(Damaskus) In einem Exklusivinterview mit Radio Télevision Suisse (RTS), dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk für die Welschschweiz, sprach der Erzbischof von Aleppo, Jean-Clément Jeanbart, über die Reaktionen der syrischen Christen auf die russische Militäroffensive gegen den Islamischen Staat (IS) und zur Stützung von Staatspräsident Assad.
„Wladimir Putin hilft der Sache der Christen“, sagte der Erzbischof bei einem Aufenthalt in Genf, wo sich der UNO-Menschenrechtsrat mit dem Schicksal der syrischen Christen befaßt. Dabei, so der Erzbischof, dürfe man sich nicht darüber hinwegtäuschen, daß der russische Präsident dabei die Interessen seines Landes in der Region im Auge habe. Das gelte für alle beteiligten Staaten, auch für den Westen, an dem Erzbischof Jeanbart in der Vergangenheit bereits heftige Kritik geübt hatte.
Msgr. Jeanbart gilt auch auf internationalem Parkett als einer der führenden Vertreter der syrischen Christen. Er ist Erzbischof der mit Rom unierten Melkitischen Griechisch-Katholischen Kirche von Aleppo und Apostolischer Visitator der Melkitischen Kirche in Westeuropa.
Schon 2003 sagte der Erzbischof gegenüber Schweizer Medien zur Stimmung unter den Christen: „Die einen von uns haben Angst, die anderen sind der Ansicht, daß keine unmittelbare Gefahr besteht. Daß die USA etwas im Schilde führen, ist aber durchaus möglich, und wir müssen uns darauf vorbereiten, denn sie betreiben Desinformation.“
2011 brachen die Kämpfe sunnitischer Kreise gegen die syrische Regierung aus, die von islamischen Dschihad-Milizen kontrolliert werden, wie dem Islamischen Staat (IS) und Al-Nusrah. Die Christen werden ermordet, vertrieben oder müssen sich dem demütigenden Dhimmi-System des Islam unterwerfen, das sie zu rechtlosen Menschen zweiter Klasse macht.
Auf einen solche Schritt des Westens habe man vergeblich gewartet
Der Unterschied zu anderen Staaten liege jedoch darin, daß Rußland konkret zugunsten der Christen eingreift. „Ein Schritt, auf den wir von Seiten der westlichen Staaten seit Jahren vergebens warten“, so ein Assistent des Erzbischofs im Anschluß an das Interview.
Aleppo wurde 2012 von Islamisten überrollt, die erzbischöfliche Residenz wurde geplündert. Zum Teil wurde die Stadt von Regierungstruppen zurückerobert. Dennoch lebt Msgr. Jeanbart weiterhin in seiner Stadt, die heute geteilt ist. „Das ist mein Platz“, sagt er dazu.
Die russische Militärintervention gebe den Christen Syriens „neue Hoffnung“. Wie der Erzbischof sagte, könne er im christlichen Volk diese „neue Hoffnung“ verspüren.
Auch Staatspräsident Assad habe Greuel begangen, so der Erzbischof. Angesichts der Gesamtlage und der Greueltaten der Gegenseite, halte er die Weigerung Frankreichs für „extremistisch“, sich Verhandlungen mit dem syrischen Präsidenten zu verweigern.
Jeanbarts Assistent meinte, die Christen bräuchten Verhandlungen, alle Syrer bräuchten Verhandlungen. Wer solche verzögere, schade den Christen und schade ganz Syrien.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Ora Pro Siria