(Jerusalem) Im kommenden Mai wird Papst Franziskus das Heilige Land besuchen. Dagegen regt sich jüdischer Widerstand. Die Organisation der jüdischen Siedlerbewegung im besetzen Gebiet fährt scharfe Geschütze gegen das katholische Kirchenoberhaupt auf. „Der Papst wird wie ein Che Guevara der Palästinenser nach Israel kommen“, titelte die Presseagentur Arutz Sheva, die den ultraorthdoxen Juden der Schas-Bewegung nahesteht. Die jüdische Siedlerbewegung betrachtet den Besuch des Papstes mit Mißtrauen. Die Gründe sind vielfältig. Sie sind religiöser und politischer Natur.
Schas-Bewegung mobilisierte bereits gegen Benedikt XVI. als „Götzendiener“
Religiöser Natur, weil der Papst von ultraorthodoxen Juden als „Ungläubiger“ betrachtet wird. Der im vergangenen Oktober verstorbene ehemalige Großrabbiner von Israel und geistliches Oberhaupt der ultraorthodoxen Juden, Rabbi Ovadja Josef lehnte 2006 eine Begegnung mit Papst Benedikt XVI. ab und verbot sie auch seinen Anhängern (700.000 orthodoxe Juden bei Beerdigung von Großrabbiner – Ovadja Josef lehnte Treffen mit Benedikt XVI. als „Götzendienerei“ ab). Die ultraorthodoxen Juden machen etwa 12 Prozent der israelischen Juden aus. Aufgrund ihrer weit überdurchschnittlichen Geburtenrate wollen sie jedoch laut eigenen Angaben bis 2059 ihren Anteil unter den Juden Israels auf 50 Prozent erhöhen.
Politischer Natur, weil die Siedler Großisrael errichten wollen und das von ihnen besetzte und besiedelte Land nicht mehr aufgeben wollen. Das Lateinische Patriarchat und die Christen üben immer wieder Kritik an der illegalen Siedlungspolitik, die einseitig und unter schwerer Mißachtung der bürgerlichen Rechte, aber auch der Menschenrechte die Juden begünstigt und die Nicht-Juden, ob Christen oder Moslems wie Luft behandelt.
Angriffe erstaunen, da Papst Franziskus besonders christlich-jüdische Freundschaft betont
Die Angriffe gegen Papst Franziskus erstaunen, da das neue Kirchenoberhaupt wie noch kein Papst vor ihm sich demonstrativ judenfreundlich gibt. In seiner erst wenige Monate dauernden Amtszeit empfing er mehr jüdische Delegationen und Vertreter, sandte Botschaften und Grußworte, als seine Vorgänger in einigen Jahren zusammen.
Ausgangspunkt des Arutz Sheva-Berichts sind Aussagen des argentinischen Rabbi Sergio Bergman, die von der israelischen Tageszeitung Makor Rishon übernommen wurden. Rabbi Bergman sagte, daß Papst Franziskus „den Kampf und die Rechte der Palästinenser“ unterstützen und sich als „ihr Che Guevara“ präsentieren werde.
Rabbi Bergman: Papst kommt als „Che Guevara der Palästinenser“
Rabbi Bergman ist nicht nur ein Vertreter des Reformjudentums in Buenos Aires, sondern auch argentinischer Parlamentsabgeordneter der wirtschaftsliberalen Propuesta Republicana (PRO). 2008 verurteilte Bergman die Schändung der Kathedrale von Buenos Aires durch den linksextremen Zweig der Madres de Plaza de Mayo. Als Jorge Mario Bergoglio Erzbischof von Buenos Aires war, kam es mehrfach zu Begegnungen und gemeinsamen rituellen Handlungen mit Rabbi Bergman (siehe Bild).
Arutz Sheva bezeichnet ihn deshalb als „Bergoglio nahestehend“ und interpretiert die Aussagen Bergmans als Position des Papstes. Der stellvertretende israelische Außenminister Ze’ev Elkin vom Likud versuchte, die Lage zu beruhigen und bezeichnete die Worte Bergmans als „Übertreibung“. Allerdings fügte Elkin hinzu: „unsere Rolle ist es, sicherzustellen, daß es keine ungewöhnlichen Gesten gibt und wir haben die Mittel dazu“.
Hintergrund: Streit um Rückgabe des Abendmahlssaal
Einer der Hintergründe für den Widerstand gegen den Papstbesuch ist die Sorge in ultraorthodoxen Kreisen, daß das vom Vatikan seit 20 Jahren angestrebte bilaterale Abkommen zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl unterzeichnet werden könnte. Ein Gegenstand der Verhandlungen ist der Abendmahlssaal in Jerusalem. Der Ort ist für die Christen von besonderer Bedeutung. Sie wünschen freien Zugang und die Rückgabe an die Christenheit auch für kultische Handlungen. Die Juden behaupten, daß sich unter dem Abendmahlssaal das Grab Davids befindet.
Vor wenigen Tagen kam auch Rabbi Yisrael Ariel, der Gründer des Temple Institute auf das Thema zu sprechen. Das Temple Institute setzt sich für die Wiedererrichtung des jüdischen Tempels ein. An Stelle des Felsendoms und der Al-Aqsa-Moschee, beides moslemische Stätten auf dem Tempelberg, möchte Rabbi Ariel den dritten Tempel errichten. Der Rabbi behauptete, daß bei der Reise des Papstes nach Israel „dieser Teil des Berges Zion an die Christen abgetreten“ werden könnte. Dagegen müßten sich die Juden wehren.
Öl ins Feuer von Arutz Sheva gießt ein Artikel des Journalisten Giulio Meotti, der eine jüdische Lesart der Reise von Papst Paul VI. 1964 ins Heilige Land wiederholt, wonach der Papst ein „anti-israelisches Vorurteil“ gehegt habe. Mit Blick auf die derzeit stattfindenden Verhandlungen zwischen Israel und Palästinenserbehörde auf Vermittlung von US-Außenminister John Kerry, versteigt sich Meotti zur Mutmaßung, die Reise von Papst Franziskus könnte eine „Allianz zwischen Vatikan und Moschee besiegeln, um das Jordantal Richtung Jordanien zu öffnen und zu einer Einfallspforte für den islamischen Terrorismus zur Eroberung des Berges Zion zu machen.“ Meotti, kein Jude, ist bekannt dafür, überall „Feinde“ Israels und des Zionismus zu wittern, darunter auch die Katholische Kirche. Sein jüngstes Buch nennt sich „Die zweite Shoah“. Gemeint sind damit die Raketenangriffe von Hamas, die vom Gaza-Streifen auf israelisches Staatsgebiet abgefeuert werden. Doch für Arutz Sheva ist Meotti eine stichhaltige Quelle.
Bleibt daran zu erinnern, daß es vor dem Besuch von Papst Benedikt XVI. 2006 nicht wüster zuging, denn gegen den deutschen Papst konnten noch andere Geschütze aufgefahren werden. Damals bezeichnete ein Mitarbeiter von Arutz Sheva Benedikt XVI. sogar als „ehemaligen Nazi“, der als „Kreuzritter“ nach Jerusalem komme, um „den Ausverkauf des Heiligen Landes an die Kirche zu verlangen“.
Es scheint daher kein Zufall, daß sich antichristliche Vandalenakte durch Juden in den vergangenen Jahren vor allem um den Berg Zion konzentrierten, wo sich der Abendmahlssaal befindet.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Bolshevik/Pagina Catolica/Il Foglio