(Paris) Der französische Senat lehnte nach einer langen, angeregten Debatte einen Gesetzentwurf ab, mit dem die Euthanasie legalisiert werden sollte. Am 18. Januar hatte die Gesetzgebungskommission für soziale Angelegenheiten des Senats den Entwurf genehmigt. Am Dienstag wurde er jedoch von einer Mehrheit von 170 gegen 142 Senatoren angelehnt. Vor der Abstimmung sprach sich auch Minister Francois Fillon gegen das Gesetz aus: „Persönlich stehe ich der Legalisierung einer aktiven Sterbehilfe ablehnend gegenüber.“
Verschiedene Initiativen mobilisierten gegen den Gesetzesentwurf, so die Vereinigung „Plus digne la vie“, zu deren Gründern die Nobelpreisträger Elie Wiesel (Schriftsteller) und Francoise Barré-Sinoussi (Virologe) gehören. Sie sammelte Tausende Unterschriften, darunter auch jene des Chirurgen Laurent Lantieri, der die erste Gesamtgesichtstransplantation durchführte. „Für ein Gesetz stimmen, das die Euthanasie legalisiert, hieße jeden möglichen Fortschritt der Medizin zu leugnen“, so der Arzt gegenüber Le Monde. Die französische Ärzteschaft allgemein äußerte ihre Ablehnung: „Die Einführung eines solchen Rechts bedeutet die verwundbarsten, kranken und behinderten Menschen unkontrollierbaren Folgen auszusetzen.“ Abgesehen davon würde das Gesetz „das Vertrauen der Kranken in die Ärzte und das Pflegepersonal kompromittieren und die Ärzte selbst einem extremen Druck aussetzen“, so die Ärztekammer.
Der Erfolg der Nein-Stimmen war nicht leicht. Kurz vor der Abstimmung veröffentlichte eine parteiische Presse eine Umfrage, wonach 94 Prozent der Franzosen für die Euthanasie seien, wenn auch nur in bestimmten und zudem streng kontrollierten Fällen. Bereits seit 2005 gibt es in Frankreich ein Gesetz, das eine medizinische Behandlung „um jeden Preis“ untersagt.
So sind es auch in Zukunft „nur“ drei Staaten, die in Europa den „süßen Tod“ legalisiert haben: die Niederlande (das erste Land weltweit, das 2001 die aktive Tötung entkriminalisierte), Belgien und Luxemburg. Die Debatte wird auch nach dem französischen Nein kaum verstummen. Die Schweiz erlaubt bereits heute die „Mithilfe“ bei „Selbstmord“, wenn sie „uneigennützig“ erfolgt. 2010 gab es in mehreren Ländern Signale, die einen weiteren Dammbruch andeuten. In der Bundesrepublik Deutschland sprach sich der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil für die „passive Sterbehilfe“ aus. Am 25. Juni 2010 gab er einer Frau Recht, die ihrer seit fünf Jahren im Koma liegenden Mutter den Nahrungsschlauch durchtrennte.
In Schweden gab die staatliche Gesundheitsbehörde ein positives Gutachten zur Euthanasie ab. In Spanien sprach sich das Parlament von Andalusien für einen „würdigen Tod“ aus. Eine Formulierung, die in Wirklichkeit nach der Legalisierung der Tötung ungeborener Kinder im Mutterleib auch bei Geborenen das Tötungsverbot durchlöchern soll.
(La Bussola quotidiana/Giuseppe Nardi, Bild: BQ)