Aus der Handreichung Vorrangige Option für die Familie. 100 Fragen und 100 Antworten im Zusammenhang mit der bevorstehenden Bischofssynode über die Familie vom 4. bis 25. Oktober 2015 im Vatikan.
15. Frage: Schon mehrere Synoden haben sich in der Vergangenheit besonders mit dem Thema Familie beschäftigt. Warum muss das heute noch einmal geschehen?
Antwort: Weil die Familie die persönliche, gesellschaftliche und historische Realität jedes Menschen ganz besonders tief prägt. Außerdem ist die Familie nicht nur die Keimzelle der Gesellschaft und das „Heiligtum des Lebens“ sondern auch und vor allem die „Hauskirche“ (Lumen Gentium, Nr. 11).
Die Familie ist heute einem Prozess ausgesetzt, der nicht nur ihre Lebensbedingungen zu verändern droht, sondern auch ihr genetisches Erbe, wie schon mehrere Soziologen gewarnt haben (s. z.B. Pierpaolo Donati, Famiglia: il genoma che fa vivere la società [Familie: das Genom, das der Gesellschaft das Leben ermöglicht], Rubbettino, Soveria Marinelli 2013, Kap. VI). Um diese Gefahr abzuwenden, bemüht sich die Kirche zu lehren und Studienzentren einzurichten. Doch enttäuschte Beobachter sind der Meinung, dass „wir nun schon seit Jahrzehnten von der ’neuen Evangelisierung‘ reden; die Ergebnisse sind allerdings eher armselig. (…) Die dringende Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Was fehlt in unseren Bemühungen, wenn wir versuchen, zu evangelisieren und Jesus Christus zu verkünden? Welchen Weg sollen wir einschlagen?“ (Kardinal Velasio De Paolis, Die wiederverheirateten Geschiedenen und die Sakramente dr Eucharistie und der Buße, Vortrag am Regionalen Kirchengericht Umbrien, 8.1.2015, S. 5 und 29).
„Das Wohl der Person sowie der menschlichen und christlichen Gesellschaft ist zuinnerst mit einem Wohlergehen der Ehe- und Familiengemeinschaft verbunden“ (Gaudium et Spes, Nr. 47). „Die Evangelisierung wird in Zukunft zu einem großen Teil von der „Hauskirche“ abhängen . (…) Dort, wo eine antireligiöse Gesetzgebung jede andere Form der Glaubenserziehung zu verhindern sucht oder wo verbreiteter Unglaube oder eine uferlose Verweltlichung ein wirksames Wachstum im Glauben praktisch unmöglich machen, bleibt die sogenannte Hauskirche der einzige Ort, an dem Kinder und Jugendliche eine echte Glaubensunterweisung erhalten können“ (hl. Johannes Paul II., Familiaris Consortio, Nr. 52).
16. Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Krise der Familie und den Gesetzen, die heute auf der ganzen Welt in Kraft sind?
Antwort: Wie ein bekanntes juristisches Sprichwort sagt, „das Gesetz von heute ist der Brauch von morgen“, das heißt, was der Staat heute als legitim festlegt, wird die öffentliche Meinung mit der Zeit als zulässig ansehen. Zum Beispiel schaffen die Gesetze, die die Ehescheidung erlauben, unter den Gläubigen eine Tendenz, die Beständigkeit und Unauflösbarkeit der Ehe zu relativieren. Um ein Verschwinden der natürlichen und sakramentalen Eheschließung zu verhindern, ist es daher notwendig, dass die Katholiken sich der Scheidungsmentalität widersetzen, die durch die bürgerliche Gesetzgebung geschaffen und aufrechterhalten wird.
Prophetisch sind die Worte Papst Leos XIII. anlässlich der gesetzlichen Einführung der Ehescheidung in Frankreich: „Wie viele Übel sich aus den Ehescheidungen ergeben, braucht man kaum zu erwähnen. Durch sie werden die Ehebündnisse wandelbar; die gegenseitige Liebe wird abgeschwächt; der verderblichen Verlockung werden die Schleusen geöffnet; Erziehung und Unterricht der Kinder erleiden Schaden; die häusliche Gemeinschaft beginnt sich zu lockern; in den Familien wird Zwietracht gesät; die Würde der Frau wird geschmälert und erniedrigt, da ihr die Gefahr droht, verlassen zu werden, nachdem sie der Lust des Mannes gedient hat. (…)
Die Zukunft wird es bestätigen, dass dieses Übel zunehmen wird, denn kein Zügel ist stark genug, die einmal gewährte Freiheit der Ehescheidung in bestimmten oder im Voraus festgesetzten Schranken zu halten. Die Macht des schlechten Beispiels ist wahrhaftig groß genug, aber noch größer ist die Macht der Begierden; unter ihrem Einfluss dringt das Verlangen nach Ehescheidungen unbemerkt mit jedem Tage in weitere Kreise und ergreift die große Menge wie eine ansteckende Krankheit oder wie ein seine Dämme durchbrechender Strom“ (Leo XIII., Arcanum divinae Sapientiae, 10.2.1880, Nr. 29, 30).
Tatsächlich konnte 135 Jahre später Prof. Dr. Stephan Kampowski, Dozent am Päpstlichen Institut Johannes Paul II. für Studien über Ehe und Familie in Rom, nur bestätigen: „Die bloße Existenz des Rechtinstituts Scheidung hat viel zur Förderung dieser Haltung beigetragen. Recht hat erzieherische Wirkung. Die einfache Tatsache, dass es das Scheidungsrecht in einer säkularen Gesellschaft gibt, ist ein Zeugnis dafür, dass die staatliche Autorität (…) nicht annimmt, dass die Ehe andauern soll, ‚bis dass der Tod uns scheidet‘, sondern dass es sich um eine zeitlich begrenzte Übereinkunft handelt“ (vgl. J.J. Pérez-Soba/S. Kampowski, Das wahre Evangelium der Familie, Media Maria, Illertissen 2014, S. 108).
„Eine zerstörte Familie kann ihrerseits eine spezifische Form von ‚Anti-Zivilisation‘ stärken, indem sie die Liebe in den verschiedenen Ausdrucksformen zerstört, mit unvermeidlichen Auswirkungen auf das gesamte soziale Leben“ (hl. Johannes Paul II., Gratissimam sane, Brief an die Familien, 2.2.1994, Nr. 13).
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Angaben zur Handreichung:
Aldo di Cillo Pagotto/Robert F. Vasa/Athanasius Schneider: Vorrangige Option für die Familie. 100 Fragen und 100 Antworten im Zusammenhang mit der Synode. Vorwort von Jorge A. Kardinal Medina, Edizioni Supplica Filiale, Roma 2015, www. supplicafiliale.org
Die gedruckte Ausgabe in deutscher Sprache kann angefordert werden bei:
Deutsche Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum (TFP)
Gladiolenstrasse 11
60437 Frankfurt am Main
segreteria.supplicafiliale [a] outlook.com
www.tfp-deutschland.org
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Infovaticana