Professoren für Pastoraltheologie, speziell jenen deutscher Sprache, muß man leider regelmäßig sehr kritisch gegenübertreten, wenn man kompromißlos katholisch sein will. Eine Ausnahme ist hier Andreas Wollbold, Priester des Bistums Trier und Pastoraltheologe in München. In seinem jüngsten Buch „Licht für meine Pfade. Das christliche Leben neu wagen“ wartet Wollbold nicht mit modischen Neuerungen auf, wie der Titel vielleicht vermuten ließe. Stattdessen will er die traditionelle, wahrhaft christliche Moral wieder ausgraben, denn sie sei, so der Autor, „wie versteckt unter einem Haufen Erde, Schlamm und Gestrüpp – ganz wie Troja und Mykene, als Schliemann zum ersten Mal an diesen Stätten stand“. Nachdem Wollbold zunächst in „Die versunkene Kathedrale“ zum Ziel hatte, den christlichen Glauben neu entdecken, will er ein Jahr später mit „Licht für meine Pfade“ das christliche Leben neu wagen. Zwar gibt es einige Querverweise auf das erste Buch, doch kann man das zweite auch unabhängig davon lesen.
Zwei Teile umfaßt das neue Buch von Andreas Wollbold. Zuerst behandelt er auf etwas mehr als 100 Seiten die Zehn Gebote sowie die christliche Moral. Stellenweise lesen sich Passagen im ersten Teil wie ein Beichtspiegel, wobei natürlich, wie bei jedem guten Beichtspiegel, von Vollständigkeit keine Rede sein kann. Ausgehend vom Doppelgebot der Liebe lädt Wollbold seine Leser ein zu einer recht detaillierten Diskussion der Zehn Gebote, woran sich die Kirchengebote unmittelbar anschließen. Sodann geht es um die Unterscheidung von Todsünde und läßlicher Sünde –klar und deutlich heißt es hier: „Eine Todsünde ist die freiwillige Übertretung von Gottes Gebot in einer schwerwigenden Sache.“ Schließlich geht es noch um die Gnade, die Tugenden (speziell die Kardinaltugenden) und die sieben Hauptsünden. Letztere werden angereichert durch erhellende Zitate des großen Kirchenlehrers St. Robert Bellarmin.
Im zweiten Teil von „Licht für meine Pfade“ widmet sich der Autor den sieben Sakramenten, wobei Eucharistie, Priestertum und Ehe jeweils etwas ausführlicher behandelt werden. Doch auch das Kapitel zur Beichte umfaßt rund 20 Seiten. Wollbold stellt diesbezüglich die Widersprüchlichkeit des modernen Menschen heraus: „Es ist eigenartig: Kein Wort gebraucht man heute lieber als das Wörtchen ‚Ich‘: ‚Ich will, ich möchte, ich empfinde …‘ Der Ort aber, an dem ein Mensch am radikalsten ‚Ich‘ sagen könnte, bleibt of verwaist: der Beichtstuhl.“ In den drei Kapiteln zur Ehe geht es auch um ein Thema, das besonders bei jenen, die sich (vorgeblich) der Pastoral verschrieben haben, oft im Vordergrund steht – die sogenannte „Ehescheidung“ und die sich daran anschließende sogenannte „Wiederheirat“. Wollbold bleibt der Lehre der Kirche treu: „Wer nach einer Trennung eine neue Beziehung eingeht, lebt damit zumindest objektiv auf Dauer in einem Zustand schwerer Sünde, den er zudem auch gar nicht beheben will.“ In diesem Zusammenhang mach Wollbold auch Werbung für die Josefsehe, womit er, wie er selbst einräumt, „nicht gerade im Trend der Zeit“ liegt.
Kritikpunkte an „Licht für meine Pfade“ gibt es zwar, doch sind sie letztlich geringfügig. So schreibt Andreas Wollbold hinsichtlich des fünften Gebots, daß eine „anonyme Beerdigung“ sich für einen Christen verbiete, doch werden andererseits etwa die Kartäuser anonym bestattet. Insofern ist hier nicht ganz klar, wogegen der Autor sich ausspricht. Außerdem könnte man Wollbold eine zu große Ergebenheit dem modernen Staat gegenüber vorwerfen. Zum Gebot „Du sollst nicht stehlen!“ heißt es zum Beispiel, dass Steuerhinterziehung sündhaft sei. Es ist jedoch zu fragen, ob nicht vielmehr das Einziehen von Steuern (zu unterscheiden von Gebühren) durch den Staat Diebstahl ist. Ernstzunehmende und überzeugende Argumente lassen sich dafür ins Feld führen, wobei freilich nicht gilt, daß man als Christ keine moralische Pflicht zur Unterstützung Hilfsbedürftiger hat.
Andreas Wollbold hat sich in seinem Buch, und damit sind wir zum Abschluß wieder bei positiven Aspekten, als Meister der Analogie und des Vergleichs erwiesen, der immer wieder Beispiele aus dem täglichen Leben anzuführen weiß, um die Lehre der Kirche zu illustrieren. Angesichts des Vorwurfs, das kirchliche Gesetz enge die Menschen ein, entgegnet Wollbold etwa: „Das Gegenteil ist der Fall. Ist ein Autofahrer eingeengt, wenn er auf der Fahrbahn bleibt und nicht querfeldein vorwärtskommen will?“ Auch der unterschwelliger Humor ist in diesem Zusammenhang positiv hervorzuheben. Als Beispiel sei hier die Situation erwähnt, wonach, so Wollbold, sich Menschen leicht zu ihren Gunsten verschätzen und daher die Zehn Gebote als Hilfe haben: „Da stellen wir uns nach den Weihnachtswochen auf die Waage, und der Zeiger geht deutlich über die magische Grenze, von der ab es heißt: fasten! Aber wir sagen uns: ‚Ich habe ja noch meine Socken an. Also zwei Kilo abziehen, und ich bin wieder im grünen Bereich!‘“ Insgesamt ist „Licht für meine Pfade“ nicht nur etwas für „laue“ Christen, sondern auch für solche Leser geeignet, die sich auf dem Gebiet der Moral bereits gut auskennen, aber auf der Suche nach guten und einprägsamen Argumentationshilfen sind.
Licht für meine Pfade. Das christliche Leben neu wagen
272 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag
Text: M. Benedikt Buerger
Bild: Verlag