(Rom) Bereits seit einigen Tagen kursierte die Nachricht, Papst Franziskus habe einen traditionsverbundenen Katholiken angerufen, der zudem einer seiner härtesten Kritiker ist. Der Name des Katholiken wurde zunächst nicht bekanntgegeben, weshalb es Zweifel an ihrer Echtheit gab. Die Tageszeitung Libero bestätigte das Telefonat durch ein Interview mit dem schwer erkrankten Rechtsphilosophen Mario Palmaro.
In dem heute erschienen Interview erklärte Palmaro, vom Telefonanruf von Papst Franziskus „überrascht, erstaunt und vor allem bewegt“ zu sein. Mario Palmaro verfaßte gemeinsam mit dem Journalisten Alessandro Gnocchi die intellektuell hochstehende, bisher aber auch härteste Kritik am Pontifikat von Papst Franziskus. Die Aufsätze der beiden katholischen Publizisten erschienen in der Tageszeitung Il Foglio.
Papst Franziskus rief Palmaro bereits am 1. November, dem Allerheiligenfest an. Der Papst und der Rechtsphilosoph vereinbarten Stillschweigen über das private Gespräch. Doch Mitte November tauchte die Nachricht, wenn auch ohne Namensnennung des Angerufenen, im Internet auf und so begannen sich andere Journalisten dafür zu interessieren. Im Interview mit Libero sagte nun Palmaro: „Wenn es nach mir und Alessandro Gnocchi gegangen wäre, wäre nie etwas an die Öffentlichkeit gelangt. Allein schon deshalb, weil der Papst keine Absicht hatte, wie er sagte, weder seine Geste noch den Inhalt unseres Gesprächs öffentlich bekannt zu machen.“
Die Krankheit und die Kritik, für die sich der Papst bedankte
„Papst Franziskus sagte mir, mir sehr nahezusein, daß er von meiner gesundheitlichen Lage und meiner schweren Krankheit erfahren habe. Und ich habe diese seine tiefe Empathie sehr klar wahrgenommen, das Interesse für meine Person als solche, unabhängig von den Ideen und Meinungen, während ich eine Zeit der Prüfung und des Leidens durchmache.“
„Für mich als Katholik, war das, was ich erlebte, eine der schönsten Erfahrungen meines Lebens. Ich habe dem Papst meine unbedingte Treue als Sohn der Kirche versichert. Ich sah mich allerdings auch in der Pflicht, den Papst daran zu erinnern, daß ich, gemeinsam mit Alessandro Gnocchi, ganz präzise Kritik an seinem Handeln geäußert habe. Der Papst ließ mich fast den Satz nicht beenden und sagte, er habe verstanden, daß diese Kritik aus Liebe gemacht wurde und wie wichtig es für ihn ist, solche zu bekommen.“
Gewissen und Treue
Die Absicht der beiden katholischen Papst-Kritiker sei es immer gewesen, ihre Kritik „wachsam und klarsichtig mit Blick auf die Inhalte der katholischen Lehre vorzubringen, aber nie ihre Treue zum Papst als solchem“ in Frage zu stellen. „Und demütig möchte ich daran erinnern, daß die Löschung des Scalfari-Interviews von Papst Franziskus von der Vatikanseite annehmen läßt, daß an dem Interview doch etwas Falsches war, wie wir unter anderem angemerkt hatten.“ Ob sich nun etwas an der Position der beiden Kritiker ändern werde? Nein, antwortet Mario Palmaro, „wir werden den Weg weitergehen, den wir schon immer gegangen sind, indem wir unserem Gewissen folgen, immer in Treue dem Papst und der Kirche verbunden, aber wir werden unseren Weg weitergehen, gerade wegen dieser Treue und Liebe.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/Riscossa Cristiana (Montage)