(Kabul) Wie verläuft die Karwoche in Afghanistan? Das fragte Asianews den einzigen katholischen Pfarrer in Afghanistan, Pater Giuseppe Moretti. Er leitet die einzige katholische Pfarrei des Gebirgslandes am Hindukusch, die an der italienischen Botschaft des Landes besteht. Seine Pfarrkirche ist die Kapelle der Botschaft. Er steht einer Missio sui iuris vor, einer der kleinsten und exponiertesten katholischen Ortskirchen der Welt. Seine kleine Pfarrei besteht aus 12 Ordensschwestern, einigen Dutzend Soldaten und Offizieren sowie Botschaftsangehörigen. Pater Giuseppe spricht von einer „Katakombenkirche, einer stillen, unauffälligen, aber aktiven Kirche, die Christus dem afghanischen Volk bezeugt, durch das eigene Lebensbeispiel, aber auch weil in diesem Land die Eucharistie zelebriert wird“.
Trotz zahlreicher Schwierigkeiten nehme eine große Zahl an Soldaten und Offizieren an der Liturgie der Karwoche und des Triduum Paschalis teil, auch etliche hochrangige Offiziere. „Das ist ein Zeichen der Hoffnung“, so Pater Giuseppe, der dem Barnabitenorden angehört, einer Kongregation von Regularkanonikern, die 1530 gegründet wurde. „Am Palmsonntag war die Kirche zum Bersten gefüllt. Die Palmzweige sind ein Friedenssymbol und hier in der afghanischen Realität steht das ganze Leben in einem ständigen, schrecklichen Zusammenhang mit dem Krieg.“
Viele kommen unter Lebensgefahr, um die Osternacht zu feiern
Vor allem in der Osternacht erwartet sich der Pfarrer viele Meßbesucher. „Viele kommen auch unter Lebensgefahr“.
Aghanistan ist auf dem Papier ein „rein“ islamisches Land. Es herrscht ein absolutes Evangelisierungsverbot. Den Christen ist das Zeigen von religiösen Symbolen strikt untersagt. Pater Giuseppe hat nur die Erlaubnis, einmal am Tag die Heilige Messe zu zelebrieren. Prozessionen sind nicht einmal innerhalb der Botschaft erlaubt. „Das tut unserer Freude und unserer Begeisterung keinen Abbruch, mit der wir uns auf Ostern zubewegen. Wir erleben und feiern die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, als würden wir uns in der herrlichsten Kathedrale befinden. Nicht der Ort ist entscheidend, sondern die Gegenwart Christi.“
Der Auftrag von Pater Giuseppe richtet sich vor allem an die internationalen Soldaten, die in Afghanistan stationiert sind. Sie sind die einzigen, die offiziell überhaupt Kontakt zu ihm haben dürfen und die gleichzeitig Kontakt zur moslemischen Bevölkerung Afghanistans haben. „Das Evangelium wird auch durch sie weitergegeben“, so der Pfarrer. Insgesamt sind sechs katholische Priester im Hochgebirsgland am Rand des Himalaja tätig. Die anderen haben den Rang von Militärkaplänen und sind auf die großen Militärstützpunkte der internationalen Truppen über das ganze Land verstreut.
Die Tatsache, daß die christliche Präsenz weitgehend mit den im Land stationierten ausländischen Truppen möglich ist, „erleichtert die Aufgabe gegenüber der einheimischen Bevölkerung nicht“, so Pater Giuseppe. Aber anders ist es fast nicht möglich“, so der Pfarrer, der froh ist, daß die katholische Präsenz auch unabhängig vom Militär geregelt ist.
Drei Frauenorden wirken für die Ärmsten – und werden auch von den Taliban geachtet
Neben den Priestern sind auch ein Dutzend Ordensfrauen in Afghanistan tätig. Die größte Gruppe gehört den Kleinen Schwestern Jesu an, die auch von den Taliban respektiert werden, da sie schon seit einem halben Jahrhundert in Kabul wirken. Waren sie lange die einzige Ordengemeinschaft im Land, so sind es inzwischen drei geworden. Die Schwestern der Nächstenliebe von Mutter Teresa konnten erst nach dem Sturz der Talibanherrschaft ins Land kommen. Seit 2006 wirken sie in der Kranken- und Armenfürsorge. Ihr Einsatz und Lebensstil hat so sehr beeindruckt, daß sie sogar ihr Ordenskleid tragen dürfen. Eine von der moslemischen Bevölkerung geschätzte katholische Einrichtung ist die Vereinigung Pro Bambini in Kabul, die sich um Waisenkinder und Behinderte, vor allem Kriegsversehrte kümmert.
Katholische Pfarrei besteht seit bald 100 Jahren
Die einzige katholische Pfarrei des Landes wird bald 100 Jahre alt. 1919 war Italien das erste Land, das die Unabhängigkeit Afghanistans anerkannte. Die afghanische Regierung wollte sich dafür erkenntlich zeigen und fragte in Rom nach, welche Dankesgeste man sich wünsche. Über den Heiligen Stuhl machte sich die italienische Regierung zum Sprecher der kleinen, internationalen katholischen Gemeinschaft des Landes und erbat die Erlaubnis zur Errichtung einer Seelsorgestelle und das Niederlassungsrecht für einen katholischen Priester. Beides wurde 1921 von der afghanischen Regierung gewährt. Doch bis 1931 wurde die Stelle nicht besetzt. Mussolini wandte sich an Papst Pius XI. und dieser entschied, daß ein Barnabit nach Kabul zu entsenden sei. „Am 1. Januar 1933 kam mein erster Mitbruder in Kabul an. Ich bin inzwischen der fünfte Barnabit in Afghanistan“, so Pater Giuseppe, der in der Öffentlichkeit durch nichts als Priester zu erkennen ist, wie es das Gesetz ihm aufzwingt.
„Im Seminar haben wir Missionaren unseres Orden Briefe geschrieben. Ich entwickelte eine Sympathie für den in Kabul.“ 1977 besuchte er ihn zum ersten Mal und übernahm 1978 dessen Vertretung, als sich sein Mitbruder operieren lassen mußte. „1990 wurde ich schließlich sein Nachfolger.“ 1994 wurde Pater Giuseppe bei einem Angriff auf die italienische Botschaft verletzt. Nach der Genesung kehrte er wieder nach Afghanistan zurück. Seit 2001 ist seine Stelle kirchenrechtlich in eine Missio sui iuris verwandelt worden, die damit die Funktionen einer Diözese hat.
„Mir war der Missionar von Kabul nahe. Schließlich bin ich sein Nachfolger geworden.“
Was hat sich seit seinem ersten Besuch 1977 alles geändert in diesem umkämpften Land? „Als ich erstmals hierher kam war es ein Land des Friedens, das sich innerhalb kurzer Zeit in einen Kriegsschauplatz verwandelte, aus dem es nicht mehr herauszukommen scheint. Damals konnte man sich völlig frei auf den Straßen bewegen. Es gab keine Angst. Frei bewegen konnte man sich auch noch unter der Sowjetbesatzung. Als 1992 die Mujahedin kamen und dann die Taliban, hat sich alles verändert, vor allem für die Frauen. Für sie vor allem begann der große Terror. Allein in Kabul gibt es heute 40.000 Bettler und 4000 Waisenkinder, die auf der Straße leben. Ich bin der Überzeugung, daß der Umschwung über die Frauen geschehen muß und kann“, so der Barnabitenpater.
„Schule des Friedens“ mit 1100 Schülern – Bei uns bleiben Mädchen an der Schule
Der frühere Militärkaplan hat eine „Schule des Friedens“ gegründet. Möglich wurde ihm das durch eine großzügige Zuwendung von Papst Johannes Paul II. In der Schule werden heute 1100 Schüler von der ersten bis zur 12. Klasse unterrichtet. Sie befindet sich nicht in der Hauptstadt, sondern in einem Dorf am Land. „Die internationalen Hilfsorganisationen konzentrieren sich auf die Hauptstadt, weil sie selber sich dort am sichersten fühlen. Die ländlichen Gegend werden dadurch aber vernachlässigt“, so Pater Giuseppe. An der Schule gibt es neben den Klassenräumen verschiedene technische Labors, auch einen Computersaal und einen Fußballplatz. „Wir haben einen Weg gefunden, die Mädchen an der Schule zu behalten. In Afghanistan ist es üblich, daß die Mädchen nur die Grundschuljahre machen und dann von den Familien gezwungen werden, nach Hause zurückzukehren. Wir haben daher eine ganz besondere Form von Studienstipendien entwickelt, die nicht in Geld bestehen, sondern in Naturalien. In bestimmten Abständen werden an die Familien Reis- und Mehlsäcke verteilt. So besteht ein Interesse der Familien daran, auch die Mädchen an der Schule zu belassen. Das funktioniert ausgezeichnet.“
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild. Asianews