(Vatikan) „Macht, krankhafte Sexualität, Geiz, moralische Verworfenheit: die großen Medien machen sich zum Instrument anonymer Denunzianten. Und sie beleidigen damit Millionen von Lesern, Gläubigen und Nicht-Gläubigen.“ Mit diesen Worten umreißt der bekannte italienische Intellektuelle und Chefredakteur der Tageszeitung Il Foglio, Giuliano Ferrara, einen Medieneintopf aus „Sex, Crime and Vatican“, der rund um das Konklave zusammengerührt wird. Die Installierung eines gewünschten, „weltoffenen“ Papstes ist dabei bloß sekundäres Ziel. In erster Linie geht es um die Beschädigung der kirchlichen Autorität, durch Untergrabung ihrer Glaubwürdigkeit. Sie soll in die Gosse gezogen und dem Gespött preisgegeben werden.
Katholiken und Nicht-Katholiken tun gut daran, alles was sie in den nächsten Tagen über angebliche vatikanische Intrigen und „Enthüllungen“ über „papabili“, Kardinäle und Mitarbeiter der „Römischen Kurie“ zu lesen oder zu hören bekommen, möglichst schnell wieder zu vergessen. Kaum fünf Prozent davon nämlich werden wahr sein. Autoren wie Yallop und Dan Brown haben mit phantastischer Belletristik die allgemeine Wahrnehmung bis zu einem gewissen Punkt korrumpiert. Eine sachliche Prüfung ist erst wieder nach dem Konklave möglich. „Klerus und Gläubige sollten die entwürdigende, säkularistische Belagerung durchbrechen“, fordert daher der – laut Selbstdefinition – „fromme Atheist“ Ferrara.
Sex, Crime and Vatican – „Entwürdigende säkularistische Belagerung durchbrechen“
„Die Verleumdungsstrategie hat schon begonnen, noch ehe der Hubschrauber Benedikt XVI. nach Castel Gandolfo gebracht hat und noch bevor die Glocken ertönt sind, die der Welt die Sedisvakanz verkünden, mit einem lebenden Papst als der Welt verborgener betender Zeuge. Die Strategie ist bereits in vollem Gange und noch niemand begehrt dagegen auf und empört sich über den Skandal. Die großen Zeitungen überschlagen sich mit anonymen Enthüllungen, die von Machtkämpfen, sexuellen Verirrungen, von quasi-kriminellen Lobbys innerhalb des Klerus sprechen. Der Interpretationsschlüssel ist auch gleich zur Hand, um dem Ganzen den Eindruck der Glaubwürdigkeit zu verschaffen: Der Verzicht des Bischofs von Rom auf den Stuhl Petri sei eine Flucht vor den Intrigen.“
Was nützt es da, daß unverdächtige Zeugen aus erster Hand das Gegenteil beteuern, wie es der Journalist Peter Seewald gegenüber dem Magazin Focus getan hat.
Ferrara bezieht sich vordergründig auf die europäische Presse links der Mitte. Der Heilige Stuhl gab bekannt, daß der Abschlußbericht der vom Papst zum Vatileaks-Skandal eingesetzten Untersuchungskommission am 1. März der Generalkongregation der Kardinäle zugänglich gemacht wird. Die Kongregation unterliegt der Geheimhaltungspflicht. Schmutzige Wäsche interner Rivalitäten samt Dokumentenklau sind nicht vor einer sensationslüsternen Medienöffentlichkeit auszubreiten. Alle Kardinäle sollen aber, so der Wunsch des Papstes, Einblick in die Akte haben, um sich vor der Papstwahl selbst ein Bild machen zu können.
Diese Ankündigung nützt eine kirchenferne Presse, um anonym, ihre eigenen „Dossiers“ zu veröffentlichen, die angeblich natürlich Ausschnitte aus dem echten Dossier seien. Aber echt, nicht echt, was spielt das in den Redaktionen schon für eine Rolle. Da die Ankündigung besagt, daß das offizielle Dossier auch weiterhin geheim bleiben wird, haben gewisse Journalisten Hochsaison. Der Vorwurf gilt dabei nicht der vatikanischen Diskretion, sondern dem medialen Hang zur Indiskretion.
Große und kleinen denunziatorische Aktionen rund um den Erdball: Kardinal Dolan eines der Opfer
Ferraras Analyse trifft derzeit aber auf zahlreiche größere und kleinere denunziatorische und perfide Aktionen zu, die rund um den Globus mit „geheim“, „vertraulich“, „anonym“ unter der Hand herumgereichten „Dossiers“, „Informationen“, „Enthüllungen“ geschieht.
Eine solche Aktion ist derzeit in den USA zur Diskreditierung des New Yorker Erzbischofs Timothy Kardinal Dolan im Gange. Der streitbare Erzbischof wird mit solcher „Pünktlichkeit“ in Schlagzeilen mit dem Pädophilie-Skandal der Vergangenheit in Zusammenhang gebracht, daß zwangsläufig Vorsicht geboten scheint. Mit Recht. Fakten spielen ohnehin keine Rolle, die sind längst bekannt und abgearbeitet. Gegen Dolan wurde nie ein Vorwurf erhoben, ganz im Gegenteil. Er ist einer der entschiedensten Verfechter der Reinigungsaktion Benedikts XVI. „Pünktlichkeit“, weil die Aktion prompt in dem Augenblick startete, als der New Yorker Oberhirte plötzlich als möglicher nächster Papst genannt wurde. Die Aktion folgt einem bekannten Muster. Was zählt, ist: Dolan mit Pädophilie in Zusammenhang zu bringen. Wer liest schon das Kleingedruckte? Der Kardinal soll in die Defensive gedrängt werden, denn schließlich lautet das Ziel jeder Denunziation: Etwas Dreck wird schon hängenbleiben. Es konnte daher niemand anderes als die New York Times sein, die den Auftakt zur Papst-Dolan-Verhinderungsaktion machte. Journalistisch gekonnt, wenn auch ethisch im freien Fall, vermied es das liberale Flaggschiff der USA, eine direkte Anschuldigung zu formulieren. Wie könnte sie auch. Sie begnügt sich mit Andeutungen, fein abgewogenen Hinweisen, zahlreichen Allgemeinplätzen, die zusammengenommen einen generellen Verdacht erzeugen sollen. Was zählt ist, den Namen Dolans in irgendeine Nähe zur Pädophilie zu rücken.
Anlaß bot die Anhörung Dolans durch einen Staatsanwalt. Die Sache, zu der er befragt wurde, liegt neun Jahre zurück, als Dolan wie Augias den Stall entmistete – bereits bevor es Joseph Kardinal Ratzinger als Papst für die Gesamtkirche tun konnte. Der Bischof brachte Priester seiner damaligen Diözese Milwaukee wegen des konkreten Verdachts auf sexuellen Mißbrauch zur Anzeige. Rechtlich und moralisch sind die Dinge aufgearbeitet und zwar unter großen Opfern für die Diözese, die Dolan als Teil der notwendigen Katharsis auf sich nahm.
Nicht nur liberale Katholiken wollen in den USA Dolan nicht auch noch als Papst in Rom sehen
In der nunmehrigen Anhörung ging es im Zusammenhang mit den Fällen von damals um einen Verdächtigen, der allerdings nie in irgendeiner Form Angestellter der Diözese war. Die Anhörung mußte zwangsläufig erfolgen. Die Sachen wurden geklärt. Der für die Person des heutigen Erzbischofs völlig harmlose Vorgang paßt manchen jedoch perfekt ins Konzept. Liberale Medien wie die New York Times oder das Magazin New York, die sich zu einem Dauerkrieg gegen den „konservativen Dolan“ berufen fühlen, der es beim Schutz des Lebens auch vor den Präsidentschaftswahlen wagte, sich gegen die Regierung Obama zu stellen, ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen. Und im Handumdrehen, indem man einige Dinge einfach etwas auf den Kopf stellte, wurde aus einem der entschiedensten Saubermänner, der die Kirche vom „Schmutz“ (Joseph Kardinal Ratzinger kurz vor seiner Wahl zum Papst) befreite, fast selbst ein „Beschmutzter“.
Nicht nur in den USA blieb es nicht unbeobachtet, daß ein Bischof aus einer verhältnismäßig unbedeutenden Diözese wie Milwaukee zum Erzbischof des wichtigen New York ausstieg und innerhalb von nur zwei Jahren zum Vorsitzender der amerikanischen Bischofskonferenz und Kardinal avancierte. Ein Mann, dem selbst seine Gegner bescheinigen, über Charisma zu verfügen, ein großer Kommunikator zu sein und trotz seiner Ernsthaftigkeit einen ungewöhnlich herzhaften Humor. Grund genug, daß ihn in den USA nicht nur liberale katholische Kreise nicht auch noch als Papst in Rom sehen wollen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Una Fides