(Berlin/Rom) „Was nun, kinderlos oder wie die Karnickel?“, fragte sich Dirk Schümer, einer der profiliertesten deutschen Journalisten am vergangenen Donnerstag in einem Kommentar, der auf welt.de, der Online-Ausgabe der Tageszeitung „Die Welt“ erschienen ist. Das hat es aber noch nicht gegegeben. Einer der profiliertesten Journalisten Deutschlands bezeichnet das Oberhaupt der katholischen Kirche „Stand-up-Comedian“. Für den langjährigen Kultur- und Europakorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der mit Unterbrechung seit 2000 in Venedig lebt und neben Italien auch den Vatikan im Blickfeld hat, werde Papst Franziskus „immer mehr“ zu einem alleinunterhaltenden Komiker. Was treibt einen erfahrenen Korrespondeten zu einer solch abwertenden Darstellung?
Schümer, seit 2014 bei der Welt-Gruppe als Europakorrespondent tätig, zog sein Resümee zu Papst Franziskus Kommunikationsweise. Er tat es pünktlich zum zweiten Jahrestag des Rücktritts von Papst Benedikt XVI., über dessen Pontifikat Schümer ziemlich kritisch berichtete. Man könnte auch sagen, Schümer arbeitetete sich am deutschen Pontifikat regelrecht ab. Die Schlußfolgerungen, die der Welt-Korrespondent über die Amtsführung des amtierenden argentinischen Papstes zieht, stellen jedoch alles Bisherige in den Schatten: „Im tiefsten Innern“ habe man es „mit einem launigen Papst zu tun, dem es egal ist, in den Fettnapf zu treten“. Die „Auftritte“ von Papst Franziskus seien „allzeit unterhaltsam“.
„Wie die Karnickel“ oder „Kinderlosigkeit“?
Konkreter Anlaß für den Kommentar ist der jüngste Widerspruch in den päpstlichen Aussagen. So sprach sich der Papst auf den Philippinen gegen die Vermehrung von Katholiken „wie die Karnickel“ aus. Eine Äußerung, die viel mehr zum Wortschatz eines wenig zimperlichen Überbervölkerungsideologen oder eines Antiklerikalen des 19. Jahrhunderts passen will, als zu einem katholischen Kirchenoberhaupt. Bei der Generalaudienz am vergangenen Mittwoch wurde von ihm hingegen der „Segen des Kinderkriegens gepriesen und die Trübseligkeit der Kinderlosigkeit beschrieben“.
An beiden Orten sprach Franziskus über Kinder und wollte, laut eigenen Angaben, zu verantworteter Elternschaft Stellung nehmen. Rübergekommen ist es anders. Dirk Schümer dazu: „Seit Franziskus immer seltener die ausgefeilten päpstlichen Enzykliken für sich sprechen lässt, sondern im Stil eines Stand-up-Comedian zu Fragen der Ethik handfest improvisiert, hört die weltweite Mediengemeinde staunend zu“. „Millionen Menschen“ würden sich fragen: „Was hat der redselige Papst nun genau mit seiner improvisierten Expertise zum Bevölkerungswachstum gemeint? Ab wann vermehrt sich ein liebendes Paar ‚wie die Karnickel‘? Sind vier Kinder nicht schon zu viel? Und ist Kinderlosigkeit ein Symptom für sozialen Egoismus und familiäre Trübseligkeit? Fragen über Fragen“.
Der auftretenden Fragen gebe es aber noch viel mehr, so Schümer: „Müssen verantwortungsvolle Katholiken ihre Kinder nun mit Schlägen – aber bitte nicht ins Gesicht! – regelmäßig züchtigen? Und darf man eine Beleidigung der eigenen Mutter mit Faustschlägen rächen? Oder sollte ein guter Katholik nicht vielmehr die andere Wange hinhalten?“
Die „frohe Botschaft“: dieses Pontifikat ist „unterhaltsamer“
Die These des Welt-Korrespondenten: „Die frohe Botschaft dieser schwer zu deutenden, um nicht zu sagen kauzigen Aussagen: Offenbar ist es Franziskus daran gelegen, als launiger Mensch mit seinen Widersprüchen herüberzukommen.“ Franziskus störe das Risiko nicht, „mit seinen Statements auch mal ins Fettnäpfchen zu treten“. Damit sei das „Bergoglio-Pontifikat im Vergleich“ zum Vorgängerpapst Benedikt XVI. „deutlich unterhaltsamer geworden“.
Schümer faßt das derzeitige Pontifikat unter dem unernsten Aspekt erhöhter „Unterhaltsamkeit“ zusammen. Ist das argentinische Pontifikat ein nicht ernstzunehmendes Pontifikat? Schümer sagt dies nicht explizt, läßt es aber deutlich anklingen. Da der Welt-Korrespondent weiterhin in Venedig sitzt, wird er noch einiges über Papst Franziskus berichten.
Ein „unterhaltsamer“ Papst birgt nicht nur die Gefahr solcher Kommentare aus der Feder führender Journalisten, die man über ein katholischen Kirchenoberhaupt eigentlich nicht lesen möchte, sondern mehr noch die Gefahr, daß ihm letztlich irgendwann niemand mehr wirklich zuhört.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews