(Alexandria) In einer Moschee in Kairo wurde ein anonymer Drohbrief gefunden. Auf die Mauern der koptisch-orthodoxen Kathedrale in Alexandria hatten Unbekannte die bedrohliche Parole: „Ägypten bliebt islamisch“ geschrieben.
Auf der Todesliste, die am Dienstag entdeckt wurde, steht auch der Name des koptisch-orthodoxen Patriarchen Tawadros II. ganz oben, wie Fides berichtet. Das Kirchenoberhaupt der größten christlichen Gemeinschaft Ägyptens, zu der sich rund 15 Prozent der Bevölkerung bekennen, steht seit seiner Wahl im Visier der Islamisten. Die Morddrohungen der jüngsten Zeit und die nun aufgefundene Todesliste werden in der koptischen Gemeinschaft des Landes sehr ernst genommen. Neben dem Patriarchen sollen, laut Todesliste, auch der provisorische Staatspräsident Adly Mansour und der allen Islamisten verhaßte General Abdel Fattah al-Sisi, derzeit der starke Mann am Nil, ermordet werden.
Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen. Die anhaltenden Drohungen gegen Patriarch Tawadros II. sind ein Indikator für die schwierige Phase, die Ägypten durchmacht. Das Land der Pyramiden steht nahe am Abgrund eines Bürgerkrieges, der jeden Augenblick in aller Härte ausbrechen kann. Woher die Urheber kommen und die Gefahr droht, macht die Schmierschrift an der Kathedralenmauer deutlich: „Ägypten bleibt islamisch.“ Die Autoren wissen, daß Ägypten einmal christlich war. Die Kopten bewahren das Erbe dieser vorislamischen Kulturblüte. Ihnen wird mit Auslöschung gedroht.
Bereits in der Vorwoche mußte das Patriarchat in Alexandrien Meldungen dementieren, wonach Tawadros II., von den orthodoxen Kopten auch als Papst (Vater) angesprochen, einem Attentat zum Opfer gefallen sei. In seiner Umgebung weiß man jedoch, daß die Gefahr ernst ist. Seit Anfang Juli wurden die traditionellen Mittwochskatechesen in der Kathedrale abgesagt, die der Patriarch wie auch das römisch-katholische Kirchenoberhaupt in Rom hält.
Der Patriarch richtete gewohnheitsgemäß seine traditionellen Glückwünsche an die islamische Gemeinschaft zum Ende des Ramadan. Er wünschte allen „Freude und Frieden“. Frieden braucht das Land am Nil besonders. Die Islamisten halten derzeit den Schlüssel dazu in der Hand.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons