von Günter Annen
Von der Kehrtwende Kardinal Meisners bei der Beurteilung der „Pille danach“ wurden viele Katholiken überrascht. Hatte er noch bis vor kurzem das Präparat als Mittel zur Frühabtreibung eingestuft, will er das so nicht mehr behaupten.
Bei seiner Entscheidung beruft er sich auf „neueste, wissenschaftliche Forschungsergebnisse“, die ausgerechnet von der Präsidentin des Internationalen Vereins der Abtreibungsärzte „FIAPAC“ (International Federation of Professional Abortion and Contraception Associates) stammen.
Die Kirche dürfe sich wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht verschließen. Und die hätten ergeben, daß es neue Präparate mit unterschiedlichen Wirkprinzipien gäbe. Es gäbe Präparate, die als Wirkprinzip die Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter nicht verhindere, sondern nur den Eisprung so lange verzögere, bis es nicht mehr zu einer Zeugung kommen könne. Damit seien diese „Pillen danach“ , z.B. nach einer Vergewaltigung, vertretbar. Doch sei zu beachten, daß die Kirche mit ihrer sogenannten „Pillen-Enzyklika“ Humanae Vitae aus dem Jahr 1968 zwar auch die Verhütung verboten habe, dabei aber vom Geschlechtsakt der ehelichen Liebe ausgehe. Davon sei natürlich nicht eine „verbrecherische Befruchtung“ abgedeckt, von der man bei einer Vergewaltigung sprechen müsse.
Die angeblich so revolutionären, neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse, die alle früheren Forschungen über den Haufen werfen sollen, wurden in einer gemeinsamen Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin publiziert und bilden die Grundlage der Entscheidung von Kardinal Meisner. In diesem Papier wird in der entscheidenden Frage nach der nidationshemmenden und damit abtreibenden Wirkungsweise der „Pille danach“ die Studie der Schwedin Kristina Gemzell Danielsson zitiert, die am Karolinska Institut in Stockholm forscht.
Frau Prof. Dr. Gemzell Danielsson wurde vor vier Jahren Präsidentin des Internationalen Verbands der Abtreibungsärzte „FIAPAC“, nachdem der bekannte Wiener Abtreiber Dr. Christian Fiala vom Präsidentenamt zurückgetreten war.
Zudem ist Frau Prof. Gemzell Danielsson eng verbunden mit der Deutschen Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung „pro familia“. In den Einrichtungen der „pro familia“ halten sie und andere Abtreiberkollegen immer wieder Vorträge und werden auch in eigenen Publikationen erwähnt. „pro familia“ betreibt mindestens vier „medizinische Zentren“ in Deutschland, in denen jährlich schätzungsweise 5.000 Kinder im Mutterleib getötet werden und 2.5000.000 Euro an Blutgeld eingenommen wird. Über 80 % der sogenannten Beratungsscheine, die eine rechtswidrige, aber dennoch straffreie Abtreibung ermöglichen, sollen von „pro familia“ ausgestellt werden.
Was veranlasst nun Kardinal Meisner für diese unsägliche „Pillenerklärung“ , die zwar auf den ersten Blick keine falschen Aussagen aber beim genaueren Hinschauen zumindest einige Fragen aufwirft. Unverständlich ist besonders, warum man die Studie der Präsidentin des weltweit arbeitenden Abtreibervereins FIAPAC als Beweis dafür heranzieht, daß die neue „Pille danach“ angeblich nur eine Ovulationshemmung und nicht eine Nidationshemmung verursacht.
War es der Druck der Massenmedien, die möglicherweise die Abweisung eines „Vergewaltigungsopfers“ an katholischen Krankenhäusern in Köln konstruiert hatten? Oder zum anderen der Einfluß vom Katholikenausschuss, einer Vereinigung katholischer Laien im Erzbistum Köln, die die Liberalisierung der Kirche betreiben? Oder gar die Ärzteschaft der katholischen Kliniken selbst, die zu 60 % aus Nichtkatholiken besteht und sich vom mahnenden Zeigefinger der katholischen Morallehre nicht selten bevormundet fühlt? Oder hatte der Kardinal einen Berater, wohlmöglich den Bestsellerautor und ärztlichen Direktor am katholischen Alexianer Krankenhaus in Köln-Porz, Herrn Manfred Lütz?
In Kölner Kreisen munkelt man, er habe Kardinal Meisner den Rat erteilt, sich bei seiner Entscheidung auf neueste wissenschaftliche Studien der FIAPAC-Präsidentin zu stützen, die eine abtreibende Wirkung der „Pille danach“ leugnet.
Doch hätte Kardinal Meisner wissen müssen, daß sein Berater schon im Jahre 2011 in einem Interview gegenüber Radio Vatikan das wissenschaftlich nachgewiesene Post-Abortion-Syndrom, also die posttraumatische Belastungsstörung nach der Abtreibung eines Kindes, als Wunschdenken der Lebensschützer und als „letztlich naiv“ bezeichnet hat, was ihn als kirchlichen Berater hätte disqualifizieren müssen. Kardinal Meisner wollte sicher ein Problem lösen, doch merkte er nicht, daß er vielleicht in die Falle ging?
Günter Annen ist Initiator der Initiative Nie Wieder!