(Moskau) Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Russischen Föderation moslemischen Mädchen das Tragen des Schleiers an Schulen zu untersagen, hat wissenschaftliche Unterstützung gefunden. In einem Interview mit Interfax verteidigte der Direktor des ethno-religiösen Studienzentrums des Russischen Instituts für Strategische Studien (RISI) das Hidschab-Verbot. Rais Suleimanow, selbst Moslem, erklärte, daß moslemische Schulmädchen zumindest in den vergangenen 150 Jahren in Rußland nie verschleiert waren, auch nicht vor der Oktoberrevolution. Sie bevorzugten, wenn schon, in der Regel eine Kopfbedeckung, die Teil ihrer jeweiligen Nationaltracht war, so Suleimanow
Alte Photographien aus dem Schulunterricht, so der Wissenschaftler, machen eine Überprüfung bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts leicht möglich. Ihm sei trotz Recherchen keine Aufnahme bekannt, auf der moslemische Schulmädchen im Zarenreich einen Schleier getragen hätten. Und vor allem sei deshalb niemand aus der moslemischen Gemeinschaft ausgeschlossen worden.
Mit seiner Entscheidung bestätigte der Oberste Gerichtshof das Hidschab-Verbot eines Gerichts in Stawropol (siehe eigenen Bericht). In Teilen der moslemischen Gemeinschaft Rußlands stößt das Urteil auf heftige Kritik und wird als Einschränkung der Religionsfreiheit ausgelegt. Eltern seien gezwungen, so die Kritiker, ihre Kinder zu Hause zu behalten.
Laut Suleimanow sind solche Posititionen “populistisch und demagogisch“. Sie entbehren jeder historischen Grundlage und zudem wolle die große Mehrheit der russischen Moslems auch heute die Kinder auf staatliche Schulen schicken und zwar ohne Hidschab. Als Beleg verweist Suleimanow auf eine einzige islamische Privatschule in ganz Rußland, die Usmanija in Tatarstan, an der Hidschab-Pflicht für Mädchen herrsche. Die Schule wird lediglich von etwa 60 Schülern besucht. „Eine solche Einrichtung scheint nicht einmal unter Moslems sich besonderer Beliebtheit zu erfreuen“, so Suleimanow ironisch, um zu verdeutlichen, daß die Kopftuchfrage von außerhalb Rußlands nach Rußland importiert wurde.
Das russische Kopftuch-Verbot stößt in der Schweiz auf besonderes Interesse, wo in verschiedenen Kantonen über die Einführung eines vergleichbaren Verbots an Schulen diskutiert wird.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews