der einseitig progressiven Zusammensetzung des Redaktionskomitees ging Semeraro nicht ein. Damit trifft seine Begründung ins Leere, da der Vorwurf der Einseitigkeit erst gestern vom südafrikanischen Kardinal Napier wiederholt. Die Frage ob „eurozentrisch“ oder nicht, spielte in der Kritik keine Rolle. Der Erzbischof von Südafrika äußerte die Befürchtung, die Stimme Afrikas könnten durch die progressive Ausrichtung mißachtet werden.
Frage der wiederverheiratet Geschiedenen „offen“
Zur Frage der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene zeigte sich Bischof Semeraro „offen“, „eine Antwort gebe es aber noch nicht“. Eine eindeutige Parteinahme des Papst-Vertrauten, denn für die Unterzeichner des Beschwerdeschreibens ist die Frage nicht offen, weil eine Änderung der Lehre „unmöglich ist“. Es handelt sich um eine neue Frage und das Leben der Kirche wird nicht am grünen Tisch gemacht.“ In Richtung Kritiker meinte er: „Vor allem ist es zu vermeiden, jene, die nicht so denken wie ich, als Häretiker darzustellen“.
Insgesamt meinte er: „Es braucht mehr Zeit, die Fragen zu vertiefen. Die Kirche diskutierte mehrere Jahrhunderte, ob die Gottesmutter ohne Erbsünde empfangen wurde […]. Zudem haben Dogmen, wie das der Unbefleckten Empfängnis das konkrete Leben der Menschen nicht so betroffen wie das, worüber wir auf der Synode sprechen. Das sollte uns noch zurückhaltender und aufmerksamer seinlassen, wenn wir Stellung nehmen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider