(Rom) Gab es im Vorfeld des Konklave Abmachungen zur Wahl von Jorge Mario Bergoglio? Mußte der heutige Papst von Kardinälen Bedingungen akzeptieren, um seine Wahl zu sichern? Wurden Papst Franziskus im Präkonklave Auflagen für sein Pontifikat gemacht?
Abmachungen zur Wahl eines Papstes sind illegal und ungültig. Die Praxis gilt seit langem. Seit mehr als einem Jahrhundert ist das Verbot ausdrücklich festgeschrieben. Es war der heilige Papst Pius X., der die Notwendigkeit dafür sah, nachdem es bei seiner Wahl zu externer Einmischung in die Papstwahl gekommen war.
Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus, meint der Vatikanist Sandro Magister und wirft eine dramatische Frage auf. Ansatzweise liegt diese bereits seit dem jüngsten Konklave in der Luft. Genauer gesagt, seit Kardinal Walter Kasper im Vorfeld des Konklaves bestimmte Äußerungen tätigte (siehe Bericht Die Warnung an Benedikt XVI. von einem … Kasper – Anti-Ratzinger-Pontifikat in Planung).
Die Zwischentitel stammen von der Redaktion.
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„Ich tue das, was die Kardinäle gewünscht haben“
von Sandro Magister
„Die wahlberechtigten Kardinäle müssen sich außerdem jeder Form von Verhandlungen, Verträgen, Versprechen oder sonstiger Verpflichtungen jeder Art enthalten, die sie binden können, einem oder einigen die Stimme zu geben oder zu verweigern. Käme es tatsächlich dazu, so erkläre ich eine solche Bindung für nichtig und ungültig, auch wenn sie unter Eid eingegangen worden wäre.“
So ist es in der geltenden Apostolischen Konstitution Universi Dominici Gregis von Papst Johannes Paul II. von 1996 „über die Vakanz des Apostolischen Stuhles und die Wahl des Papstes von Rom“ festgelegt.
„Wahlkapitulationen“ verboten und nichtig
Historisch werden Wahlabsprachen als „Kapitulationen“ oder „Wahlkapitulationen“ bezeichnet, wenn versucht wird, die Stimmabgabe für einen bestimmten Kandidaten mit Gegenleistungen zu verknüpfen, die im konkreten Fall den künftigen Papst zu bestimmten Handlungen und Haltungen verpflichten und damit seinen Entscheidungsspielraum einschränken.
Soweit bekannt dürfte der erste solchermaßen „kapitulierte“ Papst 1352 gewählt worden sein, als in Avignon Innozenz VI. aus dem Konklave hervorging, der allerdings, kaum gewählt, alle Abmachungen für ungültig erklärte.
In der Tat geschah es mehrfach, daß Päpste nach ihrer Wahl, die mit ihren früheren Kardinalskollegen getroffenen Vereinbarungen leugnen oder für null und nichtig erklärten.
Die Vereinbarungen verpflichteten den Gewählten zum Teil Maßnahmen zum tatsächlichen Wohl der Kirche zu treffen. In anderen Fällen ging es dabei mehr um persönliche Interessen oder Vorteile für bestimmte Gruppen. Aus diesem Grund kam man schließlich soweit, sie offiziell zu verbieten.
Das offizielle Verbot trat mit den neuen Bestimmungen zur Durchführung des Konklave in Kraft, die von einem heiligen Papst, Pius X. mit der Apostolischen Konstitution Vacante Sede Apostolica von 1904 erlassen wurden:
„Cardinales praeterea abstineant ab omnibus pactionibus, conventionibus, promissionibus aliisque quibuscumque obligationibus, quibus adstringi possint ad suffragium alicui vel aliquibus dandum vel non dandum; quae omnia et singula, si de facto intervenerint, etiam iureiurando adiecto, nulla et irrita, neque ad eorum observantiam quemquam teneri decernimus, et contra facientes ex nunc latae sententiae excommunicationis poena innodamus“ (Vacante Sede Apostolica, 95).
Diese Bestimmung wurde von allen nachfolgenden Dokumenten, die das Konklave betreffen, wiederholt und gilt bis zum heutigen Tag, wie die erwähnte Konstitution von Johannes Paul II. zeigt.
Eventuelle Kapitulationen, die vor oder während des Konklave vereinbart wurden, sind daher nicht nur verboten, weil unrechtmäßig, sondern auch praktisch unwirksam, weil der Gewählte verpflichtet ist, sie nicht einzuhalten, auch wenn er sie selbst vereinbart haben sollte.
Bedingung für Wahl Johannes XXIII. war Tardini als Kardinalstaatssekretär
Die Chroniken der Konklave der jüngsten Zeit wissen jedoch zu berichten, daß beim Konklave im Oktober 1958 einige Purpurträger der Römischen Kurie sich die Zusage geben ließen, daß im Falle der Wahl des Patriarchen von Venedig, Angelo Roncalli, dieser Msgr. Domenico Tardini zum Staatssekretär macht. Und so geschah es tatsächlich noch am Abend der Wahl von Johannes XXIII. [1] Msgr. Domenico Tardini trat mit 14. Dezember 1958 offiziell sein Amt als Staatssekretär an, am 15. Dezember wurde er von Johannes XXIII. zum Kardinal kreiert und am 27. Dezember zum Bischof geweiht.
„Kapitulierte“ Paul VI. vor deutschen Kardinälen?
Beim folgenden Konklave 1963, mitten im Zweiten Vatikanischen Konzil, sollen die mitteleuropäischen Kardinäle mit einer „Wahlkapitulation“ beschlossen haben, den Erzbischof von Mailand, Kardinal Giovanni Battista Montini zu kandidieren, die unter anderem die Fortsetzung des Konzils zum Inhalt hatte.
1978 erzählte man hingegen, daß Kardinal Giuseppe Siri dazu bewogen werden sollte, im Falle seiner Wahl zum Papst, seinen Gegenspieler im Konklave, Kardinal Giovanni Benelli zum Kardinalstaatssekretär ernennen zu müssen. Während man ebenso erzählte, daß der Patriarch von Venedig, Albino Luciani zum Papst gewählt würde, wie es dann tatsächlich geschah, wenn man die Garantie erhalte, daß er den gefürchteten Benelli nicht zum Staatssekretär ernennen würde. [2]Msgr. Benelli war 1967 von Papst Paul VI. zum Substitut des Kardinalstaatssekretärs, dann 1977 zum Erzbischof von Florenz ernannt und zum Kardinal erhoben worden.
Welche Bedingungen stellten Kardinäle vor dem Konklave?
Im Konklave das Jorge Mario Bergoglio wählte, soll es formal keine Vereinbarungen oder Eidesleistungen zwischen den Kardinälen gegeben haben.
Dennoch bekannte Papst Franziskus mehrfach, sich an einige Weisungen gebunden zu fühlen, die von Kardinälen im Laufe der Generalkongregationen im Präkonklave geäußert wurden.
So wiederholte er es auch jüngst deutlicher als sonst in einem Interview, das er Franca Giansoldati gab und das am 29. Juni in der Tageszeitung Il Messaggero veröffentlicht wurde. Darin sagte er:
„Beim Programm [zur Leitung der Kirche] folge ich dem, was die Kardinäle bei den Generalkongregationen vor dem Konklave gewünscht haben. Ich gehe in diese Richtung. Der Rat der acht Kardinäle, ein externen Organismus, stammt von dort. Er wurde gewünscht, um dabei zu helfen, die Kurie zu reformieren. Eine im übrigen nicht leichte Sache, weil man einen Schritt macht, aber sich dann herausstellt, daß man dies und jenes machen muß und wenn es vorher ein Dikasterium gab, sind es dann vier. Meine Entscheidungen sind das Ergebnis der Präkonklave-Treffen. Keine Sache habe ich alleine gemacht.“
Öffnete „demokratisch-synodaler Ansatz“ Weg für Bergoglio?
Auf die Frage, ob er darin einem „demokratischen Ansatz“ folgt, antwortete der Papst:
„Es waren Entscheidungen der Kardinäle. Ich weiß nicht, ob man von einem demokratischen Ansatz sprechen kann, ich würde mehr von einem synodalen sprechen, wenn dieses Wort für die Kardinäle auch nicht passend ist.“
Soweit, was Papst Bergoglio sagte. Der Form nach wird es keinen Kaptulierten oder keine Kapitulation, wie immer man es nennen will, gegeben haben. In der Substanz aber ist man nicht weit davon entfernt.
Der Rat der acht Kardinäle, den Franziskus gehorsamst errichtet hat, versammelt sich genau in diesen Tagen erneut im Vatikan.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo/Lettera47
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↑1 | Msgr. Domenico Tardini trat mit 14. Dezember 1958 offiziell sein Amt als Staatssekretär an, am 15. Dezember wurde er von Johannes XXIII. zum Kardinal kreiert und am 27. Dezember zum Bischof geweiht. |
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↑2 | Msgr. Benelli war 1967 von Papst Paul VI. zum Substitut des Kardinalstaatssekretärs, dann 1977 zum Erzbischof von Florenz ernannt und zum Kardinal erhoben worden. |