(Rom) Pünktlich zu Leiden, Kreuz und Auferstehung Jesu Christi hatten führende Medien über nichts Besseres zu berichten, als die Uraltgeschichte aufzuwärmen, Jesus sei verheiratet gewesen. Es war gewissermaßen ihre Form, zum Hochfest der Christenheit über Jesus zu berichten und ihn doch gleichzeitig relativieren zu können. Der ORF zeigte sich begeistert, die Tageszeitung Die Welt titelte: „Das ‚Evangelium von Jesu Frau‘ ist echt“. Andere Medien waren zurückhaltender, tappten aber letztlich aus Sensationsgründen in dieselbe Verleumdungsfalle.
Alte jüdische Verleumdungspropaganda, die sich verselbständigte
Daß Jesus verheiratet war, wegen sexueller Ausschweifungen als Thora-Schüler entlassen worden sei und überhaupt ein liederliches Leben geführt habe, ja mit Maria Magdalena, einer Prostituierten zusammenlebte und Kinder zeugte, ist Verleumdungspropaganda, die so alt ist, wie Jesu Verfolgung und Hinrichtung. Infame Lügen, die von denselben jüdischen Kreisen ausgingen, die ihn ans Kreuz brachten. Eine Propaganda, die sich im Kampf gegen die Ausbreitung des Christentums unter Juden, aber auch allgemein nach Bedarf weiterentwickeln ließ und die sich verselbständigte, wie die teilweise Übernahme durch den Islam belegt. Lügen, die seit zweitausend Jahren von unterschiedlichen Gegnern der Christen neu aufgewärmt und wiedergekäut werden, besonders in den vergangenen 150 Jahren.
Karen King, Gnosis-Expertin von Harvard mit Dan-Brown-Syndrom
Die Religionshistorikerin und Gnosis-Expertin Karen King von der Harvard Divinity School glaubt eine wissenschaftliche „Sensation“ entdeckt zu haben. Letztlich der Traum eines jeden Wissenschaftlers. Etwas anderes ist die Rezeption und die dahinterstehende kirchenfeindliche Motivation nicht weniger Medien. Zudem ist King bereits mehrfach durch sensationelle Schlagzeilen aufgefallen, indem sie in Dan Brown-Manier „Entdeckungen“ um Jesus und Maria Magdalena behauptete. Dazu gehören auch ihre „Studien“ zu einem ominösen Judasevangelium, das sich dann als Fälschung herausstellte.
Christian Askelands neue Studie: „Fälschung der vergangenen Jahre“
Die Fachwelt hatte bereits 2012 ablehnend reagiert, als King erstmals ihre „Entdeckung“ eines Fragments präsentierte (siehe ausführlichen Bericht Ein neues Kapitel des akademischen DanBrownismus: Die „Frau von Jesus“). Auch andere Wissenschaftler hatten seither Gelegenheit, den umstrittenen Papyrus zu untersuchen. Christian Askeland, von der Indiana Wesleyan University kam in seiner vergangene Woche veröffentlichten Studie zum Schluß, daß der Papyrus zwar alt, der darauf geschriebene Text aber nur wenige Jahre alt ist. Es handelt sich, mit anderen Worten, um eine Fälschung aus jüngster Zeit. Askeland datiert die Fälschung sogar nach dem Jahr 2000. Askeland hat sich in seiner Forschungsarbeit auf koptische Versionen des Johannesevangeliums spezialisiert. In einem Interview sagte er: „Der auf einem vor zwei Jahren entdeckten, aus dem 8. Jahrhundert nach Christi stammende Papyrus ist in Wirklichkeit das Werk eines Fälschers der vergangenen Jahre“.
Gefälschtes Fragment
Karen King bezeichnete Askelands Studie unterdessen als „legitim und interessant“. Askeland erbrachte dank eines Vergleichs mit einem anderen Fragment den Beweis, daß es sich beim „Evangelium von der Frau Jesu“ um eine Fälschung handelt. Auch das zweite Fragment, das Askeland heranzog, eine koptische Version des Johannesevangeliums war von Harvard zusammen mit dem umstrittenen Fragment erworben worden. Der Wissenschaftler hat nicht den geringsten Zweifel, daß es sich in beiden Fällen um Fälschungen handelt.
Der Text des Johannesevangeliums wurde teilweise aus einer Forschungsarbeit des Jahres 1924 kopiert, die in einer bestimmten koptischen Mundart (Lycopolitan) verfaßt wurde, die im 8. Jahrhundert, aus jener Zeit stammt der Papyrus, kein Schreiber mehr beherrschte, da die Mundart bereits mehrere Jahrhunderte ausgestorben war. Askeland stellte fest, daß beide Fragmente mit „größter Wahrscheinlichkeit“ von derselben Hand, mit derselben Tinte und demselben Schreibgerät geschrieben wurden und daher aus der Hand eines geübten Fälschers neuester Zeit stammen.
Alter Papyrus, moderner Text
Fälscher müssen ihre Texte auf einen alten Träger schreiben, wenn sie nur einigermaßen echt erscheinen wollen, so Askeland. Aus dem Grund nahm der Fälscher des umstrittenen Fragmentes ein Stück Papyrus, das mehr als 1.200 Jahre alt ist. „Damit sei es ihm ja auch gelungen, Wissenschaftler von Harvard, einer der renommiertesten Universitäten der USA zu täuschen“, so Askeland. Der Papyrus ist echt und alt, nicht aber der Text darauf. Der Text auf beiden Fragmenten wurde mit einer besonderen Tintenmischung geschrieben, mit der sogar eine Reihe von Tests zur Altersdatierung ausgetrickst werden konnten. Um das Fragment des Johannesevangeliums zu schreiben, nahm der Fälscher, so Askeland, eine Studie aus dem Jahr 1924 zur Hand, die seit wenigen Jahren als PDF im Internet abrufbar ist.
Depuydt: Fälschung mit ungewollt „komischem Effekt“
Bereits vor Askeland zeigte sich die Fachwelt skeptisch gegenüber Kings Entdeckung. Grund dafür waren unter anderem Grammatikfehler, weiters daß es sich um eine Kopie des apokryphen Thomasevangeliums zu handeln schien, aber auch wegen der Großbuchstaben, die genau an der umstrittenen Stelle gebraucht wurden. Der Religionswissenschafter der Brown University, Leo Depuydt schrieb in seinem ebenfalls in der Harvard Theological Review veröffentlichten Aufsatz, daß die Großbuchstaben geradezu einen ungewollt „komischen Effekt“ hätten. Es sei gerade so, als würde Jesus eigens zum Leser sagen: „Meine Frau: ja, ich habe gesagt: meine Frau, ihr habt schon richtig gehört!“ Depuydt kam zum Schluß, daß das umstrittene Fragment wohl „für einen Sketch von Monty Python gutgehen mag“, aber nicht für eine wissenschaftliche Arbeit.
Aber solche Informationen und Richtigstellungen dringen bis zu bestimmten Medien nicht mehr durch. Eventuelle, antichristliche Verwirrung in den Köpfen der Leser wird billigend in Kauf genommen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi