(Rom) Der Kunst- und Kulturkritiker Francesco Colafemmina hat zur polemischen Feder gegriffen und sich mit der von Papst Franziskus vor wenigen Tagen errichteten neuen Finanz- und Wirtschaftskommission auseinandergesetzt. Colafemmina, der kein Finanzexperte ist, tut es als Katholik. Er sieht rund um die Vatikanbank eine Spirale angestoßen, die seines Erachtens die Gefahr birgt, das Kind mit dem Bad auszuschütten. Der Wunsch nach Transparenz, der persönliche Drang zur Armut des Papstes seien zu würdigen, eigne sich jedoch nicht unbedingt als Maßstab für die Interessen der Kirche. Die Kirche sei weder ein Wirtschaftsunternehmen noch ein Finanzdienstleister. Sie habe nicht nach den Kriterien weltlicher unternehmerischer Effizienz zu funktionieren, auch nicht, wenn diese im Gewand der Sparsamkeit, noch weniger wenn sie als Rationalisierung und Kostensenkung daherkomme.
Die Vatikanbank hat die Aufgabe das weltweite Funktionieren des kirchlichen Netzes und ihrer Hilfswerke sicherzustellen. Sie hat zu garantieren, daß die Kirche ihrer Pflicht nachkommt, ihren Priestern den Lebensunterhalt zu sichern, den Kirchenbau sicherzustellen und vor allem die Hilfsmittel der Christen in einem Teil der Erde zu den Hilfsbedürftigen in einem anderen Teil zu bringen. Das alles hat nichts mit weltlichen Kriterien zu tun, auch nicht denen weltlicher Hilfswerke und könne daher auch nicht nach diesen geregelt werden. Es stoßen hier Maßstäbe und Interessen zusammen, die miteinander schlichtweg nichts zu tun haben. Auch nicht irgendwelche Transparenzkriterien der internationalen Finanzaufsichtsbehörden.
Colafemmina ist der Meinung, daß ein Durchleuchten der Kirchenfinanzen nach weltlichen Effizienzmaßstäben zwangsläufig zu „Löchern“ und „Lücken“ führen werde, die im nächsten Schritt nach weltlichen Kriterien „gestopft“ werden müssen. Dazu, ist sich der Kulturkritiker sicher, werde man auf den Verkauf von Immobilien drängen und da sind begehrliche Blicke garantiert. Enorme Summen sei dabei das Wissen der sieben soeben ernannten Experten wert, die den Vatikan und dessen weltweiten Güterbesitz bis ins kleinste Detail nun erfassen und auswerten können. Aus historischen Gründen liegen Immobilien der Kirche in den meisten Städten in den besten Gegenden. Sie sind Millionen wert, manchmal im zweistelligen Bereich. Welche Immobilien werden für einen eventuellen Verkauf ausgewählt? Wer erhält welche Informationen? Wem werden sie vorenthalten? Ein enormes Immobiliengeschäft. Besteht die Gefahr von Informationsmißbrauch, von Günstlingswirtschaft und Bereicherung? Colafemminas Schlußfolgerungen sollen nicht kommentiert werden. Seine Fragestellung allerdings ist berechtigt:
Was aber haben die Kirche, die Gläubigen, die Hilfsbedürftigen von der ganzen Operation? Diese Frage Colafemminas steht im Raum.
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Der Ausverkauf der Vatikan AG hat begonnen
von Francesco Colafemmina
Ich weiß nicht, wer die grandiose Idee hatte, aber ich kann euch versichern, daß von dieser Kommission für die Wirtschaftsangelegenheiten des Vatikans nichts Gutes für die Kirche kommen wird. Die Entscheidung, eine aus Laien bestehende Untersuchungskommission zu bilden, die Zugang zu allen Verwaltungs- und Wirtschaftsdaten des Heiligen Stuhls hat, bedeutet die katholische Kirche einem hohen Risiko auszusetzen. Im Folgenden erkläre ich euch warum und worin diese Gefahr besteht.
Das Chirograph von Papst Franziskus präzisiert die Ziele dieser Kommission mit folgenden Punkten:
- Ausfindigmachen strategischer Verbesserungsvorschläge zur Vermeidung von unnötigem Kostenaufwand
- Förderung der Transparenz bei Entscheidungsprozesses zum Einkauf von Gütern und Dienstleistungen
- Verbesserung der Verwaltung des beweglichen und unbeweglichen Güterbesitzes
- Immer größere Vorsicht bei Finanzoperationen
- Sicherstellung einer korrekten Anwendung der Rechnungslegungsgrundsätze
- Sicherstellung der Kranken- und Sozialversicherung für alle, die ein Recht darauf haben
In den Augen eines gewieften Experten müssen diese Zielsetzungen mehr oder weniger wie folgt gelesen werden:
1) Um Kosten zu vermeiden, genügt es beispielsweise Teile des Vermögens abzustoßen, die hohe Verwaltungs- und Unterhaltskosten verursachen, aber nur einen geringen oder keinen Ertrag erbringen (verkaufen wir also Klöster, Ordenshäuser usw. die Kosten verursachen, aber keine Einnahmen bringen).
2) Der Transparenz wegen veröffentlichen wir die Jahresbilanzen, öffnen die Tresore des Vatikans, legen die Gesellschaften offen, auch jene offshore und machen alles unter der Sonne sichtbar. Auf diese Weise stellen wir den Heiligen Stuhl allerdings unter öffentliche Aufsicht und seine Finanz- und Wirtschaftsautonomie, die von so großem Nutzen für die Armen und die Kranken, für die Notleidenden der halben Welt ist, wird nur mehr eine Erinnerung der Vergangenheit sein.
3) Wenn in der Kirche Kriterien ökonomischer Effizienz angewandt werden sollen, wird nichts anderes übrig bleiben, als Immobilienfonds zu bilden, in die private Geldgeber investieren können, oder eben Immobilien an Private zu verkaufen. Auf diese Weise können dann angebliche Löcher gestopft werden, die in der Vatikanbank IOR sicher bald gefunden werden.
4) In Kürze wird man nämlich erklären, daß aufgrund unbedachter Finanzaktionen die Vatikanbank IOR ein großes Loch hat, das durch den (Aus)Verkauf des kirchlichen Immobilienbesitzes gestopft werden muß.
5) Und auch hier wird die neue Kommission den Beweis erbringen, daß durch eine fehlerhafte, nicht effiziente Buchführung ein System unnötiger Ausgaben und versteckter Bilanzlöcher entstanden ist, das bereinigt werden muß.
6) Etwas Gutmenschentum klingt immer gut, vor allem gegenüber den Medien und rechtfertigt die neue Kommission. Denn Sinn macht dieser Punkt sonst keinen.
In all dem drängt es mich darauf hinzuweisen, daß der Papst, meiner bescheidenen Meinung nach, auf geschickte Weise von geeichten Regisseuren, die im Vatikan bereits Schlüsselstellungen innehaben, gelenkt wird.
Sie haben die Sensibilität von Franziskus für Transparenz, Reinigung und Armut erkannt, und es scheint als würden sie ihm entgegenkommen. In Wirklichkeit lassen sie andere sich dabei bereichern und schwächen die Kirche.
Denn die unterschwellige Operation hinter der neuerrichteten Kommission ist nichts anderes als der Abverkauf oder besser Ausverkauf der Vatikan AG. Die Kirche hat dabei alles zu verlieren, während Kirchenmänner ohne Glauben und ihnen geschäftstüchtige Nahestehende alles zu gewinnen haben.
Aus diesem Grund wurden Laien ausgewählt, die nicht wirklich „unabhängige“ Berater sind. […] Darunter der ehemalige Außenminister von Singapur und derzeitige Berater des reichsten Mannes von Malaysia, Robert Kuok. Und die Italienerin Francesca Chaouqui, die sich für Ernst & Young um Kommunikation kümmert. Kommunikation! Und die deshalb als Lobbyistin bezeichnet wird. (Huffington Post vom 19. Juli 2013)
Diese Kommission wird Zugang zu einer unvorstellbaren Menge von Informationen haben, die alle Geld wert sind. Sie wird den Immobilienbesitz des Heiligen Stuhls in der ganzen Welt kennen und seinen Wert erfassen. Sie wird die Art und die Höhe der Finanzinvestitionen des Heiligen Stuhls kennen, alle laufenden Ausgaben von jedem einzelnen Büro und den weltweiten Verwaltungsaufwand. Sie wird dann direkt dem Papst Bericht erstatten oder wahrscheinlicher dem ebenfalls neuerrichteten achtköpfigen Kardinalsrat.
Im Klartext muß man sich vorstellen, was es bedeutet, einer Gruppe von Privatunternehmern und – trotz der generell geltenden Vertraulichkeit – wahrscheinlich einiger ihrer Freunde, die Verfügbarkeit des „Kirchenschatzes“ des Heiligen Stuhls offenzulegen. Man muß sich die Interessenkonflikte vorstellen, den Handlungsfreiraum dieser Laien, von denen nicht einmal eine Eidesleistung verlangt wird, die einfach irgendwie ausgewählt und dort hingesetzt wurden.
Man muß sich vorstellen, daß diese Privatpersonen, aus kirchlicher Sicht gesehen, vom Heiligen Stuhl ein Gehalt bekommen und Beratergesellschaften ihrer Wahl beauftragen können. Alles auf Kosten des Vatikans. Sie müssen dann Berichte verfassen und dem Papst übermitteln. Da dieser weder ein Manager noch ein internationaler Finanzexperte ist, wird er die strategischen Pläne der „Expertenkommission“ akzeptieren.
Einigen Monsignori und Kardinälen, die sie eingesetzt hat, wird sich die Kommission wohl dankbar erweisen. Bleibt zu hoffen, daß sie am Ende nicht entscheiden, auch noch den Petersdom zu verkaufen. […]
Text: Fides et Forma/Francesco Colafemmina
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Fides et Forma