(Rom/Econe) Die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Priesterbruderschaft St. Pius X. scheinen im Monat Juni in eine entscheidende Phase zu treten und möglicherweise dem Wendepunkt zuzustreben.
Mit Pfingsten 2011 vollendet sich, was der Generalobere der Piusbruderschaft, Msgr. Bernard Fellay als Voraussetzung für die Aussöhnung genannt hatte:
- Das Motu proprio Summorum Pontificum vom 7. Juli 2007, bekräftigt durch die Instruktion Universae Ecclesiae vom 30. Mai 2011 erkennt jedem katholischem Priester das Recht zu, die Heilige Messe im Alten Ritus zu zelebrieren;
- Mit Dekret vom 21. Januar 2009 wurde die Exkommunikation der vier Bischöfe der Bruderschaft zurückgenommen;
- Eine Theologenkommission der Bruderschaft wurde von Rom eingeladen, um mit der Glaubenskongregation Fragen der Glaubenslehre zu diskutieren. Am Dialogtisch sitzen gleichberechtigt drei Theologen der Glaubenskongregation und der Piusbruderschaft, um zu prüfen, welche Übereinstimmung es in der Bewahrung des Glaubensgutes gibt und ob die Voraussetzungen gegeben sind, den Bruch zwischen Rom und den Nachfolgern von Msgr. Marcel Lefebvre zu überwinden.
In seinem jüngsten Interview, das Msgr. Fellay in Gabun gab, und das auf der Internetseite DICI der Piusbruderschaft veröffentlicht wurde, stellt sich der Generalobere zwei Fragen über die Zukunft der Bruderschaft und das Verhältnis zu Rom. An welchem Punkt befinden sich die Kontakte mit Rom? Ist mittelfristig mit einer Normalisierung dieser Beziehungen zu rechnen?
Fellay: „Die Kontakte gehen weiter. Wir kommen wahrscheinlich zum Ende einer Diskussionsphase. Die Sache ist noch nicht vollkommen klar. Was wird geschehen? Was wird das Ergebnis dieser Phase sein? Was sieht Rom für uns vor? Wir dürfen uns keinen falschen Illusionen hingeben: Wir befinden uns inmitten der Kirchenkrise, die noch keineswegs beendet ist. Was ist unsere Bestimmung in dieser Krise? Ich denke, daß der gütige Gott uns auf irgendeine Weise mit dieser Krise verbunden hat, weil wir am Wiederaufbau der Kirche arbeiten. Das kann aber noch ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen, vielleicht auch zwei. Es braucht viel Mut und Ausdauer. Alles kann sich bereits morgen lösen, oder übermorgen. Es liegt alles in Gottes gütigen Händen. Unsere Aufgabe ist es einfach nur treu zu bleiben.“
Die doktrinalen Gespräche zwischen dem Heiligen Stuhl und der Piusbruderschaft scheinen an ihr Ende gelangt zu sein. Wie vorgesehen, wird nun die Glaubenskongregation den Inhalt der Gespräche prüfen. Am Ende des Prüfungsverfahrens werden deutlich die Übereinstimmungen, aber auch die Unterschiede zum Zweiten Vatikanischen Konzil und zur neuen Liturgie benannt sein. „Nach einer sehr langen, sicher providentiellen Reifung bedeutet dies mehr Klarheit, aber auch die von beiden Seiten vor wenigen Jahren noch nicht für möglich gehaltene Gnade, direkt und in einer offenen Diskussion alle Kernfragen der Probleme angesprochen zu haben“, schreibt die Internetseite Messa in Latino. Am Ende könnte eine Einigung stehen, wie sie bereits 1988 zwischen dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation Joseph Kardinal Ratzinger und Erzbischof Marcel Lefebvre erzielt worden war. Eine Einigung, die einige unterschiedliche Sichtweisen, die erst die Zukunft klären könne, offenläßt. Die Einigung war also bereits einmal erzielt worden, scheiterte dann aber an der Forderung der von Msgr. Lefebvre gewollten und schließlich auch durchgeführten Bischofsweihen. Heute stellt sich die Frage der Bischöfe ganz anders, nicht zuletzt wegen der Rücknahme des Exkommunikationensdekrets.
So lautet für die Piusbruderschaft die zentrale Frage: „Was sieht Rom für uns vor?“ Papst Benedikt XVI., der wegen der Verhandlungen mit Msgr. Lefebvre von 1988 mit der Frage bestens vertraut ist, wird dem Generaloberen der Bruderschaft die Errichtung eines Personalordinariats vorschlagen, um der Bruderschaft und den mit ihr verbundenen Gemeinschaften eine kanonische Position in der Kirche zu geben. Damit gewährt er der Bruderschaft weitgehende Autonomie gegenüber den Diözesanbischöfen. Ein Spielraum, der für die Bruderschaft von zentraler Bedeutung ist, nicht zuletzt wegen der offen ablehnenden, teils sogar feindlichen Gesinnung mancher Bischöfe, so etwa im deutschen und französischen Sprachraum.
Wie Messa in Latino unter Berufung auf eine Ecclesia-Dei-Gemeinschaft berichtet, werde Papst Benedikt XVI. noch im Juni Msgr. Fellay eine entsprechende Lösung anbieten.
Papst Benedikt XVI. setzte in seinem bisherigen Pontifikat „immense Schritte“, um die Versöhnung mit der Piusbruderschaft und die Überwindung des Schismas zu erreichen. Dazu gehören Schritte, die keineswegs nur oder primär auf die Piusbruderschaft abzielen: Die Rede des Papstes an die römische Kurie über die Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils im Dezember 2005; das Motu proprio Summorum Pontificum mit der Zurückholung und Wiedergewinnung des Alten Ritus für die gesamte Kirche im Juli 2007; und direkt auf die Piusbruderschaft abzielend: die Aufhebung der Exkommunikationen ihrer vier Bischöfe im Januar 2009 und der Beginn der doktrinalen Gespräche der Glaubenskongregation mit der Piusbruderschaft.
Der Papst scheint die Zeit für reif zu halten, eine neue Phase einzuleiten, indem er die Priesterbruderschaft St. Pius X. und die mit ihr verbundenen Gemeinschaften aus dem Status der „Unrechtmäßigkeit“ in einen kirchenrechtlich klar umrissenen und anerkannten Status überführt.
„Beide Seiten werden viel dabei gewinnen“, kommentiert Messa in Latino. „Die Heilige Kirche überwindet einen schmerzenden Bruch und bekommt frische und entschlossene Truppen für den Kampf um den Wiederaufbau der Kirche und dessen, was in den vergangenen Jahrzehnten verlorengegangen ist. Die Piusbruderschaft reinigt sich vom Stigma der Rebellion und des ‚Schismas‘ und kann ein weit effizienteres Apostolat innerhalb der Kirche und im Namen der Kirche entfalten, ohne durch Tausende von Vorurteilen belastet und behindert zu sein, mit der sie bisher im Denken des Durchschnittskatholiken behaftet ist. Und sie würde ihre bisherige Handlungsfreiheit bewahren.“
Gebetsaufruf
Die Internetseite Messa in Latino ruft zu einem Gebet während der Pfingstoktav auf, „damit diese vielleicht einmalige Gelegenheit nicht verpaßt“ werde. Eine Gelegenheit, die „alle Katholiken“ mit „großer Hoffnung“ erfüllen müsse, ausgenommen jene, die „eine gewisse Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils mehr lieben als die Kirche“.
Die Katholiken werden aufgefordert, die gesamte Pfingstoktav vom Pfingstsonntag bis zum Dreifaltigkeitssonntag für folgendes Gebetsanliegen zu beten:
Das Gebetsanliegen:
Damit die Priesterbruderschaft St. Pius X. einen offiziellen kanonischen Status in der Heiligen Kirche erhalten möge.
Das Gebet:
V/.Veni, Sancte Spiritus,
R/. Reple tuorum corda fidelium, et tui amoris in eis ignem accende.
V./ Emitte Spiritum tuum et creabuntur;
R./ Et renovabis faciem terrae.
Oremus
Deus, qui corda fidelium Sancti Spiritus illustratione docuisti, da nobis in eodem Spiritu recta sapere, et de eius semper consolatione gaudere. Per Christus Dominus nostrum. Amen.
Komm, o Heiliger Geist
Erfülle das Herz Deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer Deiner Liebe.
Sende Deinen Geist und die Schöpfung wir neu,
Und Du wirst das Antlitz der Erde erneuern.
Lasset uns beten:
Oh Gott, der Du mit dem Licht des Heiligen Geistes die Gläubigen unterweist, schenke uns die Gnade durch diesen Geist, die wahre Hoffnung zu erkennen und immer Deine Stärkung zu erfahren. Durch Christus unseren Herrn, Amen.
Die Gläubigen werden eingeladen, den Rosenkranz in diesem Gebetsanliegen zu beten.
(Giuseppe Nardi, Bild: muniatintrantes)