(Rom) Wenige Tage vor Beginn der Bischofssynode in Rom über die Familie (5.–19. Oktober 2014), erläutert der bekannte Historiker Roberto de Mattei, worum es wirklich geht. Die Frage der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion sei lediglich das Vehikel eines viel grundsätzlicheren Angriffs auf die katholische Glaubenslehre. De Mattei hatte bereits im Frühjahr Kardinal Kaspers Strategie durchkreuzt. Während alle Kardinäle der Schweigepflicht unterlagen, wollte Kasper sich ein Deutungsmonopol zur Frage sichern, indem er allein in der Öffentlichkeit auftreten wollte. Die Tageszeitung Il Foglio veröffentlichte jedoch Kaspers Rede schneller und zwar mit einem vernichtenden Kommentar von de Mattei. Worum geht es aber wirklich? Und: Wie denkt Kasper eigentlich? Die Erstveröffentlichung erfolgte am 1. Oktober in der Tageszeitung Il Foglio.
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Kaspers Pasticcio
von Roberto de Mattei
Der bevorstehenden Bischofssynode geht ein Medienrummel voraus, der ihr eine höhere historische Bedeutung beimißt, als ihr als bloß beratende Versammlung kirchlich zukommt. Es gibt jene, die wegen des theologischen Krieges klagen, den die Synode verspricht. Die Geschichte aller Versammlungen von Bischöfen der Kirche (das ist die etymologische Bedeutung des Begriffs Synode und seines Synonyms Konzil) besteht aus theologischen Konflikten und harten Debatten über Irrtümer und Spaltungen, von denen die christliche Gemeinschaft seit ihrer Entstehung bedroht war.
Das Thema der Zulassung der wiederverheiratet Geschiedenen zur Kommunion ist nur der Aufhänger für eine Diskussion, bei der es um weit komplexere doktrinelle Vorstellungen wie die Natur des Menschen und das Naturrecht geht. Diese Debatte scheint die trinitarischen und christologischen Spekulationen, von denen die Kirche vom Konzil von Nicäa (325) bis zu jenem von Calchedon (451) erschüttert wurde, auf die anthropologische Ebene zu verlegen.
Die Arianer und das berühmte Iota
Damals diskutierte man, um die Natur der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zu ermitteln, die ein einiger Gott in drei Personen ist. Und um in Jesus Christus die Person des Wortes in der Zwei-Naturen-Lehre zu definieren, da Jesus Christus „wahrer Gott“ und „wahrer Mensch“ zugleich ist. Der Gebrauch des griechischen Begriffs homoousios durch das Konzil von Nicäa, das auf Latein mit consubstantialis übersetzt wurde und nach dem Konzil von Calchedon mit den Worten, „vollkommen derselbe in der Gottheit, vollkommen derselbe in der Menschheit, wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch derselbe“, um die perfekte Gleichheit des Wortes und des Vaters auszudrücken, ist ein denkwürdiger Markstein in der Geschichte der Christenheit und beendete eine Epoche der Verwirrung, der Verirrungen und der Gewissensdramen vergleichbar jener, in der wir uns befinden.
In jenen Jahren war die Kirche zwischen der „Rechten“ des heiligen Athanasius und der „Linken“ der Anhänger des Arius gespalten (diese Definition stammt vom Konzilshistoriker Karl Joseph von Hefele). Zwischen den beiden Polen schwankte die dritte Partei der Semi-Arianer, die ihrerseits wiederum in verschiedenen Fraktionen zerfielen. Dem nicäischen homoousios, das „wesensgleich“ bedeutet, wurde der Begriff homoiousios entgegengesetzt, der „wesensähnlich“ bedeutet. Es ging dabei nicht um einen sinnlosen Streit um des Kaisers Bart. Der vermeintlich unbedeutende Unterschied zwischen diesen beiden Worten betrifft Welten: einerseits die Identität mit Gott, andererseits eine gewisse Analogie oder Ähnlichkeit, die aus Jesus Christus letztlich nur einen Menschen macht.
Über Nacht war die „Welt arianisch geworden“
Die beste historische Rekonstruktion dieser Epoche bleibt jene von Kardinal John Henry Newman in The Arians of the Fourth Century (Die Arianer des Vierten Jahrhunderts) von 1832. Eine grundlegende Studie, in der die Verantwortung des Klerus und der Mut des „kleinen Volkes“ in der Bewahrung des orthodoxen Glaubens dargestellt wird. Der zum Bischof gewählte Diakon Athanasius, ein herausragender Verfechter der Rechtgläubigkeit, wurde fünfmal gezwungen, seine Diözese zu verlassen und mußte den Weg ins Exil einschlagen.
357 exkommunizierte ihn Papst Liberius, und zwei Jahre später rückten die Konzile von Rimini und Seleukia vom Begriff consubstantialis von Nicäa ab und legten einen zweideutigen Mittelweg zwischen dem heiligen Athanasius und den Arianern fest. Damals tätigte der heilige Hieronymus den Ausspruch, daß die Welt „mit Staunen feststelle, arianisch geworden zu sein“.
Athanasius und die Verteidiger des orthodoxen Glaubens wurden beschuldigt, sich in Worte zu verbeißen, Haarspalterei zu betreiben, streitsüchtig und intolerant zu sein. Dieselben Vorwürfe werden heute gegen jene erhoben, die innerhalb und außerhalb des Synodensaals ihre Stimme entschieden und beharrlich zur Verteidigung der kirchlichen Ehelehre erheben, wie die fünf Kardinäle (Burke, Brandmüller, Caffarra, De Paolis und Müller), die, nachdem sie sich einzeln geäußert hatten, ihre Wortmeldungen zur Verteidigung von Ehe und Familie in einem Buch vereinten, das inzwischen zu einem Manifest geworden ist: „In der Wahrheit Christi bleiben. Ehe und Kommunion in der katholischen Kirche“. Eine zentrale Rolle in der gegenwärtigen Debatte kommt auch dem Buch des französischen Jesuiten Henri Crouzel: „L’Eglise primitive face au divorce“ zu.
Papst vergißt, Verantwortung für den theologischen Streit zu tragen
Die Kommentatoren der großen Medien haben sich bereits die Kleider zerrissen wegen der stattfindenden „theologischen Prügelei“. Selbst Papst Franziskus empfahl am 18. September den neuernannten Bischöfen, „verschwendet doch keine Energien in Auseinandersetzung und Gegensätzen“, wohlweislich vergessend, daß er selbst in dem Augenblick die Verantwortung für den Streit übernommen hat, in dem er Kardinal Walter Kasper mit der Aufgabe betraute, die Synodentänze zu eröffnen.
Wie Sandro Magister bemerkte, war es Kardinal Kasper, der mit seiner Rede am 20. Februar 2014 die Feindseligkeiten eröffnete und die doktrinelle Debatte entzündete. Damit wurde er, ganz unabhängig von seinen Absichten, zum Bannerträger einer Partei. Die mehrfach vom deutschen Kardinal bekräftigte Formel, laut der nicht die Lehre über die Unauflöslichkeit der Ehe sich zu ändern habe, sondern die Pastoral gegenüber den wiederverheiratet Geschiedenen, hat Sprengkraft und ist Ausdruck eines theologischen Verständnisses, das bereits in seinen Fundamenten verseucht ist.
Kasper versuchte vergeblich, sich vom gnostischen Charakter Schellings zu befreien
Um das Denken Kaspers zu verstehen, muß man bis zu einem seiner ersten Werke, vielleicht seinem bedeutendsten zurückgehen: „Das Absolute in der Geschichte. Philosophie und Theologie der Geschichte in der Spätphilosophie Schellings“, das 1965 im Mainzer Matthias-Grünewald-Verlag erschienen und 2010 in den Gesammelten Werken bei Herder neu aufgelegt wurde. Seit 1986 liegt von Jaca Book auch eine Übersetzung ins Italienische vor. Walter Kasper gehört jener Tübinger Schule an, die, wie er in dieser Arbeit selbst schreibt, „in Begegnung mit Schelling und Hegel eine Erneuerung der Theologie und des gesamten deutschen Katholizismus einleitete(n)“ (Seite 5). Die Metaphysik ist jene von Friedrich Schelling (1775–1854), den Kasper als einsamen Giganten bezeichnet, von dessen gnostischem und pantheistischem Charakter sich der deutsche Theologe vergeblich zu befreien versucht.
In seinem letzten Werk: „Philosophie der Offenbarung“ von 1854, stellt Schelling dem dogmatischen Christentum die Geschichte entgegen. „Schelling faßt nämlich das Verhältnis von natürlich und übernatürlich nicht statisch-metaphysisch-überzeitlich, sondern dynamisch und geschichtlich. Das Wesentliche an der christlichen Offenbarung ist eben dies, daß sie Geschichte ist“, so Kasper (Seite 152).
Auch für Kasper ist das Christentum bevor sie Doktrin ist, Geschichte, oder „Praxis“. In seinem bekanntesten Werk: „Jesus der Christus“, erschienen 1974 (Matthias-Grünewald-Verlag), entwickelt er eine Christologie nach einem geschichtlichen Schlüssel, die von der Philosophie der Offenbarung des deutschen Idealisten abhängig ist.
Das trinitarische Verständnis Schellings ist das der Sabellianer und Modalisten, der Vorläufer des Arianismus. Die drei göttlichen Personen sind reduziert auf bloß verschiedene Erscheinungsformen (modi) einer einzigen Person-Natur in der Welt. Christus ist kein Mittler zwischen Gott und dem Menschen, sondern die geschichtliche Verwirklichung der Gottheit im trinitarischen Prozeß.
Von Schellings Christologie zu Kaspers Ekklesiologie
Dieser Christologie entspricht auch Kaspers Ekklesiologie. Die Kirche ist vor allem „pneuma“, „Sakrament des Geistes“, eine Definition, die für den deutschen Kardinal die juridische von Pius XII. in Mystici Corporis „korrigiert“ (Kirche, Ort des Geistes, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 1976, in der italienischen Ausgabe La Chiesa luogo dello Spirito, Queriniana, Brescia 1980, S. 91). Das Handlungsfeld des Heiligen Geistes stimmt nicht, wie die Tradition will, mit dem der römischen Kirche überein, sondern erstreckt sich auf eine größere ökumenische Realität, die „Kirche Christi“, deren Teil die katholische Kirche ist.
Für Kasper drängt das Dekret des Zweiten Vaticanum über die Ökumene anzuerkennen, daß die eine Kirche Christi sich nicht auf die katholische beschränkt, sondern in getrennte Kirchen und kirchliche Gemeinschaften geteilt ist (Kirche, Ort des Geistes, in der ital. Ausgabe, S. 94). Die katholische Kirche ist laut Kasper dort, wo es kein „selektives“ Evangelium gibt, aber alles breitet sich in Zeit und Raum auf inklusive Weise aus (Katholische Kirche. Wesen, Wirklichkeit, Sendung, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2011, in der ital. Ausgabe Chiesa cattolica – Essenza, realtà , missione, Queriniana, Brescia 2012, S. 289).
Papst Franziskus und die Mission der Kirche „aus sich selbst herauszugehen“
Die Mission der Kirche ist es, „aus sich selbst herauszugehen“, um eine Dimension wiederzugewinnen, die sie wirklich universal macht. Eugenio Scalfari, der sich, obwohl in Sachen Theologie völlig unwissend, neben dem emeritierten und dem regierenden Papst als dritter Papst gebärdet, schreibt dieselbe Vorstellung Papst Franziskus zu, indem er behauptet, daß für diesen die missionarische Kirche die ist, die „aus sich herausgehen und der Welt entgegengehen muß“ und damit das Christentum in der Geschichte verwirklicht (La Repubblica, 21. September 2014).
Diese Thesen reflektieren sich in der Moraltheologie Kaspers, laut dem die Erfahrung der Begegnung mit Christus das Gesetz auflöst, oder besser gesagt: das Gesetz ist etwas, das im Weg ist und von dem sich der Mensch befreien muß, um der Barmherzigkeit Christi zu begegnen. Schelling absorbiert in seiner pantheistischen Philosophie das Böse in Gott. Kasper absorbiert das Böse im Kreuzesgeheimnis, in dem er die Negation der traditionellen Metaphysik und des Naturrechts sieht, die aus dieser folgt. „Der Übergang der negativen Philosophie zur positiven Philosophie ist für Schelling gleichzeitig der Übergang vom Gesetz zum Evangelium“ (Das Absolute in der Geschichte, in der ital. Ausgabe S. 178), schreibt der deutsche Kardinal, der seinerseits den Übergang vom Gesetz zum Evangelium im Primat der pastoralen Praxis oder der abstrakten Doktrin sieht.
Kaspers Morallehre zumindest implizit antinomistisch
Unter diesem Aspekt ist die Morallehre von Kardinal Kasper, zumindest implizit, antinomistisch. Der Antinomismus ist ein von Luther geprägter Begriff gegen seinen Gegner von links, Johann Agricola (1494–1566), geht aber bereits auf die antiken und mittelalterlichen Häresien zurück, um die Ablehnung des Alten Testaments und seines Gesetzes zu benennen, das als reiner Zwang im Widerspruch zum Neuen Testament und damit zur neuen Gnadenökonomie und Freiheit gesehen wurde. Allgemeiner versteht man unter Antinomismus die Ablehnung des Natur- und Moralgesetzes, das seine Wurzeln in der Ablehnung der Idee von der Natur hat. Für die christlichen Antinomisten gibt es kein Gesetz, weil es keine objektive und universelle menschliche Natur gibt. Die Konsequenz ist das Verdampfen des Sündenverständnisses, die Leugnung absoluter Moralvorstellungen und die sexuelle Revolution in der Kirche.
Aus dieser Perspektive versteht man, warum Kardinal Kasper in seinem 2012 bei Herder erschienenen und 2013 bei Queriniana auch ins Italienische übersetzten Buch: „Barmherzigkeit: Grundbegriff des Evangeliums. Schlüssel christlichen Lebens“ sich anbietet, das traditionelle Gleichgewicht zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zu zerbrechen, indem er Letztere gegen die Überlieferung zum Hauptattribut Gottes erhebt. Wie aber Pater Serafino Lanzetta von den Franziskanern der Immakulata in seiner exzellenten Analyse dieses Buches anmerkte, „vervollständigt und vollendet die Barmherzigkeit die Gerechtigkeit, annulliert sie aber nicht; sie setzt sie voraus, sonst hätte sie ja keinen Daseinsgrund.“ Das Verschwinden der Gerechtigkeit und des Gesetzes macht die Vorstellung von Sünde und das Geheimnis des Bösen unverständlich, außer man integriert es neu unter einem theosophischen und gnostischen Vorzeichen.
Erasmus, Luther und… Kasper?
Diesen Irrtum finden wir auch im lutherischen Postulat der sola misercordia. Nachdem er die Vermittlung durch Vernunft und Natur abgeschafft hatte, blieb für Luther als einziger Weg, um zu Gott zu gelangen nur die fides fiducialis, der Fiduzialglaube, der seine Präambel nicht in einem metaphysischen Grund hat, von dem er völlig losgelöst sein muß, sondern in einem Gefühl tiefer Verzweiflung, das seinerseits sein Objekt in der „Barmherzigkeit“ Gottes, statt in der von Ihm offenbarten Wahrheit hat.
Dieses Prinzip, wie Silvana Seidel-Menchi in ihrem Buch „Erasmo in Italia. 1520–1580“ (Bollati Boringhieri,Turin 1987) nachgewiesen hat, das auch in deutscher Übersetzung erschienen ist (Erasmus als Ketzer. Reformation und Inquisition im Italien des 16. Jahrhunderts, Verlag E.J. Brill, Leiden 1992), entwickelt sich in der häretischen Literatur des 16. Jahrhunderts auch durch den Einfluß des Traktats De immensa Dei misericordia (1524) von Erasmus von Rotterdam, der den „Menschen guten Willens“ die Pforten des Himmels öffnete (im ital. Original S. 143–167). In den Sekten erasmischer und lutherischer Ableitung, die die extreme Linke der protestantischen Reform bilden, blühen auch die antitrinitarischen Häresien des vierten Jahrhunderts Arianismus, Modalismus, Sabellianismus wieder auf, die auf einer Ablehnung oder Entstellung der Idee von Natur beruhen.
Der einzig mögliche, bußfertige Weg um die Umarmung der göttlichen Barmherzigkeit zu erfahren, ist die Zurückweisung der Sünde, in die wir eingetaucht sind, und die Anerkennung eines göttlichen Gesetzes, das zu befolgen und zu lieben ist. Dieses Gesetz ist in der menschlichen Natur verwurzelt und in das Herz eines jeden Menschen vom „Finger des Schöpfers selbst“ (Röm 2,14–15) eingeschrieben. Es bildet das höchste Beurteilungskriterium für jede Aktion und der menschlichen Ereignisse in ihrem Ganzen, und damit der Geschichte.
Der Begriff Natur ist nicht abstrakt. Die menschliche Natur ist die Essenz des Menschen und damit das, was noch vor seinem Person-Sein kommt. Der Mensch ist eine Person, Träger unveräußerlicher Rechte, weil er eine Seele hat. Und er hat eine Seele, weil er zum Unterschied jedes anderen Lebewesens eine vernunftbegabte Natur hat. Natürlich ist nicht das, was von den Instinkten und den Wünschen des Menschen kommt, sondern das, was den Regeln der Vernunft entspricht, die sich ihrerseits an einer objektiven und unveränderlichen Ordnung von Prinzipien auszurichten hat. Das Naturrecht ist ein rationales und unveränderliches Gesetz, unveränderlich, weil es spirituell ist, es ist die Natur des Menschen. Alle Individuen gleicher Natur handeln auf die gleiche Weise, weil das Naturrecht nicht in die Natur dieses oder jenes Menschen eingeschrieben ist, sondern in die menschliche Natur selbst, dauerhaft und stabil.
Soziologisch gewandete Zurückweisung des Naturrechts im Instrumentum laboris der Bischofssynode
Kardinal Kasper glaubt nicht an die Existenz eines universalen und absoluten Naturrechtes und im Instrumentum laboris, dem offiziellen Dokument des Vatikans, das die Synode in diesem Oktober vorbereitet, taucht diese Zurückweisung des Naturrechtes augenfällig auf, wenn sie auch mehr unter soziologischem als theologischem Vorzeichen daherkommt. „In der überwiegenden Mehrheit der Antworten und Bemerkungen erscheint heute in den verschiedenen kulturellen Kontexten das Konzept des ‚Naturrechts‘ als solches sehr schwierig, wenn nicht gar unverständlich“ (Nr. 21), heißt es da, und weiter: „Heute stellt, nicht nur im Westen, sondern zunehmend in allen Teilen der Welt, die wissenschaftliche Forschung eine ernstzunehmende Herausforderung für die Vorstellung von Natur dar. Wenn sich die Evolution, die Biologie und die Neurowissenschaft mit der traditionellen Idee des Naturrechtes befassen, kommen sie zu dem Schluss, dass es nicht ‚wissenschaftlich‘ ist“ (Nr. 22).
Dem Naturrecht wird, laut Kaspers Programm, der Geist des Evangeliums entgegengesetzt, dessen Werte man „dem Menschen von heute verständlich“ vermitteln muß. Deshalb ist es notwendig, entschieden mehr Nachdruck auf die Rolle des Wortes Gottes als herausragendes Mittel in der Konzeption des Ehe- und Familienlebens, zu legen. Stärkere Bezüge auf die biblische Welt, ihre Sprache und ihre Erzählformen werden empfohlen. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, den Vorschlag zu unterstreichen, die biblisch inspirierte Vorstellung von der Schöpfungsordnung zu thematisieren und zu vertiefen. Darin könnte eine Möglichkeit liegen, in einer existentiell bedeutenderen Weise der Bedeutung des Naturrechts auf die Spur zu kommen (…) Darüber hinaus wird eine Aufmerksamkeit auf die Welt der Jugendlichen empfohlen, die auch im Hinblick auf diese Themen als direkter Gesprächspartner anzunehmen ist“ (Nr. 30).
Vito Mancuso und die konkreten Auswirkungen
Die unvermeidlichen Folgen dieses neuen Moralverständnisses, über das die Synodenväter diskutieren werden müssen, werden von Vito Mancuso [1]Vito Mancuso, italienischer Theologe und Kolumnist der Tageszeitung „La Repubblica“, Schüler von Kardinal Carlo Maria Martini, von diesem 1986 zum Priester geweiht, sofort Dispens von der … Continue reading in La Repubblica vom 18. September gezogen: Das Naturrecht „ist eine Last, die zu schwer zu tragen ist“; es ist daher notwendig auf „einen grundlegenden Erneuerungskurs in Sachen Sexualethik“ abzuzielen, der zu „folgenden notwendigen Öffnungen“ führen sollte: „ja zur Verhütung; ja zu vorehelichem Geschlechtsverkehr; ja zur Anerkennung homosexueller Paare“.
Kann man sich angesichts dieses katastrophalen Itinerars in Richtung Immoralismus darüber wundern, wenn fünf Kardinäle ein Buch zur Verteidigung der traditionellen Moral veröffentlichen und weitere Kardinäle, Bischöfe und Theologen sich dieser Position angeschlossen haben? Gegen jene, die eine neue doktrinelle und pastorale Ordnung wollen, hat Kardinal Pell geschrieben, erhebt sich „eine unüberwindliches Hindernis“ einer „fast vollständigen Einstimmigkeit in diesem Punkt, von dem die katholische Geschichte seit zweitausend Jahren Zeugnis gibt“ (Vorwort zu Juan Pérez-Soba/Stephen Kampowski: Das wahre Evangelium der Familie, Media-Maria, 2014 ((Der Titel der deutschen Ausgabe stellt bereits eine Antwort und Herausforderung an Walter Kardinal Kasper dar, der seine Rede beim Kardinalskonsistorium im Herder-Verlag mit dem Titel „Das Evangelium von der Familie“ veröffentlichte. ).
Es bleibt zu hoffen, daß die Konfrontation wirklich frei und transparent sein wird, ohne daß von oben Regeln aufgezwungen werden, die das Spiel verfälschen. Was auf dem Spiel steht, sind nicht bloße Meinungsverschiedenheiten, sondern die Klärung der Mission der Kirche. Es bleibt zudem zu hoffen, daß sich die der Tradition treuen Prälaten nicht einschüchtern lassen und imstande sind, mit Geduld sowohl Medienangriffe als auch kirchlichen Zensuren, auch ungerechte und harte, zu ertragen. Das beste Lied ist weiterhin unseres, schreibt Kardinal Pell in seinem Vorwort und der heilige Athanasius bleibt das Vorbild in unserer Zeit für alle, die sich nicht vor dem guten Kampf zur Verteidigung der Wahrheit drücken.
Einleitung und Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Reflexion
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↑1 | Vito Mancuso, italienischer Theologe und Kolumnist der Tageszeitung „La Repubblica“, Schüler von Kardinal Carlo Maria Martini, von diesem 1986 zum Priester geweiht, sofort Dispens von der Seelsorge zur Fortsetzung der Studien bei Bruno Forte, dem heutigen Erzbischof von Chieti-Vasto und Vorsitzenden der Glaubenskommission der Italienischen Bischofskonferenz, Dispens vom Zölibat und Eheschließung, 1996 Promotion in Theologie an der Lateranuniversität mit einer Doktorarbeit zum Thema La salvezza della Storia. La filosofia di Hegel come Teologia (Das Heil der Geschichte. Die Philosophie Hegels als Theologie). 2007 veröffentlichte Mancuso sein Buch L‘anima e il suo destino (Die Seele und ihr Schicksal) mit einem Vorwort von Kardinal Martini. 2008 warf die Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica Mancuso vor, im genannten Buch „ein Dutzend Dogmen der katholischen Kirche zu leugnen oder zumindest auszuhöhlen“ und die „Verwirrung“ zu fördern. Mancuso gilt in Italien als Hoftheologe der politischen Linken. Der Inhalt dieser Fußnote stammt als Ergänzung von Katholisches.info und nicht von Prof. de Mattei. |
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