(Hong Kong) Msgr. Aloysius Jin Luxian, der vom kommunistischen Regime in Peking offiziell anerkannte Bischof von Shanghai ist tot. Der seit langem kranke Prälat starb im Alter von 97 Jahren. Die letzte Zeit hatte er im Krankenhaus verbracht, wo ihn durch Anordnung der Behörden niemand besuchen durfte.
Bischof Jin Luxian war ein umstrittener Kirchenfürst, dem Untergrundchristen vorwarfen, zu regierungsnahe zu sein. Der Jesuit gilt jedoch auch als einer der wichtigsten Vertreter der Kirche Chinas in den vergangenen Jahrzehnten. Vor einigen Jahren versöhnte er sich mit Rom und unterstellte sich dem Papst. Als Zeichen dieser Unterwerfung verzichtete er auf das Amt des Diözesanbischofs und wurde von Papst Benedikt XVI. als Weihbischof von Shanghai anerkannt. Ein Wechsel, den das Regime offiziell nie nachvollzog. Für Peking blieb Jin Luxian Diözesanbischof, für Rom war er Weihbischof. Kirchlich anerkannter Diözesanbischof von Shanghai ist Msgr. Joseph Fan Zhongliang, der ebenfalls sehr alt und krank ist.
Die Diözese gab noch kein Datum für die Beerdigung bekannt. Wie Asianews berichtet, arbeitet hingegen die Regierung seit längerem an einem Programm für die Beisetzung des Bischofs. Das Regime versuche grundsätzlich durch Einmischung zu diktieren, wer wichtigen Zeremonien vorsteht, um von Rom nicht anerkannte, regimehörige Bischöfe in Szene zu setzen.
Für den Heiligen Stuhl sollte Weihbischof Msgr. Thaddäus Ma Daqin zelebrieren. Ma Daqin, der vom Papst anerkannt ist, wurde am 7. Juli 2012 geweiht. Er sollte die Nachfolge der beiden betagten Bischöfe antreten und damit den Fortbestand der Diözese garantieren. Während der Heiligen Messe, in deren Rahmen er die Bischofsweihe empfing, gab er den Austritt aus der regimetreuen Patriotischen Vereinigung bekannt. Nach dem Ende der Feier wurde er sofort verhaftet. Er befand sich seither unter Hausarrest und kann sein Bischofsamt nicht ausüben. Nach unbestätigten Meldungen soll er vor einigen Tagen aus der Diözese entfernt und an einen unbekannten Ort gebracht worden sein.
Jin Luxian entstammt alter katholischer Familie
Weihbischof Jin Luxian wurde am 20. Juni 1916 in Shanghai als Sohn einer bereits seit mehreren Generationen katholischen Familie geboren. Mit 14 Jahren wurde er Vollwaise, nachdem er bereits vier Jahre zuvor seine Mutter verloren hatte. Nach dem Besuch katholischer Schulen trat er 1938 in den Jesuitenorden ein, der zu seiner neuen Familie wurde. Jin Luxian wuchs in einer Zeit radikaler Umbrüche auf, auf den Sturz der Monarchie folgte eine fragile Republik mit sozialer Instabilität und politischen Machtkämpfen zwischen Nationalisten und Kommunisten, dazu kam noch externe Einflußnahme durch die westlichen Kolonialmächte und japanischer Druck.
Die katholische Kirche bemühte sich durch die Früchte der jüngsten Missionierungswelle einen chinesischen Episkopat aufzubauen und einzusetzen. 1946 wurde der erste chinesische Bischof geweiht. 1945 zum Priester geweiht, konnte Jin Luxian vor der kommunistischen Machtübernahme zur Ausbildung nach Frankreich, Österreich, Deutschland und Italien gehen.
1948 mit dem Sieg Mao Tse-tungs, der als „Erhebung“ Chinas propagiert wurde, veränderte sich die Lage grundlegend. Die ausländischen Missionare und die Kirche selbst wurden als „streunende Hunde des amerikanischen Kapitalismus“ beschimpft. Jin Luxian wird wie die anderen Katholiken vom Regime vor die Alternative gestellt, dem Regime oder dem Papst treu zu sein. In der kommunistischen Diktion hieß es sich entscheiden zwischen der „Liebe zum Vaterland“ und einer „ausländischen Macht“.
1955 gemeinsam mit Bischof und Hunderten Priestern und Laien verhaftet
1951 kehrte Jin Luxian nach Shanghai zurück, wo damals der Jesuit Ignatius Kung Pin-Mei Bischof war. 1955 wurde der junge Priester gemeinsam mit Bischof Kung und Hunderten anderen Priestern und Laien verhaftet und fünf Jahr in Isolationshaft gehalten. Erst 1960 wurde er vor Gericht gestellt und zu 18 Jahren Gefängnis, Bischof Kung zu lebenslanger Haft verurteilt.
1972 wurde Jin nach 17 Jahren in Gefängnissen und Konzentrationslagern aus der Haft entlassen, zumindest als Freigänger. Auf diese Zeit beziehen sich Stimmen, die besagen, der junge Priester habe „zuviel“ mit der Polizei geredet. Obwohl niemand Beweise erbringen konnte, haftete Jin Luxian seither der Ruf an, ein Kollaborateur zu sein. Wegen seiner Sprachkenntnisse konnte er als Übersetzer arbeiten. Die offizielle Freilassung erfolgte erst 1982 unter Deng Xiaoping. Obwohl die Parteilinie offiziell nicht geändert wurde und weiterhin die Eliminierung aller Religionen forderte, ließ Deng Xiaoping die Wiedereröffnung von Kirchen und Seminaren zu. Natürlich unter strenger staatlicher Überwachung.
Jin Luxian wird 1985 vom Regime mit der Wiedereröffnung des Seminars von Sheshan beauftragt und ohne päpstliche Zustimmung als Weihbischof von Shanghai eingesetzt. Als „patriotischer“ Bischof wurde ein anderer Jesuit, Aloysius Zhang Jiashu ohne Anerkennung durch Rom eingesetzt, während der eigentliche Bischof, Msgr. Kung weiterhin im Gefängnis sitzt.
1988 Diözesanbischof von Shanghai ohne päpstliche Anerkennung
Jin Luxian folgte Msgr. Zhang Jiashu 1988 im Bischofsamt nach. Er bemüht sich um die Wiederinstandsetzung von Kirchen, um Kontakt zum Ausland, die Seminaristenausbildung und katholische Publikationen auf Chinesisch. Die Professoren am Seminar von Shanghai kommen fast alle von auswärts, darunter auch Joseph Zen, der spätere Bischof von Hong Kong und Kardinal. Ebenso der Salesianer Savio Hon, heute Sekretär der Kongregation für die Evangelisierung der Völker an der Römischen Kurie.
Dank seiner guten Beziehungen zur Parteispitze erhält Bischof Jin Luxian die Erlaubnis, sogar den Papst im Hochgebet zu erwähnen und das offizielle Missale (Novus Ordo) in chinesischer Sprache zu verwenden, das vom Regime ansonsten abgelehnt wird, weil es die Verbindung zum Papst symbolisiert. Er bleibt aber immer ein „patriotischer“ Bischof.
Rechtmäßiger Bischof nach 33 Jahren Lagerhaft entlassen – 1979 geheim zum Kardinal ernannt
Der rechtmäßige und romtreue Bischof von Schanghai, Ignatius Kung Pin-Mei, wurde nach 33 Jahren aufgrund internationalen Drucks aus dem Gefängnis entlassen. Nach weiteren zwei Jahren Hausarrest durfte er 1987 aus gesundheitlichen Gründen die Volksrepublik China verlassen. Papst Johannes Paul II. hatte ihn bereits 1979 in pectore zum Kardinal erhoben, wie erst 1991 bekannt wurde. Bischof Kung starb 2000 im amerikanischen Exil. Seither gilt der Bischofsstuhl von Shanghai kirchenrechtlich offiziell als vakant.
2005 versöhnte sich Bischof Jin Luxian mit dem Papst. Damals wurde festgelegt, daß Msgr. Fan Zhongliang Ordinarius und Msgr. Jin Luxian wieder Weihbischof ist. Da beide bereits sehr alt sind, ersucht der Vatikan, einen Nachfolger namhaft zu haben. Die Wahl fällt auf Joseph Xing Wenzhi, dessen Bischofsweihe eine der ersten ist, die sowohl vom Heiligen Stuhl als auch von der Regierung in Peking anerkannt werden. Unter Papst Benedikt XVI., der sich sehr um China bemüht, scheint eine Entspannung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat möglich.
Nachfolgefrage schwierig: Bischof alt und krank, Koadjutor in Haft
Doch dann zieht das Regime plötzlich wieder die Schrauben an. 2012 gibt Msgr. Xing seinen Rücktritt bekannt. Die Gründe dafür sind bis heute unklar. Die Nachfolgefrage ist damit unerwartet wieder offen. Mit der Anerkennung durch Rom und Peking wird Msgr. Thaddäus Ma Daqin als neuer Weihbischof mit Nachfolgerecht bestimmt. Sein demonstrativer Austritt aus der Patriotischen Vereinigung stürzt die Diözese noch am Tag seiner Weihe in eine neue Krise.
Durch den Tod von Weihbischof Jin Luxian hat die Frage nach der Zukunft der Diözese neue Aktualität gewonnen. Bischof Fan ist schwer krank, Bischof-Koadjutor Ma befindet sich an einem unbekannten Ort in Haft und die Diözese ist seit einem Jahr faktisch führungslos.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews