(Rom/Econe) Das Treffen zwischen der gesamten Spitze der Glaubenskongregation und dem Generaloberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. sorgt in traditionsnahen Kreisen für Diskussionen. Nach dem mit dem Amtsverzicht Benedikts XVI. eingetretenen Stillstand, konnte nicht unbedingt mit einer solchen Wiederaufnahme der Gespräche gerechnet werden. Es gibt ganz unterschiedliche Stimme von vorsichtiger Zuversicht bis erschrockener Ablehnung der neuen Gespräche.
Ein Kommentar von Giuseppe Nardi
Kann derselbe Papst, der die Franziskaner der Immakulata unter kommissarische Kasteiung stellt, überhaupt Gespräche mit der Piusbruderschaft wollen? Vielleicht eine weitere jener päpstlichen Kapriolen das Gegenteil des Gegenteils zu signalisieren ohne sich dingfest machen zu lassen? Doch der Apostolische Kommissar Pater Fidenzio Volpi, der unter den Brüdern der Franziskaner der Immakulata wütet, ist real. Real ist aber auch die soeben erfolgte Wiederaufnahme der Gespräche zwischen Rom und Econe. Der Versuch einer aktuellen Bestandsaufnahme, die nur ein Diskussionsbeitrag sein möchte.
Will Papst Franziskus die „Versöhnung“ mit der Piusbruderschaft?
Wenn Papst Franziskus nicht die Versöhnung (der Begriff ist mißverständlich, wird aber offiziell gebraucht) zwischen Rom und der Priesterbruderschaft St. Pius X. wollte, hätte es kein Kirchenvertreter gewagt, Msgr. Bernard Fellay in den Vatikan einzuladen. Auch nicht Kardinal Gerhard Müller. Manche würden sagen, „schon gar nicht“ Kardinal Müller, der durch seine „Freundlichkeiten“ als Bischof von Regensburg der Piusbruderschaft im Zusammenhang mit dem Herz-Jesu-Priesterseminar Zaitzkofen ziemlich negativ in Erinnerung ist. Der Papst wußte genau, daß am 23. September der Schweizer Bischof nach Rom kommen würde. Aus diesem Grund ließ er wenige Tage vorher Kurienerzbischof Guido Pozzo, den Sekretär der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei zu sich rufen, um sich über den Stand der Dinge informieren zu lassen und um Richtlinien für die Verhandlungen mit den „Lefebvrianern“ vorzugeben. Es ist also davon auszugehen, daß der Papst diese Versöhnung zumindest technisch will und die Bedingungen für eine solche vorgegeben hat. Und wenn Franziskus etwas will, wagt im Vatikan, anders als gegenüber seinem Vorgänger, kaum ein Prälat, ihm Prügel zwischen die Beine zu werfen.
Wie sieht also die aktuelle Lage aus? Die Vorarbeit war bereits von Papst Benedikt XVI. und seinen engsten Mitarbeitern geleistet, doch der feingliedrige Papst konnte sich gegen Widerstände nicht durchsetzen, die bei der Vollversammlung der Glaubenskongregation im Mai 2012 in aller Härte sichtbar wurden und war gleichzeitig zu einem letzten Sprung über den eigenen Schatten nicht imstande. Das Scheitern der Operation „Versöhnung“ scheint ihn stattdessen in seinen Rücktrittsabsichten bestärkt zu haben.
Das Angebot einer Personalprälatur St. Pius X. steht weiterhin
Auch heute hält Rom an seiner technischen Vorgabe fest, der Piusbruderschaft den Status einer Personalprälatur für die Gläubigen des Alten Ritus zu verleihen. Ganz anders sieht das die Piusbruderschaft. Die gescheiterten Gespräche von 2012 im Hinterkopf scheint man dort eine tolerierte Anerkennung, gewissermaßen eine Art „Toleranzpatent“ zu bevorzugen. Mit anderen Worten: eine Erklärung des Heiligen Stuhls, mit der offiziell das Recht aller Priester der Bruderschaft anerkannt wird, gültig und rechtmäßig in der Katholischen Kirche ihr Priestertum ausüben und die Sakramente spenden zu können. Für den Rest, auch der Zuerkennung eines spezifischen kanonischen Status, scheint man in der Piusbruderschaft lieber auf bessere Zeiten zu warten, um eine vollständige Einheit zu erreichen.
In diesem Zusammenhang wird in diesen Tagen häufig auf die Franziskaner der Immakulata verwiesen. Der Orden steht seit Juli 2013, also nur wenige Monate nach der Wahl von Papst Franziskus, unter kommissarischer Verwaltung. Ein solches Schicksal, befürchten nicht wenige, drohe auch der Piusbruderschaft, sobald sie kanonisch anerkannt wäre. Andere widersprechen und verweisen darauf, daß keine Ecclesia-Dei-Gemeinschaft unter Papst Franziskus durch Rom eingeschränkt wurde.
Und das abschreckende Beispiel der Franziskaner der Immakulata?
Tatsächlich stellen die Franziskaner der Immakulata einen Sonderfall dar und zwar einen überaus positiven, der sich inzwischen durch äußeren Eingriff ins Gegenteil verkehrt hat. Kirchenkreise, die mit der Alten Messe und der Tradition wenig anzufangen wissen, diesen vielmehr mit ideologischem (die Wortwahl erfolgt gezielt, mit Blick auf entsprechende päpstliche Anspielungen) Vorbehalt gegenüberstehen, können – in Gottes Namen – damit leben, daß es in der Kirche auch einen „Schrebergarten“ der „Traditionalisten“ gibt. Der „Schrebergarten“ nennt sich Ecclesia Dei.
Der unverzeihliche „Sündenfall“ der Franziskaner der Immakulata bestand darin, daß sie eben nicht Teil dieses „Schrebergartens“ waren, sondern 1990 als ganz „normaler“ Orden des Neuen Ritus anerkannt wurden. Erst in einem schrittweisen Reifungsprozeß und unter Papst Benedikt XVI. entdeckte der Orden den überlieferten Ritus und machte ihn sich zu eigen. Ebenso vertiefte er sich immer mehr in die Tradition. Der Orden war schließlich in der Seelsorge perfekt birituell und konnte nach Erlaß des Motu proprio Summorum Pontificum von jedem Bischof in der Pfarrseelsorge eingesetzt werden. Eine Möglichkeit, die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften verwehrt bleibt. Die Brüder setzten nahtlos den NOM fort, ergänzten ihn jedoch um den VOM. Die gesamte Seelsorge veränderte sich damit natürlich, aber ohne einen nach außen sichtbaren Bruch. Intern wechselte der Orden ganz zum überlieferten Ritus. Damit waren die Franziskaner der Immakulata von einem neurituellen zu einem altrituellen Orden geworden, ohne in den „Schrebergarten“ gepreßt und damit in den Diözesen marginalisiert zu sein.
Der „Sonderfall“ einer anderen Entstehungsgeschichte
Ganz im Gegenteil: Durch das geradezu aufsehenerregende Wachstum und die Anziehungskraft des Ordens, der nicht zuletzt seiner Strenge und Treue zur überlieferten Lehre der Kirche und dem Alten Ritus geschuldet war, entwickelte er sich – ganz ungewollt – zu einem ganz neuen Modell für die neurituellen Orden der Katholischen Kirche. Viele Orden leiden unter der geistigen Schwachheit der westlich geprägten Ordensleitungen und stöhnen unter Nachwuchsmangel. Mit den Franziskanern der Immakulata gab es plötzlich das neue Modell eines neurituellen Ordens, der durch die Wiederentdeckung der Tradition und des überlieferten Ritus, bei Beibehaltung der birituellen Seelsorge inmitten der europäischen Ordenswüste eine Blüte erlebte, sowohl im männlichen als auch im weiblichen Zweig. Junge Ordensangehörige anderer Orden begannen sich für dieses Modell zu interessieren. Eine „Ansteckungsgefahr“ anderer neuritueller Orden durch dieses Modell war nicht von der Hand zu weisen und machte in anderen Orden und auch in der Ordenskongregation nervös. Das eigene Kirchen- und Ordensverständnis oft eines ganzen Ordenslebens wurde bedroht.
Aktive Rolle der Franziskaner der Immakulata – passive Rolle der Ecclesia Dei-Gemeinschaften
Zudem nahmen die Franziskaner der Immakulata, den neurituellen Umgang gewohnt, auch weiterhin aktiv an der innerkirchlichen Diskussion teil, nur inzwischen mit einer ganz anderen Ausrichtung. Während die eingeschreberten Ecclesia-Dei-Gemeinschaften nach innen wirken, aber nach außen kaum sichtbar werden, sich nicht durch Publikationen, auf Tagungen und in kirchlichen Gremien mit der jüngsten Kirchengeschichte befassen, nicht in die Diskussion um die Hermeneutik des Zweiten Vatikanischen Konzils eingreifen und publizistisch zur Kirchenkrise nicht tätig werden, taten die Franziskaner der Immakulata all das, erregten Aufsehen und wurden nicht nur progressiven Prälaten ein Ärgernis. Sie wagten nämlich mit erstaunlicher Leichtigkeit, ja geradezu gläubiger, kindlicher Naivität einen Tabubruch ersten Ranges: Sie wagten Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil und das in manchen Punkten ganz grundsätzlich. Ihnen war ja weder ein „Maulkorb“ umgehängt worden, noch standen sie unter Beobachtung wie die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften. Vor allem wußten sie das Wohlwollen von Papst Benedikt XVI. zu genießen.
Was unter Benedikt XVI. die Stärke der Franziskaner der Immakulata war, nicht in Ecclesia Dei marginalisiert zu sein, sondern mitten in der Kirche zu stehen und der Ordenskongregation zu unterstehen, wurde unter Papst Franziskus zum Fluch. Die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften sind im genannten „Schrebergarten“ isoliert, aber geschützt. Die Franziskaner der Immakulata hatten unter den gänzlich veränderten Vorzeichen nicht den Schutz von Ecclesia Dei, sondern waren plötzlich schutzlos der Ordenskongregation ausgeliefert. Auf den schnellen Aufstieg folgte ein jäher Absturz oder anders ausgedrückt ein Lehrbeispiel, wie man einen blühenden Orden zerschlagen kann.
Der Ordenskongregation waren nicht einmal die Franziskaner der Immakulata selbst oder der Alte Ritus für sich genommen sosehr ein Dorn im Auge, sondern ihr „Modell“. Sie hielten durch ihre bloße blühende Existenz allen anderen Orden einen Spiegel vor, den Spiegel der Ordens- und Berufungskrise und zeigten ihnen gleichzeitig den Ausweg auf. Um es mit aller Härte zu sagen: Da man sich in den sterbenden Orden nicht ändern will, muß der Spiegel zerschlagen werden. Das aber war unter Benedikt XVI. nicht möglich. Kaum aber war Papst Franziskus gewählt, standen die „Zertrümmerer“ bereits mit dem fertigen Maßnahmenkatalog bei ihm auf der Matte und erhielten seinen „Segen“.
Papst Franziskus und die „alten Zöpfe“
Damit kehren wir zur Piusbruderschaft zurück. Papst Franziskus, seine bisherigen Aussagen und Gesten sprechen eine deutliche Sprache, gehört zu jenem großen Kreis von 68er Prälaten, für die der überlieferte Ritus und die Tradition „alte Zöpfe“ sind, die man bereits vor Jahrzehnten in einer Aufbruchstimmung zu einem „neuen Pfingsten“ begeistert abgeschnitten hatte. Um so unverständlicher steht heute eine in die Jahre gekommene Generation, zu der auch der Papst gehört, dem Phänomen gegenüber, daß junge Katholiken sich für den Alten Ritus und die überlieferte Glaubenslehre interessieren. In einem solchen Denkmuster haben Orden wie die Franziskaner der Immakulata keinen Platz, sondern werden wegen ihres missionarischen Eifers sogar als Bedrohung eines ganzen Welt- und Kirchenbildes empfunden.
Anders steht es mit den Ecclesia-Dei-Gemeinschaften. Man mag sie nicht, hält sie für rückwärtsgewandte Nostalgiker oder „Ideologen“, um bei einer päpstlichen „Liebenswürdigkeit“ zu bleiben. Man hat nicht wirklich Verständnis für sie, doch in den 26 Jahren seit der Errichtung von Ecclesia Dei hat man sich mit ihrer Existenz abgefunden. Das fällt umso leichter als man in den Diözesen feststellen konnte, daß man die Mittel hatte, diese „Gott sei mit uns“ ausreichend einzuengen, so daß sie nicht imstande waren, in den Diözesen und der Gesamtkirche eine Kursänderung herbeizuführen. Die „Bedrohung“ scheint ausreichend unter Kontrolle, weil man den Ecclesia-Dei-Gemeinschaften in den Diözesen den missionarischen Eifer abgekauft hat, sofern sie ihn je hatten. In den Diözesen heißt es ganz unabhängig von dem, was Rom sagt: Achtung, ihr seid nur geduldet, verhaltet euch daher ruhig, auf daß ihr die Progressiven in den Diözesen nicht zu sehr auf euch aufmerksam macht oder gar ärgert, sonst müßt ihr die Diözese verlassen. Der Koffer muß gewissermaßen, bis auf wenige Ausnahmediözesen, immer bereitstehen.
Erst unter Benedikt XVI. wurde die Sache akuter, weil es diesem mit dem Motu proprio Summorum Pontificum gelungen war, allein durch sein Wohlwollen in aufgeschlossenen neurituellen Kreisen Interesse für das bisherige Tabuthema Tradition zu wecken. Die dadurch angestoßene Annäherung an den Alten Ritus betraf ja nicht nur die Franziskaner der Immakulata. Doch das Pontifikat Benedikts XVI. war zu kurz – und manche hatten alles Interesse, es kurz zu halten – um diesen in Gang gesetzten evolutionären Prozeß sich wirklich entfalten zu lassen. Vor allem findet er im neuen Pontifikat keine Fortsetzung.
Schrebergartenlösung ohne Kommissar Volpi für Papst denkbar
Papst Franziskus kann also mit der Schrebergartenlösung leben. Das bietet ihm zudem die Möglichkeit Toleranz zu beweisen. Der Alte Ritus und die Tradition können leben, aber in einem klar umgrenzten Gehege möglichst weit ab vom Hauptgehege. Der Vergleich zum Indianerreservat oder einer Art südafrikanischem Homeland ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Piusbruderschaft ist wie eine aus Rom vertriebene Legion, die nun jenseits des Limes im „Barbarenland“ auf die Rückkehr in die Heimat wartet. Das alte Rom war, je nach Interessenlage, recht großzügig mit der Gewährung von Foederatenverträgen und der Zuweisung von Siedlungsland für eine geschlossene Ansiedlung. Bietet Rom einen Foederatenvertrag an?
Der Status einer Personalprälatur würde die Piusbruderschaft der Ordenskongregation entziehen. Die Frage in diesem Zusammenhang wäre dann eher, was dann mit Ecclesia Dei und deren Gemeinschaften geschieht. Ob als Personalprälatur oder auch als Ecclesia-Dei-Gemeinschaft droht der Piusbruderschaft derzeit aber keine Gefahr wie den Franziskanern der Immakulata. Deren Schicksal gibt dem Generaloberen der Piusbruderschaft jedoch ein sehr plastisches Argument gegenüber Rom in die Hand, um eine Umarmung dankend abzulehnen. Der Hinweis auf die brutale Absetzung des Gründers und Ordensgenerals Pater Manelli und das Wüten des Apostolischen Kommissars Pater Fidenzio Volpi muß derzeit die römischen Gesprächspartner Fellays ihm gegenüber in sichtliche Verlegenheit bringen. Das „Kommt in die Falle, damit wir euch hauen können“, funktioniert mit Sicherheit nicht. Sollte eine solche Chance je bestanden haben, hat sie sich Rom durch Kommissar Volpi vertan. Schließlich gaben Volpi und der Sekretär der Ordenskongregation, Kurienerzbischof Pater José Rodràguez Carballo OFM zu verstehen, daß sie die Franziskaner der Immakulata für „krypto-lefebvrianisch“ halten. Wie also würden sie sich erst gegenüber echten „Lefebvrianern“ verhalten? Aber, und hier liegt der springende Unterschied: Einen von der Ordenskongregation entsandten Kommissar Volpi kann es gegenüber einer Ecclesia-Dei-Gemeinschaft nicht geben, weil diese nicht der Ordenskongregration unterstehen.
Piusbruderschaft mit „Toleranzpatent“ zufrieden?
Dennoch scheint man in Menzingen sehr zurückhaltend geworden zu sein. Ein zweites Mal möchte man dort nicht die Überraschung von Juni 2012 erleben, etwas vereinbart geglaubt zu haben, um dann etwas ganz anderes vorgesetzt zu bekommen. Eine Personalprälatur oder Ecclesia-Dei-Gemeinschaft mag nicht der Ordenskongregation unterstehen, doch kein offiziell anerkannter kanonischer Status, sondern ein bloßes, aber offizielles Tolerieren der Piusbruderschaft durch Rom scheint den Piusbrüdern derzeit noch sicherer zu sein. Einem Institut ohne offiziellen kanonischen Status kann kein Kommissar Volpi geschickt werden.
Die Frage ist, wie Rom, besser gesagt, wie die Ordenskongregation auf die Wiederaufnahme der Gespräche mit der Piusbruderschaft reagiert. Es darf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, daß Bischof Fellay direkt oder indirekt in Rom zu verstehen gegeben hat, daß in der Piusbruderschaft nicht die geringste Absicht besteht, wie die Franziskaner der Immakulata zu enden.
Bleibt Franziskanerinnen der Immakulata Kommissarin erspart?
Wird man Kommissar Volpi nach vierzehn Monaten des Wütens also zurückpfeifen? Vielleicht sogar Erleichterungen gewähren, um das abschreckende Beispiel abzuschwächen, das zwangsläufig wie ein Menetekel über den Gesprächen zwischen Rom und Econe lastet? Eine Abberufung von Kommissar Volpi scheint derzeit undenkbar. Allerdings könnte der Würgegriff gelockert werden. Auch bei den Franziskanerinnen der Immakulata, die derzeit „peinlich“ visitiert und in diesem Zusammenhang beschuldigt werden, die Brüder im „krypto-lefebvrianischen“ Sinn aufgehetzt und erst dadurch die kommissarische Verwaltung provoziert zu haben.
Immerhin scheint es derzeit zumindest unwahrscheinlich, daß bei den Franziskanerinnen der Immakulata aus der Apostolischen Visitatorin auch eine Kommissarin wird. In Rom weiß man sehr gut, daß es nicht möglich ist, gleichzeitig vom Palazzo delle Congregazioni aus kommissarisch diese franziskanische Ordensfamilie zu schlagen und im Palazzo del Sant’Uffizio mit der Piusbruderschaft zu verhandeln. Schon gar nicht könnte man die geistlichen Söhne von Erzbischof Marcel Lefebvre davon überzeugen, doch den kanonischen Status einer Personalprälatur zu akzeptieren, statt einer bloßen Toleranzanerkennung.
Eine brennende Frage zum Schluß
Abschließend bleibt die brennende Frage im Raum, und dies unabhängig von der Piusbruderschaft, wie es den Gemeinschaften der Tradition gelingen kann, aus dem ihnen zugewiesenen Reservat auszubrechen, um tatsächlich auf die Gesamtkirche auszustrahlen. Das Beispiel der Franziskaner der Immakulata, die einen solchen neuen Weg unter Benedikt XVI. in unverdrossener Naivität – besser gesagt: mit Gottvertrauen – aufgetan hatten, scheint vorerst gescheitert. Klugheit im Sinne des Herrenwortes ist geboten. Polterndes mit dem Kopf durch die Wand gehen wollen, kann keine Option sein. Eine Antwort muß derzeit offenbleiben, sollte aber von allen Beteiligten gesucht werden. Der zugewiesene Schrebergarten ist historischen Umständen geschuldet, er darf aber nicht auf die Mentalität übergehen. Die Errichtung von Personalpfarreien mit dem territorialen Geltungsbereich für ganze Diözesen und die Förderung von Priesterberufungen (angesichts leerer Diözesanseminarien) sind zwei Instrumente, die vielversprechende Voraussetzungen schaffen können. Eine ganz andere Frage sind Apostolat und Mission außerhalb des bereits vorhandenen Kreises. In welcher Form ist ein Ausstrahlen in die Welt hinein möglich, um jene zu erreichen, die Christen sind, die Tradition aber nicht kennen, und um die wachsende Schar jener zu erreichen, die nicht glauben? Da die Gemeinschaften der Tradition aus einem innerkirchlichen Konflikt entstanden sind, stellt der missionarische Aspekt eine Art Geburtsdefizit dar, das möglichst rasch zum Wohl der Kirche überwunden werden sollte.
Bild: Una Fides