(Rom) Die führende Tageszeitung Italiens, der bürgerlich-liberale Corriere della Sera veröffentlichte in seiner heutigen Ausgabe ein umfangreiches Interview mit Papst Franziskus, in dem er zu Themen wie Familie, „Homo-Ehe“, Armut, Benedikt XVI., die Rolle der Frau und sich selbst als „Superstar“ Stellung nimmt. Papst Franziskus spricht erstmals davon, daß künftig emeritierte Päpste zur Selbstverständlichkeit in der Kirche gehören könnten. Papst Benedikt XVI. sei als Emeritus eine kirchliche „Institution“ und könne auch als solche handeln. Die Enzyklika Humanae vitae bezeichnet er als „prophetische Genialität“ gegen die Neo-Malthusianer, in der Praxis gehe es aber darum, was den Menschen „möglich“ sei. Lob gibt es für Kardinal Kasper, inhaltlich äußert sich der Papst allerdings auch weiterhin nicht zum Thema wiederverheiratet Geschiedene. Der Papst gab Ferruccio de Bortoli ein Interview für die Aschermittwochs-Ausgabe des Corriere della Sera. Hier einige Auszüge.
Superstar
„Sigmund Freud sagte, wenn ich mich nicht irre, daß in jeder Idealisierung eine Aggression steckt. Den Papst als eine Art Supermann darzustellen, eine Art von Star scheint mir kränkend. Der Papst ist ein normaler Mensch.“ So sieht sich Papst Franziskus selbst und reagierte damit auf das Medienspektakel, das seit seiner Wahl rund um seine Person veranstaltet wird.
Benedikt XVI.
„Der emeritierte Papst ist nicht eine Museumsstatue. Er ist eine Institution. Wir waren das nicht gewohnt. Vor sechzig oder siebzig Jahren existierte der emeritierte Bischof nicht. Er kam nach dem Konzil. Heute ist er eine Institution. Dasselbe muß für den emeritierten Papst geschehen, Benedikt ist der Erste und vielleicht wird es andere geben. Wir wissen es nicht. Er ist diskret, demütig, will nicht stören. Wir haben darüber gesprochen und wir haben gemeinsam entschieden, daß es besser wäre, wenn er Menschen sehen würde, hinausgehen und am Leben der Kirche teilnehmen würde. (…) Seine Weisheit ist ein Geschenk Gottes.“
Barmherzigkeit
„Ist das Zentrum des Evangeliums. Sonst versteht man Jesus Christus nicht, die Zärtlichkeit des Vaters, der ihn schickt, um uns zuzuhören, uns zu heilen, uns zu retten.“
Marxismus
„Ich habe die marxistische Ideologie nie geteilt, weil sie nicht wahr ist, aber ich habe viele brave Menschen kennengelernt, die sich zum Marxismus bekannten.“
Pädophilie
„Die Mißbrauchsfälle sind schrecklich, weil sie tiefste Wunden hinterlassen. Benedikt XVI. war sehr mutig und hat einen Weg aufgetan. Die Kirche hat auf diesem Weg viel getan. Vielleicht mehr als alle anderen. (…) Die Katholische Kirche ist vielleicht die einzige öffentliche Institution, die mit Transparenz und Verantwortungsbewußtsein etwas unternommen hat. Niemand anderer hat mehr getan. Dennoch ist die Kirche die einzige, die angegriffen wird.“
Arme
„Das Evangelium verurteilt den Wohlstandskult. Der Pauperismus ist eine der bedenklichen Interpretationen. (…) Der heilige Franziskus hatte die Genialität, das Thema der Armut in den evangelischen Weg einzubetten. (…) Die Armut entfernt von der Götzenanbetung, sie öffnet der Vorsehung die Türen. Zachäus verschenkt die Hälfte seines Reichtums an die Armen. Und wer die Kornkammern mit seinem Egoismus gefüllt hält, dem präsentiert der Herr am Ende die Rechnung.“
Familie
„Es wurde entschieden, über die Familie zu diskutieren, die eine sehr ernste Krise durchmacht. Es ist schwierig eine zu bilden. Die Jungen heiraten nur mehr wenig. Es gibt viele getrennte Familien, in denen das gemeinsame Lebensprojekt gescheitert ist. Die Kinder leiden sehr. Wir müssen eine Antwort geben. Aber dafür müssen wir sehr tief darüber nachdenken. Das ist es, was das Konsistorium und die Synode machen. Man muß vermeiden, an der Oberfläche zu bleiben. Die Versuchung, jedes Problem mit der Kasuistik zu lösen, ist ein Irrtum, eine Vereinfachung grundlegender Dinge, wie es die Pharisäer taten, eine sehr oberflächliche Theologie.“
Kardinal Kasper
„Kardinal Kasper hat eine wunderschöne und tiefe Ausführung gemacht. (…) Der fünfte Punkt war der der Zweitehen. Ich wäre besorgt, wenn es im Konsistorium nicht eine intensive Diskussion gegeben hätte, dann hätte es zu nichts genützt. (…) Die brüderliche und offene Konfrontation lassen das theologische und pastorale Denken wachsen. Das fürchte ich nicht, sondern suche es.“
Werte und zivile Partnerschaften
„Ich habe den Begriff nicht verhandelbare Werte nie verstanden. Die Werte sind Werte und fertig. Daher verstehe ich nicht, welchen Sinn verhandelbare Werte haben sollten. (…) Die Ehe ist die Verbindung von einem Mann und einer Frau. Die laizistischen Staaten wollen die zivilen Partnerschaften rechtfertigen, um verschiedene Situationen des Zusammenlebens zu regeln. Dazu werden sie durch die Bedürfnisse gedrängt, ökonomische Aspekte zwischen den Menschen zu regeln. (…) Es handelt sich um Verträge des Zusammenlebens unterschiedlicher Natur, deren verschiedene Formen ich nicht aufzählen könnte. Es gilt die einzelnen Fälle zu sehen und in ihrer Verschiedenheit zu bewerten.“
Frauen
„Es ist wahr, daß die Frau in den Entscheidungsgremien der Kirche mehr präsent sein kann und soll. Das aber würde ich eine Beförderung funktionaler Art bezeichnen. Damit allein kommt man nicht weit. (…) Der große Theologe Urs von Balthasar arbeitete viel zu diesem Thema: das marianischen Prinzip leitet die Kirche neben dem petrinischen Prinzip. Die Jungfrau Maria ist wichtiger als jeder Bischof und jeder Apostel. Die theologische Vertiefung ist im Gange.“
Humanae vitae
„Seine Genialität war prophetisch, sie hatte den Mut sich gegen die Mehrheit zu stellen, die Ordnung der Moral zu verteidigen, eine kulturelle Bremse auszuüben, sich dem gegenwärtigen und künftigen Neo-Mathusianismus zu widersetzen. Die Frage ist nicht die, die Lehre zu ändern, sondern in die Tiefe zu gehen und es so zu machen, daß die Seelsorge den Situationen Rechnung trägt und dem, was für die Menschen zu tun möglich ist.
Vegetativer Zustand
„Ich bin kein Spezialist für bioethische Fragen und fürchte, daß jeder meiner Sätze mißverstanden werden könnte. Die traditionelle Lehre der Kirche sagt, daß niemand gezwungen ist, außergewöhnliche Mittel zu ergreifen, wenn man weiß, daß er im Endstadium ist. In meiner Seelsorge habe ich in solchen Fällen immer zur Palliativpflege geraten. In besonderen Fällen ist es gut, wenn nötig, den Rat von Spezialisten einzuholen.“
Orthodoxe
„Wir sind ungeduldig, „fertige“ Ergebnisse zu erzielen. Aber der Weg der Einheit mit den Orthodoxen bedeutet vor allem, gemeinsam gehen und arbeiten.“
Film
„Den letzten Film, den ich gesehen haben, war „Das Leben ist schön“ [1997] von Begnini. Zuvor habe ich „Das Lied der Straße“ [1953] von Fellini gesehen. Ein Meisterwerk. Mir gefiel auch Wajda…“ [Andrzej Wajda, ein polnischer Filmregisseur].
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews