(Rom) Es war der Vatikanist Sandro Magister, der mit großem Respekt vor dem Papsttum und dem amtierenden Papst Zweifel an der Ernennung von Battista Ricca zum „Hausprälaten“ der Vatikanbank äußerte. Mit zweiwöchiger Vorankündigung veröffentlichte er Enthüllungen über homosexuelle Eskapaden des Vatikan-Diplomaten während dessen Dienstzeit in der Schweiz und in Uruguay. Ricca ist seit einigen Jahren Direktor der vatikanischen Gästehäuser und damit auch für das Domus Sanctae Marthae zuständig, in dem Papst Franziskus wohnt. Dort lernte der Papst „seinen“ Hoteldirektor kennen und offensichtlich schätzen. Soweit, daß er ihn zu seinem persönlichen Vertreter bei der Vatikanbank mit Sondervollmachten ernannte. Seit Bekanntwerden der Enthüllungen wurde eine Reaktion von Papst Franziskus erwartet. Gekommen ist keine. Bei einer improvisierten Pressekonferenz auf dem Rückflug von Rio de Janeiro wurde der Papst erwartungsgemäß von einem Journalist auch zum Fall Ricca befragt. Sandro Magister faßte den aktuellen Stand der Dinge zusammen:
Papst spricht über den Fall Ricca. Das letzte Wort aber sagt er nicht
von Sandro Magister
Kein Vorurteil gegen Homosexuelle, aber die Lobbys nicht, die gehen nicht gut. Das ist die Zusammenfassung dessen, was Papst Franziskus im Flugzeug auf dem Rückflug von Rio de Janeiro nach Rom sagte, als er auf Fragen zum Fall Ricca antwortete. Wörtlich sagte der Papst:
Es wird viel über die Homo-Lobby geschrieben. Bisher habe ich noch niemand getroffen, der „Homosexueller“ in seinem Personalausweis stehen hat. Man muß zwischen dem Homosexuellsein, eine solche Neigung haben und einer Lobby-Bildung unterscheiden. Die Lobbys, alle Lobbys, sind nicht gut. Wenn eine Person homosexuell ist und den Herrn mit gutem Willen sucht, wer bin ich, um ihn zu richten? Der Katechismus der katholischen Kirche lehrt …, daß die Homosexuellen nicht zu diskriminieren, sondern anzunehmen sind. Das Problem ist nicht diese Neigung zu haben, das Problem ist die Lobby-Bildung und das gilt für diese wie für andere Geschäftslobbys, die politischen Lobbys, die freimaurerischen Lobbys.
Konkret zum Fall von Msgr. Battista Ricca sagte er:
Im Fall von Msgr. Ricca habe ich das getan, was das Kirchenrecht vorsieht: eine vorherige Untersuchung. Es wurde nichts gefunden von dem, dessen er beschuldigt wurde. Wir haben nichts gefunden. Viele Male in der Kirche geht man die Jugendsünden suchen und dann werden sie veröffentlicht. Wir sprechen nicht von Verbrechen, von Straftaten, wie dem Mißbrauch Minderjähriger, das ist eine ganz andere Sache, sondern von Sünden. Wenn aber ein Laie oder ein Priester oder eine Ordensfrau eine Sünde begangen hat und sich dann bekehrt hat und gebeichtet hat, vergibt der Herr und vergißt. Und wir haben nicht das Recht nicht zu vergessen, weil wir andernfalls Gefahr laufen, daß der Herr unsere Sünden nicht vergißt. Viele Male denke ich an den heiligen Petrus, der die schwerste Sünde begangen hat, er hat Christus verleugnet. Und dennoch haben sie ihn zum Papst gemacht. Ich wiederhole jedoch, zu Msgr. Ricca haben wir nichts gefunden.
Franziskus hat nichts weiter hinzugefügt. Er hat nicht gesagt, daß die Msgr. Ricca vorgeworfenen Fakten falsch sind. Er hat lediglich gesagt, daß zu diesen Fakten „nichts gefunden wurde“ in der „vorherigen“ Dokumentation, die ihm im Vatikan unterbreitet wurde.
Da sich aber – wie der Papst inzwischen genau weiß – zu diesen Fakten alles in der Dokumentation der Apostolischen Nuntiatur in Montevideo befindet und diese Dokumentation seinerzeit auch nach Rom geschickt wurde und zur Entfernung Riccas führte, ist die Schlußfolgerung zwingend: im Vatikan war eine Lobby am Werk, die die Spuren verschwinden hat lassen.
Der Papst hat auch weder Msgr. Ricca sein Vertrauen bestätigt noch die Angelegenheit für beendet erklärt. Ganz im Gegenteil. Die „Jugendsünden“ können vergeben werden, sagte er. Das gilt – so hat er es zu verstehen gegeben – für den, der sie ehrlich beichtet und bereut, wie es der Heilige Petrus tat. Nicht aber für den, der alles tut, um sie zu verschleiern, zu fälschen und sie verschwinden zu lassen mit der Hilfe einer Machtlobby, die sich noch immer nicht geschlagen gibt. Eine dieser Lobbys, das Adjektiv zählt nicht, von denen Papst Franziskus noch einmal sagte, sie an der Römischen Kurie ausrotten zu wollen.
Text: Settimo Cielo
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo