(Turin) Silvio Viale, der italienische Gynäkologe, der in Italien seit 2005 die Abtreibungspille RU486 „testete“, wurde wegen „Verdacht auf Gewalttätigkeit am Arbeitsplatz“ vom Dienst suspendiert. Eine Oberschwester im Kreissaal hatte den Arzt bei der Krankenhausdirektion zur Anzeige gebracht. Viale sei bei einem Streit zwischen den beiden gewalttätig geworden und habe ihr einen Finger gebrochen.
Der streitbare Viale, der am Turiner St.-Anna-Krankenhaus arbeitet, wendet dort seit fünf Jahren als erster Arzt Italiens die Abtreibungspille RU486 an. Die Erlaubnis dazu erteilte 2005 die damalige italienische Linksregierung, die damit das Verfahren für die Einführung der Tötungspille in Italien einleitete. Gegen die Einführung und Anwendung von RU486 regte sich massiver Widerstand von Lebensschutzgruppen und der katholischen Kirche. Radikale Gruppen der Linken und der Liberalen unterstützten Viales Vorgehen und stilisierten die Einführung der Abtreibungspille zu einem ideologischen Kampf für die „sexuelle Befreiung“ und gegen die „kirchliche Bevormundung“.
Der Streit Viales mit der Oberschwester geschah am 30. September. Viale spielte gegenüber der Presse den Vorfall herab, erklärte sich aber gleichzeitig zum „Opfer“ einer „politischen Intrige“. Ganz anders die Darstellung der Krankenhausdirektion. Diese gab bekannt, eine präventive Suspendierung vom Dienst angeordnet zu haben, weil der Vorfall schwerwiegend sei. Innerhalb von 90 Tagen müsse nun eine Disziplinarkommission über weitere Schritte im Fall entscheiden.
Nach Abschluß des Prüfungsverfahrens wurde RU486 am 9. Dezember 2009 in Italien zugelassen. Seither ist die Abtreibungspille in den linksregierten Regionen Piemont, Emilia-Romagna, Apulien und Trentino in Tageskrankenhäusern erhältlich. In den Regionen Toskana, Marken, Lombardei und Venetien nur bei stationärer Behandlung. In allen anderen Regionen gibt es noch keine Durchführungsverordnungen.
(Giuseppe Nardi, Bild: flickr/Radicali Milano)