John Henry Newman ein neuer Augustinus – Leuchtendes Beispiel für Katholiken und Anglikaner


(London/​Rom) Hun­der­te von Angli­ka­nern, die zum katho­li­schen Glau­ben kon­ver­tier­ten. Auch die­se Zeug­nis­se fan­den Ein­gang in den umfang­rei­chen Pro­zeß, den die Hei­lig­spre­chungs­kon­gre­ga­ti­on durch­führ­te, um schließ­lich zur Selig­spre­chung des eng­li­schen Kar­di­nals John Hen­ry New­man zu kom­men, jener her­aus­ra­gen­den Gestalt des 19. Jahr­hun­derts. New­man selbst war Kon­ver­tit und war die­sen Weg zurück in die Ein­heit mit Rom gegan­gen. Die­se Bekeh­rungs­zeug­nis­se ver­an­laß­ten den Papst im Tem­po zuzu­le­gen, denn seit eini­ger Zeit war bekannt, daß durch die inne­re Unru­he unter den Angli­ka­nern eine neue Kon­ver­si­ons­wel­le ber­vor­ste­he. Für sie erließ Papst Bene­dikt XVI. die Apo­sto­li­sche Kon­sti­tu­ti­on Angli­ca­n­o­rum Coe­ti­bus. Und nicht zuletzt vor allem für sie wird er in Cof­ton Park am Stadt­rand von Bir­ming­ham am kom­men­den 19. Sep­tem­ber per­sön­lich die Selig­spre­chung von New­man vor­neh­men. Der Angli­ka­ner New­man, der katho­li­scher Prie­ster und schließ­lich Kar­di­nal wur­de, ist das her­aus­ra­gend­ste Bei­spiel die­ser Rück­kehr­be­we­gung nach Rom, von der pro­te­stan­ti­schen Welt zurück in die katho­li­sche, von der Rebel­li­on gegen das Papst­tum zur demü­ti­gen Unter­ord­nung unter Rom und in Ein­heit und Gemein­schaft mit Rom.

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Pater Fidel Gon­za­lez-Fer­nan­dez, ein Com­bo­ni-Mis­sio­nar, unter­rich­tet Kir­chen­ge­schich­te an der päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Gre­go­ria­na in Rom und ist Kon­sul­tor der Hei­lig­spre­chungs­kon­gre­ga­ti­on. Er wirk­te als Histo­ri­ker am Selig­spre­chungs­pro­zeß von Kar­di­nal New­man mit. In zahl­rei­chen Vor­trä­ger sprach er bereits rund um den Erd­ball über den eng­li­schen Kon­ver­ti­ten. „Es gibt min­de­stens 10.000 beleg­te Kon­ver­sio­nen von Angli­ka­nern zur katho­li­schen Kir­che, die auf New­man zurück­ge­hen. Im Ver­fah­ren haben wir nur bei­spiel­haft 200 Fäl­le berück­sich­tigt“, so der Kir­chen­hi­sto­ri­ker. Vie­le Zeug­nis­se berich­ten auch von einer Bekeh­rung von Angli­ka­nern zu einem tie­fe­ren, rei­ne­ren angli­ka­ni­schen Glau­ben. Tat­säch­lich hat­te sich New­man vor sei­ner Kon­ver­si­on für ein neu­es, tie­fe­res angli­ka­ni­sches Glau­bens­ver­ständ­nis ein­ge­setzt und ver­sucht auf­zu­zei­gen, daß auch im Angli­ka­nis­mus der Weg der Hei­lig­keit gang­bar sei. „So lie­gen uns auch zahl­rei­che Zeug­nis­se von Per­so­nen vor, die bele­gen, daß New­man eine Erneue­rungs­be­we­gung in der angli­ka­ni­schen Glau­bens­ge­mein­schaft aus­lö­ste“, so Pater Gon­za­lez-Fer­nan­dez. „Ein Weg, den er selbst jah­re­lang ver­folg­te.“ New­man warf den Angli­ka­nern vor, zwei­deu­tig, rela­ti­vi­stisch und in gewis­ser Wei­se der apo­sto­li­schen Tra­di­ti­on untreu zu sein. Auf der berühm­ten Syn­ode von Oscott gab New­mann eine tief­schür­fen­de und har­te Ana­ly­se ab über sei­ne angli­ka­ni­sche Kir­che, die er von einem theo­lo­gi­schen Libe­ra­lis­mus und einer star­ken Ver­welt­li­chung infi­ziert sah. „Er sah bereits damals in gewis­ser Wei­se die gro­ße Kri­se der angli­ka­ni­schen Kir­che von heu­te vor­aus“, so der Ordi­na­ri­us für Kirchengeschichte.

Die Kri­se der Angli­ka­ner ist beacht­lich. Prie­ster, Ordens­leu­te und Gläu­bi­ge, die sich durch eine aus­ge­präg­te Lax­heit in Glau­bens­fra­gen kenn­zeich­nen. Eine undif­fe­ren­zier­te Öff­nung des Angli­ka­nis­mus gegen­über allen Moden der Welt, von der Frau­en­or­di­na­ti­on bis zur Homo-“Ehe“. Wel­che Früch­te trägt die­se Ver­welt­li­chung? Der angli­ka­ni­sche Glau­bens­ei­fer in den west­li­chen Län­dern scheint einen abso­lu­ten Tief­punkt erreicht zu haben, die Zah­len der Kirch­be­su­cher sind erschreckend gering. Die Fol­ge ist eine wach­sen­de Unru­he unter den glau­bens­treu­en Angli­ka­nern, die gegen den schlei­chen­den Zer­set­zungs­pro­zeß zu rebel­lie­ren began­nen. Papst Bene­dikt XVI. erkann­te die­ses Phä­no­men und konn­te sich der Not die­ser Gläu­bi­gen nicht ver­schlie­ßen. Er bot ihnen im ver­gan­ge­nen Jahr einen siche­ren Halt an: Rom, die Kir­che von Rom.
Und er schenkt ihnen Kar­di­nal New­man als leuch­ten­des Bei­spiel. Den Kon­ver­ti­ten, der die­sen Weg bereits im 19. Jahr­hun­dert aus den­sel­ben Beweg­grün­den her­aus gegan­gen war. Nicht alle wer­den den Weg der Kon­ver­si­on gehen. Das weiß auch Papst Bene­dikt XVI. Mit der­Se­lig­spre­chung Kar­di­nal New­mans will er auch jenen unter den rebel­lie­ren­den Angli­ka­nern, die Angli­ka­ner blei­ben wol­len, ein Bei­spiel schen­ken, das zu einem ver­tief­ten Glau­bens­ver­ständ­nis herausfordert.
Auf dem Weg zu sei­ner Bekeh­rung ent­deck­te New­man zunächst einen Drang zu einem authen­ti­schen, rei­nen Chri­sten­tum. Aus­ge­löst wur­de die­ser Drang durch den pro­te­stan­ti­schen Theo­lo­gen Tho­mas Scott von Aston Sand­ford. In Scott und sei­nen Schrif­ten ent­deck­te New­man die Über­win­dung des vor­herr­schen­den kal­ten und ratio­na­li­sti­schen Pro­te­stan­tis­mus, der damals in Mode war. Scott war ein anti­kon­for­mi­sti­scher Theologe.

Scott sprach über die Not­wen­dig­keit, eine abso­lu­te Distanz zu den irdi­schen Din­gen zu gewin­nen. Er sprach über die Rein­heit des Glau­bens. Einen Glau­ben, der nicht durch die Falsch­hei­ten der Erde ver­un­rei­nigt ist. „Das war die erste Etap­pe sei­ner Bekeh­rung. Ab die­sem Augen­blick such­te New­man die Wahr­heit. Die­se Suche ver­an­laß­te ihn fal­sche, welt­li­che, nicht authen­ti­sche Posi­tio­nen auf­zu­ge­ben“, so Pater Fidel. „Er erleg­te sich selbst ein streng aske­ti­sches und zöli­ba­t­ä­res Pro­gramm auf. Er such­te die tota­le Begeg­nung mit Gott und trat in den angli­ka­ni­schen Kle­ri­ker­stand. In Oxford begeg­ne­te er dem schlimm­sten Feind des Chri­sten­tums, dem Gno­sti­zis­mus, der damals zahl­rei­che theo­lo­gi­sche Rich­tun­gen des Pro­te­stan­tis­mus im all­ge­mei­nen und den theo­lo­gisch libe­ra­len Angli­ka­nis­mus im beson­de­ren durch­drang“, so der Comboni-Priester.

Es ist wahr­schein­lich gera­de die­se inni­ge Lie­be für ein authen­ti­sches (kein modi­sches) Chri­sten­tum, das vie­le Päp­ste dazu brach­te, New­man zu bewun­dern. Dar­aus erwuchs auch der Wunsch Papst Bene­dikts XVI., daß Kar­di­nal New­man ein Vor­bild wird, das der gesam­ten Chri­sten­heit bekannt ist. „Einer der besten Ken­ner New­mans, der Jesu­it Vin­cent Blehl, äußer­te am 29. Mai 1982 im Osser­va­to­re Roma­no die Über­zeu­gung, daß der eng­li­sche Kar­di­nal eine der größ­ten Per­sön­lich­kei­ten für die gesam­te Chri­sten­heit sei, nicht nur für einen Teil davon.

„Die Hei­lig­keit war für New­man der Fix­punkt. In der Jugend war er Gott begeg­net. Die­se Begeg­nung ver­än­der­te sein gan­zes Leben“, so Blehl. New­man selbst beschrieb es so: „Es fällt mir schwer, mich dar­an zu erin­nern, wie ich vor dem August 1816 war, dem Jahr, in dem ich Gott begeg­net bin. Ich erin­ne­re mich an einen Jun­gen, der eine ganz ande­re Per­son war, als jener, der er dann gewor­den ist.“ Die­se Begeg­nung löste in New­man die Ent­schei­dung aus, den Weg der Hei­lig­keit zu beschrei­ten. Oft habe er Tho­mas Scott zitiert: „Lie­ber die Hei­lig­keit als den Frie­den.“ Wer immer mit New­man in Kon­takt trat, spür­te sofort, einer Per­sön­lich­keit gegen­über zu ste­hen, die sich grund­le­gend von den angli­ka­ni­schen Kle­ri­kern und Theo­lo­gen sei­ner Zeit unter­schied. Des­halb such­ten sehr vie­le Angli­ka­ner, vor allem unter den Intel­lek­tu­el­len in ihm einen Bezugs­punkt, in Oxford aber auch außer­halb der Uni­ver­si­tät“, so Gonzalez-Fernandez.

Bereits zu Leb­zei­ten ver­brei­te­te sich sein Ruf der Hei­lig­keit in der angli­ka­ni­schen Welt, und eben­so in der katho­li­schen. Vie­le hof­fen sofort auf sei­ne Selig­spre­chung. Das Ver­fah­ren dazu wird aber erst Jahr­zehn­te spä­ter eröff­net. War­um das so war, müs­se man die Kir­che in Eng­land fra­gen, meint Pater Gon­za­lez-Fer­nan­dez. New­man starb im Ruf der Hei­lig­keit. Bischof Clifford, der Erz­bi­schof von West­min­ster, Kar­di­nal Man­ning, und ande­re Per­sön­lich­kei­ten spra­chen bei New­mans Beer­di­gung über sei­ne Hei­lig­keit. Vie­le ver­gli­chen ihn mit den Kir­chen­vä­tern und Kir­chen­leh­ren der frü­hen Kir­che. Man­che bezeich­ne­ten ihn sogar als „neu­en Augu­sti­nus“. So schrieb in den 1930er Jah­ren der bekann­te deut­sche New­man-Ken­ner Erich Przy­wa­ra: „New­man kann als alter Augu­sti­nus betrach­tet wer­den, weil sein Blick in einer Art stän­di­ger Suche unun­ter­bro­chen auf Gott gerich­tet war.“

Die­se Beur­tei­lung New­mans als neu­er Augu­sti­nus wur­de deut­lich von Pius XII., Paul VI., Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. unter­stri­chen. Den­noch brauch­te die Kir­che so lan­ge, um sein Hei­lig­spre­chungs­ver­fah­ren ein­zu­lei­ten. Die katho­li­sche Kir­che in Eng­land war grund­sätz­lich wenig geneigt, Hei­lig­spre­chungs­ver­fah­ren ein­zu­lei­ten. Der Groß­teil der Ver­fah­ren wur­de von den fran­zö­si­schen und ita­lie­ni­schen Diö­ze­sen begon­nen. Die Kir­che in Eng­land war klein und setz­te sich vor allem aus armen iri­schen Ein­wan­de­rern zusam­men, die inmit­ten einer angli­ka­ni­schen Umwelt leb­ten, die ihr aus meh­re­ren Grün­den ableh­nend und oft auch feind­lich gesinnt war. Man bemüh­te sich daher, mög­lichst wenig Anlaß für Pole­mi­ken und kei­nen Grund für mög­li­che Anfein­dun­gen zu bieten.

New­man selbst lehn­te jede Ehrung oder gar Aus­zeich­nun­gen ab. Er bemüh­te sich in sei­nem Stre­ben nach Hei­lig­keit, mög­lichst wenig auf­zu­fal­len. Erst wäh­rend des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils fand er unter den Kir­chen­vä­tern auch außer­halb Eng­lands jene Beach­tung, sodaß der Anstoß zur Selig­spre­chung schließ­lich von Rom aus­ging. Rom schenkt mit der Hei­lig­spre­chung von Kar­di­nal John Hen­ry New­man der katho­li­schen und der angli­ka­ni­schen Welt ein leuch­ten­des Bei­spiel für ein authen­ti­sches Chri­sten­tum und einen wah­ren Bau­stein für die authen­ti­sche Ökumene.

(Palaz­zo Apostolico/​Giuseppe Nar­di, Bild: Lacri­ma­rum Valle)

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