(Rom) Für Papst Franziskus wurde der Monat Oktober 2014 zum mensis horribilis (Messa in Latino). Die Bischofssynode über die Familie verlief zwar nach Plan, was die Unterstützung durch die Massenmedien anbelangt, nicht aber was die Kardinäle und Bischöfe betrifft, die das Hirtenamt ausüben und Verantwortung in der Kirche tragen. Ihr Widerstand wurde von den innovationsbegeisterten Neuerern unterschätzt. Der päpstliche Hinweis in der Predigt zur Seligsprechung von Paul VI., Gott „hat keine Angst vor Neuem“ hatte im Rückblick auf die Synode den fahlen Beigeschmack einer jener zahlreichen Sprechblasen mit großen Worten, aber theologisch bescheidenem oder deplaziertem Inhalt. Welche „Angst“ sollte Gott haben und vor welchen „Neuheiten“? Was für eine unpassende Sprache, die innerkirchlich sogar als Drohung aufgefaßt werden könnte. Der Versuch einer provisorischen Bilanz der Bischofssynode.
Großerzbischof fordert Papst auf, den Katechismus zu lesen
Der Papst mußte sich von Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche in der Generalkongregation den Katechismus der Katholischen Kirche vorhalten lassen. Eine zumindest für die jüngere Kirchengeschichte erschütternde Situation von unerhörter Peinlichkeit. Ein Metropolit und Synodenvater, der nicht die Gläubigen im Katechismus unterweist, sondern den Papst. Wörtlich sprach Schewtschuk von der Notwendigkeit, „den Gläubigen und dem Papst eine klare Botschaft zu senden“, daß „die Familie die feste und sakramentale Bindung zwischen einem Mann und einer Frau ist“, wie Il Foglio berichtete.
Der von der internationalen Medienwelt umjubelte Papst Franziskus sieht sich zunehmender und ungewohnter Kritik ausgesetzt. Der Journalist Antonio Socci ist durch den argentinischen Kontrapunkt zu Benedikt XVI. dermaßen verstört, daß er in eine bisher unbekannte Form des konservativen Anti-Papismus verfallen ist. Die Veröffentlichung seines jüngsten Buches Anfang des Monats „Non ਠFrancesco“ (Er ist nicht Franziskus) wird den regierenden Papst nicht verschrecken „noch wird der erste Teil, in dem Socci die Nichtigkeit der Wahl von Franziskus zu beweisen versucht, die mit gesundem Menschenverstand ausgestattete Leserschaft überzeugen können“, so Messa in Latino.
Antonio Soccis J’accuse
Der zweite Teil des Buches ist jedoch eine brisante Dokumentation der zahlreichen Brüche, die Franziskus gegenüber dem Vorgängerpontifikat vollzogen hat. Socci legte damit ein heftiges J’accuse vor, vor dem nur jene die Augen verschließen können, die sich ihrer Verantwortung in der Kirche und vor Gott entziehen wollen. Antonio Socci, ein nicht unerhebliches Detail, war nie ein Vertreter der Tradition, sondern jener „konservativen“ Richtung, mit der Johannes Paul II. ein Gegengewicht zur Verwüstung der Nachkonzilszeit bilden wollte. Das Buch des Rektors der italienischen Journalistenhochschule in Perugia wird in Italien bereits in den Bestseller-Listen geführt, obwohl einige katholische Buchhandlungen, wie die Kette der Paoline den Verkauf verweigern. Der Verkaufserfolg von Soccis Buch zeigt jedenfalls, daß nicht alle Katholiken und Nicht-Katholiken bereit sind, ihre Meinung über das aktuelle Pontifikat nur auf der wohlwollenden Grundlage der päpstlichen Umarmungen vor laufenden Kameras im Menschenbad zu bilden.
Geradezu zum Debakel für Papst Franziskus ist die Synode geworden. Allerdings hat auch die Kirche erheblichen Schaden genommen, da mit der Veröffentlichung des inzwischen zerrissenen Zwischenberichts falsche Signale ausgesandt und von den Massenmedien unter das Volk getragen wurden. Dazu gehört etwa die Tatsache, daß auf der Synode über die Familie das Thema Homosexualität behandelt wurde. Signale, die zur weiteren Verwirrung beitragen, denn die offensichtlich vom Papst gewünschte Botschaft an das Volk wurde im Zuge der Synode deutlicher denn je: Jeder kann tun und lassen, was er will und das mit dem Segen der Kirche.
Mißtrauensvotum der Synode gegen Franziskus
Kardinal Napier sprach in seiner empörten, aber klarsichtigen ersten Wortmeldung sogar von einem „nicht wieder gutzumachenden Schaden“ für die Synode. Die Ochsen wurden losgelassen und kein noch so gutes Dokument der Synode, werde das einfach so wieder zurechtbiegen können. Letztlich erreichte der Papst, wenn auch nicht in der gewünschten Form, sein inzwischen offenkundig erklärtes Ziel, zweitausend Jahre Glaubenslehre in die Mülltonne zu kippen und dies nicht mit umfangreichen Enzykliken, sondern durch einige in Interviews hingeworfene Sätze.
Allerdings hat diese Strategie Bergoglios inzwischen einen hohen Preis auch für ihn. Dem Papst wurde 17 Monate nach seiner Wahl von seinem „Parlament“, Franziskus möchte die Synode ja zu einem ständigen kollegialen Mitentscheidungsgremium in der Kirche machen, das Vertrauen entzogen. In der Welt der Politik bedeutet dies, je nach politischem System, das sofortige Ende einer Regierung oder der Beginn ihres bevorstehenden Endes. In der Tat gab es noch unter keinem Papst eine so offene und teils sogar vehemente öffentliche Opposition gegen das katholische Kirchenoberhaupt.
Wo Franziskus Kollegialität draufschreibt, ist Manipulation drinnen?
Es scheint auch dem letzten Kirchenvertreter klargeworden zu sein, daß Franziskus trotz seines demonstrativ zur Schau gestellten Redens über Kollegialität und Redefreiheit nicht vor Manipulation und Meinungsunterdrückung zurückschreckt, um seine Ziele durchzusetzen. Der unsägliche Zwischenbericht war, soweit steht inzwischen fest, von den Erzbischöfen Forte und Fernandez geschrieben und vom Papst abgesegnet worden. Die Synodalen waren so empört, daß sie selbst den seit langem in der Kirche gepflegten Usus verwarfen und nicht nur aus Respekt und Höflichkeit die materiellen Exekutoren angriffen, wenn sie den Papst meinten, sondern direkt den dahinterstehenden Papst.
Bei ihrem Aufstand in der Synodenaula machten die Kardinäle unumwunden Franziskus, dem Auftraggeber Vorhaltungen und nicht seinen Handlagern. Und die Vorhaltungen hatten es in sich: Die Synodalen warfen dem Papst vor, der Kirche „großen Schaden“ zugefügt zu haben, wie Kardinal Raymond Burke formulierte. Großerzbischof Schewtschuk fordete den Papst unumwunden auf, den Katechismus der Katholischen Kirche zu studieren. Führende Kardinäle wie Glaubenspräfekt Gerhard Müller, Camillo Ruini oder Raymond Burke verweigerten dem Papst sogar den Gruß.
Synode gegen Papst: „Wir suchen nicht billigen Populismus“
Und wie anders, denn als spitze Kritik am Papst wäre der Satz der Synodenarbeitsgruppe Italicus B zu lesen: „wir suchen nicht den billigen Populismus der alles einlullt und in Watte packt“.
Der amerikanische Kardinal Raymond Burke wurde durch die Synode zum öffentlichen Gegenspieler des Papstes. Ein Mann von besonderer Integrität, großer Frömmigkeit und Liebe zum überlieferten Ritus sowie ausgeprägter intellektueller Fähigkeit. Man wird sehen, ob der Papst nach dieser Synode noch wagen wird, den Kardinal als Präfekten der Apostolischen Signatur abzusetzen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte und Burkes Handlungsspielraum und Informationszugang eingeschränkt würde, hat der Papst seinen Herausforderer gefunden, der den Mut hat, angesichts der kirchlichen Gepflogenheiten und Erziehung keine Kleinigkeit, sich dem Papst öffentlich zu widersetzen.
Kardinäle bitten Benedikt XVI., Franziskus zu bremsen
„Papst Franziskus ist ein schwerer Fehler unterlaufen“, so Messa in Latino, indem er die Familie angriff, das zentrale Thema des Pontifikats von Johannes Paul II., der maßgeblich die heute lebenden Katholiken geprägt hat, und des Pontifikats von Benedikt XVI. mit den „nicht verhandelbaren Werten“. „Den Lauen mag eine moralische Laxheit zusagen“, nicht aber den wirklich Gläubigen, die bewußt oder unbewußt verstehen, daß hier Hand an die Substanz gelegt werden soll. Es hätte wahrscheinlich weniger Widerstand gegeben, wenn der Papst seinen Angriff im Bereich Ökumene gestartet hätte, die den meisten persönlich ferner liegt.
Laut La Repubblica suchten mehrere Kardinäle im Zuge der Bischofssynode den Kontakt zum emeritierten Papst Benedikt XVI. und baten ihn, Papst Franziskus zu bremsen. Benedikt XVI. habe ihnen jedoch geantwortet: „Ich bin nicht der Papst, wendet euch nicht an mich“. Dennoch schickte er eine freundschaftliche Botschaft an Papst Franziskus, in der er diesem erneut seine theologische Hilfe anbot. Eine Hilfe, die bisher nicht in Anspruch genommen wurde.
Deutsche Kirche lehnte sich gemeinsam mit dem Papst zu weit aus dem Fenster
Wer lehnte sich mit Papst Franziskus zu weit aus dem Fenster? Ein alternder 68er Klerus und die „deutsche Kirche“, wie man von Rom aus mit Blick nach Norden sagt und den ganzen deutschen Sprachraum meint. Jene reiche, aber innerlich faule Kirche, die auf die Kirchensteuer gestützt, zwar ein riesiger Apparat ist, der vor allem sich selbst verwaltet und den Glauben deutlich mehr untergräbt als fördert. Eine Kirche, die auch nicht davor zurückschreckt, dank ihres Geldes ärmere Kirchen negativ zu beeinflussen und deren Klerus durch Studienstipendien an ihren Fakultäten und Hochschulen zu verderben. Die „deutsche Kirche“ steht mit dem „Homo-Verständnis“ und der „Gradualität der Beziehungen“ der Kardinäle Reinhard Marx und Christoph Schönborn innerkirchlich nackter da, als je zuvor.
Kardinal Walter Kasper, der Ideator und Wortführer des Umbruchs mit päpstlichem Segen, demontierte sich durch die Entgleisung gegen die afrikanischen Mitbrüder und seine Überführung als Lügner selbst. Wer im zweiten Teil der Bischofssynode 2015 an seine Stelle treten könnte, scheint derzeit noch völlig unklar. Kardinal Marx ist zwar lautstark und machtbewußt, gilt aber im Vergleich zu Kasper als theologisches Leichtgewicht, Kardinal Schönborn wiederum als zu zaudernd. Überhaupt dürfte sich nach dem soeben erlebten Debakel kein Kardinal um diese Rolle reißen.
Die Rheinische Allianz ist zu einem bundesdeutsch-österreichisch-schweizerischen Alleingang zusammengeschmolzen. Nicht einmal die Franzosen wollten mehr mitmachen. Die Lateinamerikaner, durch die Entwicklungshilfe der „deutschen Kirche“ angekränkelt und durch Jahrzehnte des befreiungstheologischen Unwesens unterminiert, standen in Rom zu Bergoglio, aber die Nordamerikaner, die den Kampf zur Familie mit der Politik gewohnt sind, und die Afrikaner und der Großteil der Asiaten, die eine gesunde Haltung zum Thema haben, widersetzten sich energisch dem Papst.
Eine Sonderrolle in Europa kommt noch der polnischen Kirche zu, das hat vor allem inhaltliche Gründe. Es geht aber auch darum, daß die Polen mit Empörung in Bergoglio einen Anti-Wojtyla sehen, dessen Verhältnis zur Marxismus ziemlich ungeklärt sei. In diesen Tagen jährt sich der 30. Todestag des von den Kommunisten entführten und ermordeten polnischen Priesters Jerzy Popieluszko. In Polen registrieren die Katholiken sensibel, daß ihnen heute die ehemaligen Kommunisten Sätze von Papst Franziskus entgegenhalten, um ihre Gender-Agenda, Abtreibung, „Homo-Ehe“ bis zur Legalisierung des Inzests zu vertreten.
Unbehagen schwelte schon seit Monaten unter der Oberfläche
Die Explosion des Widerstandes während der Bischofssynode signalisiert, daß bereits in den Monaten zuvor unterschwellig in hohen Kirchenkreisen ein starkes Unbehagen über dieses Pontifikat geherrscht haben muß. Ein Grund dafür ist die schwer erträgliche Spannung zwischen einer vor den Kameras zur Schau gestellten Kollegialität und Demut, während sein tatsächliches Kirchenregiment tyrannische Züge trägt. Das betrifft aber nicht nur die Römische Kurie. Die Demütigungen etwa des Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, indem Franziskus ohne jede Rücksprache einen neuen Stellvertreter und einen neuen Generalsekretär ernannte, oder des US-Episkopats durch die jüngst erfolgte Ernennung eines progressiven Außenseiters auf einen der wichtigsten Bischofsstühle der USA in Chicago, werden in den Ländern aufmerksam registriert. Hinzu kommen noch willkürliche Absetzungen ohne reguläre Verfahren, die den Gedemütigten nicht die geringste Chance lassen, sich zu rechtfertigen. Jüngstes Beispiel ist der abgesetzte Bischof Rogelio Livieres von Ciudad del Este, der vom Papst ohne jede Begründung in die Wüste geschickt wurde. Obwohl nach Rom zitiert und um eine Audienz bittend, verweigerte der Papst jedes Gespräch.
Bergoglio „ein gerissener Jesuit, der nicht einfach das Feld räumt“ – Papsttirade nach Synodendebakel
„Papst Bergoglio ist ein kämpfender und gerissener Jesuit, der im Gegensatz zu Benedikt XVI. nicht einfach das Feld räumen wird“, so Messa in Latino. Das zeigte bereits seine Abschlußansprache zur Synode, in der er von „Momenten der Trostlosigkeit, der Spannung und der Versuchungen“ sprach. Wann je wurde in den vergangenen Jahrhunderten der jüngeren Kirchengeschichte solche Töne im Zusammenhang mit einer Kirchenversammlung gebraucht?
Der Papst beklagte in seiner Abschlußrede der Bischofssynode am vergangenen 18. Oktober eine „ablehnende Verhärtung“ und daß man sich „nicht von Gott überraschen lassen“ wolle, „vom Gott der Überraschungen“. Dann beschimpfte er die Synodenväter, die sich den Bergoglianischen „Überraschungen“ verweigerten, als „Eiferer, Skrupulanten, Betuliche und sogenannte Traditionalisten und Intellektualisten“.
„Bischof von Rom“ entdeckt plötzlich Papst zu sein und erinnert, wer das Kommando hat
In derselben Rede entdeckte Franziskus plötzlich, nicht nur der Bischof von Rom zu sein, als den er sich ansonsten demonstrativ bezeichnet, sondern der Papst. Er machte plötzlich auf seine Vorrechte als „oberster Hirte und Lehrer aller Gläubigen“ aufmerksam, der mit der „obersten ordentlichen Vollmacht in der Weltkirche“ ausgestattet sei. Eine deutliche Botschaft, um daran zu erinnern, wer das Kommando hat.
In seiner Predigt zur keineswegs unumstrittenen Seligsprechung von Papst Paul VI. sagte er dann nicht zufällig: „An diesem Tag der Seligsprechung von Papst Paul VI. kommen mir seine Worte in den Sinn, mit denen er die Bischofssynode errichtete: ‚Die Zeichen der Zeit aufmerksam durchforschend, [suchen wir,] die Wege und Methoden […] den wachsenden Notwendigkeiten unserer Tage sowie den veränderten Verhältnissen der Gesellschaft anzupassen‘ (Apost. Schreiben Motu proprio Apostolica sollicitudo).“
Der „vorzeitige Herbst“ eines Pontifikats, das seine „Oktoberrevolution“ nicht voranbringt
Nichtsdestotrotz ist auch in ihm wohlgesonnenen Kommentaren wie der Huffington Post die Rede von „einem vorzeitigen Herbst einer Leadership, der es nicht gelingt, ihre Oktoberrevolution voranzubringen“. Hat der Abgesang dieses Pontifikats bereits begonnen?
Soviel steht fest: Papst Franziskus hat seinen Nimbus des Strahlemanns verloren. Auch seine Bäume wachsen nicht in den sprichwörtlichen Himmel. Die kirchenferne Presse wird ihn weiter zu stützen versuchen und über Konservative schimpfen, die gegen den Papst intrigieren. Es wird weiterhin Millionen Menschen geben, die in Extase geraten, weil ihnen der Papst ein flapsiges „Mahlzeit“ sagt. In der Kirche scheinen sich jedoch immer mehr Gläubige und auch Entscheidungsträger bewußt zu werden, daß die Kirche mit diesem Papst keinen Staat machen kann.
Impeachment oder „Lahme Ente“?
„Papst Franziskus hat nun auch seinen Fall Williamson, der für Benedikt XVI. die offene Rebellion weiter Kirchenteile zur Folge hatte“, so Messa in Latino. Bei Franziskus geht es nicht um eine Person, sondern eine Versammlung, die zum Stolperstein wird und dieses Pontifikat auf den Boden der Realität zurückholt, wie immer Papst Bergoglio nun auch darauf reagieren wird, eventuell sogar mit einem noch frenetischeren Aktivismus.
Vielleicht noch einmal zur Beschreibung der Situation eine Anleihe aus der großen Politik: Wäre Papst Franziskus US-Präsident würde ihm im schlimmeren Fall ein Impeachment, ein Amtsenthebungsverfahren drohen, im besseren Fall wäre er den Rest seiner verbleibenden Amtszeit ein Lame Duck, eine „Lahme Ente“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: InfoVaticana