(Rom) Papst Franziskus empfing am Vormittag den Klerus der Diözese Rom in der Großen Audienzhalle Pauls VI. im Vatikan. Am Beginn der Fastenzeit sprach der Papst darüber, wie der Priester als „guter Hirte“ sein soll: weder lax noch rigoros, weder gleichgültig noch unerbittlich. Franziskus sagte, daß nun „in der ganzen Kirche die Zeit der Barmherzigkeit“ gekommen sei. Die italienische Redaktion von Radio Vatikan veröffentlichte eine Zusammenfassung. Hier einige Auszüge:
Der „keimfreie, sterile, schöne“ Priester nütze der Kirche nichts
„Die ‚keimfreien‘ Priester, ich erlaube mir das Wort, jene Sterile wie im Labor, ganz sauber, ganz schön, helfen der Kirche nicht! Die Kirche können wir heute als ‚Feldlazarett‘ sehen. Entschuldigt, wenn ich es wiederhole, aber ich es sehe es so, ich fühle es so: ein ‚Feldlazarett‘. Es besteht die Notwendigkeit, die Wunden zu heilen, viele Wunden! Viele Wunden! Viele Menschen sind verwundet, durch materielle Probleme, durch Skandale, auch in der Kirche … Menschen verletzt durch die Illusionen der Welt … Wir Priester müssen ihnen nahe sein, diesen Menschen nahe sein. Barmherzigkeit bedeutet vor allem die Wunden heilen.“
Wenn einer verletzt ist, dann „braucht er sofort das und nicht Analysen“, „dann wird man die Sonderbehandlungen machen, aber zuerst muß man die offenen Wunden heilen“. Zudem gebe es auch „verborgene Wunden“ und Menschen, „sie sich entfernen, um die Wunden nicht sehen zu lassen“. „Sie entfernen sich vielleicht mit einem mißgestimmten Gesicht gegen die Kirche, aber im Grunde, drinnen ist die Wunde … sie wollen eine Zärtlichkeit!“ An die Priester gerichtet, stellte er die Frage: „Kennt Ihr die Wunden Eurer Pfarrangehörigen? Erahnt Ihr sie? Seid Ihr ihnen nahe?
Bußsakrament
„Es passiert uns Priestern häufig, die Erfahrung unserer Gläubigen zu hören, die uns erzählen, bei der Beichte einen ‘engen’ Priester getroffen zu haben, oder einen sehr ‚weiten‘, einen gleichgültigen oder einen unerbittlichen. Das ist nicht in Ordnung. Daß es zwischen den Beichtvätern Unterschiede im Stil gibt, ist normal, aber diese Unterschiede dürfen nicht die Substanz betreffen, das heißt die gesunde Morallehre und die Barmherzigkeit. Weder Laxheit noch Rigorismus geben Zeugnis von Jesus Christus, weil weder der eine noch der andere sich wirklich der Person annimmt, der er begegnet.“
Der Unerbittliche „nagelt“ die Person „an einem kalt und streng verstandenen Gesetz fest“. Der Gleichgültige hingegen „wascht sich die Hände“, „er ist nur anscheinend barmherzig, aber in Wirklichkeit nimmt er das Problem dieses Gewissens nicht ernst, indem er die Sünde minimiert“.
„Die wahre Barmherzigkeit nimmt sich der Person an, hört sie aufmerksam an, stellt sich respektvoll und mit Wahrheit ihrer Situation zur Seite und begleitet sie auf dem Weg der Versöhnung. Und das ist mühsam! Ja, sicher! Der wirklich barmherzige Priester verhält sich wie der Gute Samariter … aber warum tut er das? Weil sein Herz zum Mitleid fähig ist, es ist das Herz Christi!“
Weder Gleichgültigkeit noch Unerbittlichkeit lassen Heiligkeit wachsen
„Weder die Gleichgültigkeit noch die Unerbittlichkeit lassen die Heiligkeit wachsen. Vielleicht scheinen einige Rigoristen heilig zu sein, aber denkt an Pelagius und dann reden wir. Weder Laxheit noch Rigorismus heiligen den Priester und heiligen auch nicht den Gläubigen. Die Barmherzigkeit hingegen begleitet auf dem Weg der Heiligkeit und läßt sie wachsen. Und das durch das pastorale Leiden, das ist eine Form der Barmherzigkeit.“ Was aber heißt „pastorales Leiden“? „Leiden für uns mit den Menschen wie ein Vater und eine Mutter für ihre Kinder leiden und ich erlaube mir hinzuzufügen, auch mit Sorge.“
Um die Dinge verständlicher zu machen, richtete der Papst einige rhetorische Fragen an die Priester:
Weinst Du für Dein Volk?
„Sag mir: Weinst Du? Oder haben wir die Tränen verloren? (…) Aber wieviel von uns weinen angesichts des Leidens eines Kinder, angesichts der Zerstörung einer Familie, angesichts der vielen Menschen, die den Weg nicht finden … Das Weinen des Priesters … Weinst Du? Oder haben wir in diesem Presbyterium die Tränen verloren? Weinst Du für Dein Volk? Sag mir, hältst Du Fürbitte vor dem Tabernakel? Ringst Du mit dem Herrn für Dein Volk, wie Abraham rang? (…) Haben wir die Hosen an, um mit Gott für unser Volk zu ringen?
Eine andere Frage, die ich stelle: Am Abend, wie beendest Du Deinen Tag? Mit dem Herrn oder mit dem Fernseher? Wie ist Deine Beziehung mit jenen, die helfen barmherziger zu sein? Das heißt, wie ist Dein Verhältnis zu den Kindern, zu den Alten, zu den Kranken? Weißt Du mit ihnen liebevoll umzugehen, oder schämst Du Dich einen alten Menschen zu streicheln?
Schäm Dich nicht vor dem Fleisch Deines Bruders, am Ende werden wir dafür beurteilt, wie wir uns ‚jedem Fleisch‘ zu nähern gewußt haben, uns dem Fleisch des Bruders nahe gemacht haben wie der gute Samariter. Am Ende der Zeiten, wird Christus nur schauen können, wer sich nicht vor dem Fleisch seines verwundeten und ausgeschlossenen Bruders geschämt hat“.
Text: Radio Vatikan/Giuseppe Nardi
Bild: Radio Vatikan