(Bonn) Die Glaubwürdigkeitsfalle „Weltbild“ führte gestern, Montag, in Würzburg zu einer Krisensitzung des Ständigen Rats der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD). Der VDD, mit 24,2 Prozent der größte Anteilseigner an der Verlagsgruppe Weltbild GmbH, beschloß die „unverzügliche Einberufung einer Gesellschafterversammlung der Verlagsgruppe Weltbild GmbH“. Der Verkauf der Weltbild-Gruppe solle „ohne jeden Verzug“ sofort aufgenommen werden.
Begründet wird die Verkaufsentscheidung damit, daß die Geschäftsführung eine Linie verfolgt habe, „die den ideellen Zielen der Gesellschafter [sprich den deutschen Bischöfen] widersprechen.“ Die „Glaubwürdigkeit“ der „Gesellschafter“ der Verlagsgruppe, direkt und indirekt die deutschen Bischöfe, habe „darunter gelitten“.
Gleichzeitig sprach die VDD-Vollversammlung jedoch der kirchlichen Hauptfigur rund um Weltbild, dem Jesuitenpater Hans Langendörfer ihr „uneingeschränktes Vertrauen“ aus. Langendörfer ist Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Geschäftsführer der VDD und Aufsichtsratsmitglied der Weltbild-Gruppe, wo er offiziell den VDD, faktisch aber 100 Prozent der Eigentümer vertritt.
Die VDD ersetzte nach dem Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Donaubauer die freigewordenen Aufsichtsrätsposten und bestätigte gleichzeitig die verbliebenen, darunter auch Pater Langendörfer.
Am Ende der VDD-Stellungnahme steht ein vergifteter Satz: „Die deutschen Bischöfe, die der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands angehören, bedauern die verzerrende und unangemessene Weise der publizistischen Auseinandersetzung mit den anstehenden Fragen namentlich in Medien, die der Kirche nahestehen.“ Langendörfer, durch dessen Hände auch die Ausarbeitung der Stellungnahme ging, konnte sich einen Seitenhieb nicht verkneifen und fügte der ohnehin angeschlagenen Glaubwürdigkeit der Bischöfe in dieser Frage noch einen weiteren Schaden hinzu.
Tatsache ist, daß die deutschen Diözesen als 100prozentige Eigner der Weltbild-Unternehmensgruppe seit Jahren ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind. Das gilt offensichtlich in erster Linie für den Multifunktionär Pater Langendörfer. In keiner anderen Hand laufen alle Weltbild-Fäden zusammen. Die Frage steht unbeantwortet im Raum, was Langendörfer und die anderen Aufsichtsräte bisher innerhalb und außerhalb des Aufsichtsrats taten. Der Weltbild-Skandal wurde in den vergangenen Jahren immer wieder thematisiert, ohne daß die deutschen Bischöfe oder deren Aufsichtsratsvertreter tätig wurden.
Dies bestätigte der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, als er vor der gestrigen Sitzung erklärte, er lasse sich nach „acht Jahren“ nicht länger vertrösten und verlange eine klare „Trennung“ von der Weltbild-Unternehmensgruppe. Der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx nahm dieselbe Haltung ein: „Wir können noch so große Medienkonzerne haben – wenn sie nicht das Ziel haben, das Evangelium zu verkünden, geht es in die falsche Richtung“, sagte er.
Der nunmehrige Beschluß der deutschen Bischöfe, sich von „Weltbild“ zu trennen, geht nicht auf eine Initiative der von ihnen entsandten Aufsichtsräte wie Langendörfer zurück, sondern auf nicht von der Bischofskonferenz kontrollierte katholische Medien, die in einem erneuten Anlauf den Weltbild-Skandal bekanntmachten. Folge war eine Protestwelle von Katholiken in zahlreichen Internetforen und mit Briefen an die deutschen Bischöfe.
Die von den Bischöfen direkt kontrollierten katholischen Medien bemühten sich die Angelegenheit möglichst herunterzuspielen. So auch gestern die Katholische Presseagentur Österreichs, die berichtete, die Weltbild-Gruppe stehe „seit längerem“ in der Kritik, weil „ein kleiner Teil“ des Gewinns mit „Erotik- und Esoterik-Medien gemacht wird“.
Wäre der Anteil so klein, wie auch die Weltbild-Geschäftsführung in den vergangenen Wochen behauptete, müßte der Umbau durch Trennung von diesem „kleinen Teil“ leicht durchführbar sein. Ein Vorgang, der bereits in den vergangenen Jahren problemlos umgesetzt hätte werden können. Da dies nicht geschehen ist, scheint dem eben nicht so zu sein, weshalb die Bischöfe, die über die genauen Zahlen verfügen, nun den Verkauf des gesamten Unternehmens beschlossen.
Tatsächlich steht die Frage über die Zukunft des Unternehmens im Raum. Ist es wirklich undenkbar, daß ein Buchhandelsunternehmen ohne Pornographie und Esoterik überleben kann? Ist ein Umbau der Weltbild-Gruppe in Einklang mit den katholischen Überzeugungen durch Verzicht auf anstößiges Material undenkbar? Wenn dem tatsächlich so sein sollte, haben die deutschen Bischöfe gestern einen richtigen, längst überfälligen Schritt zur Trennung vom ganzen Unternehmen getroffen.
Das „uneingeschränkte Vertrauen“ das Pater Langendörfer ausgesprochen wurde, ist ein Gradmesser für die Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Bischofskonferenz. Die Kritik an den „Weltbild“-Geschäften, an erster Stelle durch Papst Benedikt XVI. selbst, war so groß, daß sich in dieser Frage die romnahe Minderheit durchzusetzen vermochte.
Eine Ablösung Langendörfers als Weltbild-Aufsichtsrat hätte auch seine Ablösung als DBK-Sekretär und VDD-Geschäftsführer unumgänglich gemacht. Ein solcher Schritt konnte gegen die Mehrheit um Erzbischof Zollitsch und Kardinal Lehmann nicht durchgesetzt werden. Sie hätte die austarierten, komplexen Gleichgewichte in der Bischofskonferenz gesprengt. Das Ergebnis ist ein Kompromiß unter vielen, der allerdings ein gewisse Achsenverschiebung hin zu einer neuen Mehrheit andeutet. Die Bestätigung Langendörfers scheint bereits die Zeit nach Langendörfer in sich zu bergen.
Bleibt noch die Frage, ob bei dem Verkauf des Unternehmens auch das gelagerte oder selbst produzierte Porno- und Esoterikmaterial mitverkauft und doch noch ein Geschäft damit gemacht werden soll? Oder wollen Langendörfer und seine Freunde im Namen der Bischöfe noch ein letztes Mal mit Pornos und Esoterik fest absahnen?
Text: Giuseppe Nardi