(Rom) In seinem jüngsten Artikel über die Bischofssynode veröffenlichte der Vatikanist Sandro Magister „exklusiv“ im Vorabdruck den vollständigen Wortlaut der ersten Wortmeldung:
Wer die Zeiten und die Agenda der Synode über die Familie programmiert hat, dem muß die Sache entgangen sein. Nun aber ist es, wie es ist. Am 4. Oktober, dem Tag, an dem die neue Synodensession eröffnet wird, wird der erste Redner der Heilige Geist sein mit der Stimme – besser gesagt dem Brüllen – des Markusevangeliums.
Der 4. Oktober ist das Fest des heiligen Franz von Assisi. Es ist aber auch der 27. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B und in den katholischen Kirchen der ganzen Welt wird als Evangelium die Stelle von Markus 10,2–12 vorgelesen, in der es wörtlich heißt:
Da kamen Pharisäer zu ihm und fragten: Darf ein Mann seine Frau aus der Ehe entlassen? Damit wollten sie ihm eine Falle stellen. Er antwortete ihnen: Was hat euch Mose vorgeschrieben? Sie sagten: Mose hat erlaubt, eine Scheidungsurkunde auszustellen und (die Frau) aus der Ehe zu entlassen. Jesus entgegnete ihnen: Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er euch dieses Gebot gegeben. Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Zu Hause befragten ihn die Jünger noch einmal darüber. Er antwortete ihnen: Wer seine Frau aus der Ehe entläßt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entläßt und einen anderen heiratet.
Die Herolde der Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene – die in Wirklichkeit die Bresche für die Legitimierung der Scheidung ist – werden also sofort einige Schwierigkeiten haben, diese so klaren und unmißverständlichen Worte Jesu beiseite zu schaffen, die aus deren Sicht so wenig barmherzig sind mit den „Hartherzigen“.
Dem Markusevangelium fehlt sogar jene sybillinische „Ausnahme“ vom Verstoßungsverbot – „außer im Falle von ‚porneia‘ [Unzucht]“ – , die sich in der Parallelstelle des Matthäusevangeliums findet, die aber von der katholischen Kirche nie als auch nur teilweise Zulassung der Scheidung interpretiert wurde.
Gewiß, es fehlt nicht an Exegeten, die in den Worten Jesu nicht eine Aufhebung, sondern eine Beibehaltung der Befugnis zur Verstoßung lesen, die das Mosaische Gesetz gewährte. So tat es zum Beispiel in den vergangenen Monaten der Kamaldulensermönch Guido Innocenzo Gargano, ein geschätzter Exeget und Patrologe.
Es wird aber für die Synodenväter schwierig werden, eine neue Lesart des Evangeliums zu unterschreiben, die so radikal jener widerspricht, die von den Kirchenvätern und Kirchenlehrern, den Päpsten und ökumenischen Konzilen zweitausend Jahre lang einhellig gelehrt wurde.
Ebensowenig wird es leicht sein, die These jener an den Mann zu bringen, die behaupten, daß eine Änderung der „Pastoral“ das Dogma der Unauflösbarkeit der Ehe unangetastet lasse.
Zur Auffrischung des Gedächtnisses aller wird am ersten Synodentag in allen Kirchen der Welt das Brüllen des evangelischen Löwens ertönen.
Text: Sandro Magister
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons