(Rom) Der Vatikanist Matteo Matzuzzi der Tageszeitung Il Foglio analysiert die Hintergründe, die zur Entfernung von Kardinal Burke innerhalb von wenigen Tagen aus zwei römischen Kongregationen führten. Er sieht den Hauptgrund in einem „völlig entgegengesetzten“ Kirchenverständnis. Ein am 12. Dezember von EWTN veröffentlichtes Interview mit dem Kardinal habe endgültig zum Bruch geführt. Kardinal Burke äußert darin Zweifel, ob das Apostolische Schreiben Evangelii Gaudium überhaupt als Teil des päpstlichen Lehramtes betrachtet werden könne. Hintergrund sei zudem der große Einfluß, den der Kardinal unter Papst Benedikt XVI. auf Bischofsernennungen in den USA hatte. Ein Teil der amerikanischen Kirche sah unter Papst Franziskus die Gelegenheit, sich dieses Einflusses zu entledigen und wirke entsprechend darauf hin. Offensichtlich mit Erfolg. Matzuzzi spricht von einer „Säuberungsaktion“ gegen Kirchenvertreter, die dem Kirchenverständnis Benedikts XVI. nahestehen. Wegen der inflationären Zelebration von Papst Franziskus als „Reinkarnation“ des „gütigen“ Papstes Johannes XXIII. schreibt Matzuzzi im Zusammenhang mit der „Säuberung“ nicht ohne feinen Hintersinn vom „gütigen Franziskus“. Und erneut richtet sich die Abneigung des neuen Kirchenoberhauptes gegen die Tradition.
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Brüderliche Säuberungsaktion des gütigen Franziskus
von Matteo Matzuzzi
Nicht nur Burke. Etliche und einflußreiche Kardinäle wurden entfernt. Es war vorhersehbar (und ist legitim). Die Gründe des amoveatur ohne promoveatur. Im Mittelpunkt stehen ein bestimmtes Kirchenverständnis und ethische Fragen.
Kirchenverständnis zu verschieden
Es konnte nicht anders kommen, sagen sie jenseits des Tibers, wenn sie die Entfernung von Kardinal Raymond Burke aus der Bischofskongregation kommentieren. Das Kirchenverständnis von Franziskus ist zu weit entfernt von dem des prominenten Kirchenrechtlers, den Benedikt XVI. aus St. Louis nach Rom geholt und an die Spitze der Apostolischen Signatur gestellt hatte. Der Erste, Bergoglio, ist fast terrorisiert von der Vorstellung, traurige Priester in sein Feldlazarett eindringen zu sehen, die bloß Wächter von Museumskirchen sind. Der Zweite, Burke, ist hingegen ein hartnäckiger Verfechter der tridentinischen Messe coram Deo, der brokatbesetzen Mitren und der Cappa magna, wie sie seit dem Konklave, das vor 50 Jahren Paul VI. wählte, nicht mehr gesehen wurden, als die Plätze der Purpurträger in der Sixtinischen Kapelle noch von Baldachinen überragt wurden.
Unvereinbarkeit der Positionen
Und dann ist da noch die Unvereinbarkeit der Positionen zu den nicht verhandelbaren Grundsätzen, die mit der Zeit einen tiefen Graben aufriß. Während Franziskus auf dem Vorplatz des Petersdoms den Jahrestag von Evangelium vitae feierte, aber imstande war dabei die große Enzyklika Johannes Pauls II. über den Schutz des Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod nur ein einziges Mal zu zitieren, hielt Burke gleichzeitig an der Päpstlichen Universität Urbaniana eine von präziser Gedankenschärfe und eindeutiger Parteinahme für das ungeborene Leben durchdrungene Katechese. Während der Papst dazu einlud, das Volk Gottes nicht besessen zu bedrängen und über die nicht verhandelbaren Werte nur in bestimmten Kontexten zu sprechen, warnte der amerikanische Purpurträger davor, sich von dem sich mit freien Augen sichtbar ausbreitenden Gift der Laizität in Ketten legen zu lassen.
„Es genügt eine Tageszeitung aufzuschlagen oder das Fernsehen einzuschalten, um festzustellen, daß der Christ immer weniger geduldet ist, daß die laizistische Tagesordnung nicht in ihren Anstrengungen nachläßt, das Zeugnis der treuen Christen in die zweite Reihe zu verdrängen, einzuschüchtern und zu ersticken“, sagte der Kardinal mit der Wortgewalt eines biblischen Propheten bei der Eröffnung einer Tagung des Instituts Dignitatis Humanae. „Wir dürfen nicht diesen Taktiken erliegen“, fuhr Burke fort.
Die klaren Worte des Kardinals – EWTN-Interview führte zum endgültigen Bruch
Sicher, sagte Franziskus, aber die Position der Kirche zu diesen Themen ist bekannt, man muß sie nicht jeden Tag wiederholen. Unterdessen aber, erklärte der Kardinalpräfekt apokalyptisch, genügt es in die USA zu schauen, um zu sehen, daß „die politischen Führer unerbittlich damit beschäftigt sind, die Abtreibung noch weiter zu liberalisieren“. Eine schwere Sünde, die nach einer entsprechenden Strafe verlangt, ohne lange die Barmherzigkeit und Güte Gottes zu bemühen: „Man kann nicht jene anerkennen, die eine solch schwerwiegende Verletzung des Moralgesetzes unterstützen und ihnen auch noch die Ehre erweisen. Das ist ein Skandal, ein Widerspruch, ein Fehler“, sagte der Kardinal in einem Interview, das er einige Wochen später einem Monatsblatt in Minnesota gab.
Vor wenigen Tagen kam es dann in einem Gespräch mit dem katholischen Fernsehsender EWTN zum endgültigen Bruch: „Katholischen Abtreibungspolitikern die Kommunion zu verweigern, ist absolut berechtigt; es ist eine Frage der Ordnung. Die Eucharistie ist heilig. Sie ist der Leib, das Blut und der Geist Christi. Wer weiß, daß er sich im Zustand der Sünde befindet, hätte sich nicht einmal der Kommunion zu nähern.“
Kann Evangelii Gaudium als Teil des Lehramtes betrachtet werden?
Das ganze wurde noch verstärkt durch Zweifel über das Apostolische Schreiben Evangelii Gaudium. Befragt, was er zur Exhortatio meine, sagte der Kardinal: „Mir ist es noch nicht gelungen, die exakte Form zu finden, um dieses Dokument zu beschreiben, aber mir scheint, daß es nicht als Teil des Lehramtes betrachtet werden kann“. EWTN fragte, was er dazu meine, daß laut Papst Franziskus zuviel über Abtreibung, „Homo-Ehe“ und Euthanasie gesprochen werde. „Wir können nie genug über diese Themen sprechen. Wir stehen einem Massaker an den Ungeborenen gegenüber“, antwortet Burke.
Völlig entgegengesetzte Standpunkte also. Zwischen den beiden gibt es nicht jene Übereinstimmung, die so stark zwischen dem Kirchenrechtler und Ratzinger bestand, der den amerikanischen Kardinal oftmals darum bat, ihm einen geeigneten Kandidaten für amerikanische Bischofssitze zu benennen. In einem Leitartikel fragt sich die Los Angeles Times, ob nicht eine Säuberungsaktion gegen die konservativen Kardinäle im Gange ist, – neben Burke wurden auch Piacenza und Bagnasco von ihren Aufgaben entfernt – und daher sogar die Kardinalswürde für Charles Chaput, den Erzbischof von Philadelphia zweifelhaft geworden ist. Chaput war im vergangenen Juli der erste, der öffentlich den neuen, von Bergoglio begonnenen Kurs kritisierte: „Ich denke, daß der Papst nicht beabsichtige, sich in politische Fragen verwickeln zu lassen. Aber Fragen wie die Abtreibung und die Ehe sind keine politischen Fragen. Es sind Fragen der Glaubenslehre und Moral. Und wir Bischöfe, alle, müssen von diesen Dingen sprechen“. Der Erzbischof sprach im selben Zusammenhang von einer „gewissen Unzufriedenheit“ über den Kurs von Papst Franziskus, den er in glaubenstreuen Teilen der Kirche feststelle.
Progressive Schadenfreude
Die Entscheidungen von Papst Franziskus zu Absetzungen und Beförderungen in der Bischofskongregation, kommentierte in der New York Times der progressive Historiker Alberto Melloni, würden bedeuten, daß „man nicht konservativ sein muß, um Bischof zu werden“. Die Entfernung von Burke zum Beispiel zeige lediglich den legitimen Willen des Papstes, einer neuen „Generation von Bischöfen“ den Weg zu ebnen, kommentierte der ebenfalls progressive Vatikanist John Allen. Eine ganz andere Generation als jene, die in den letzten Jahrzehnten herangewachsen ist.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Dona catolica