Vermutlich ohne es zu wollen, offenbart Pater Engelbert Recktenwald im neuen Informationsblatt der Priesterbruderschaft St. Petrus das Dilemma, in dem die Gemeinschaft sich seit ihrer Gründung befindet und seitdem darin verharrt.
Ursprung für die Ausführungen von Pater Recktenwald ist die, in der Art und Weise eher peinlich vorgetragene, Kritik vom Piusbruder Pater Andreas Steiner, daß die Petrusbruderschaft in einer Messe Geld sammelte für den ökumenischen Kirchentag in München.
Pater Recktenwald schreibt:
„Die heiligen Messen, die von Priestern der Priesterbruderschaft in der St. Clemens-Basilika Hannover organisiert und gefeiert werden, sind Gottesdienste in der Pfarrgemeinde St. Clemens. Die Kollekten in diesen Gottesdiensten müssen gemäß dem Diözesanrecht komplett an die Pfarrgemeinde abgegeben werden. Die Priesterbruderschaft St. Petrus hat kein Verfügungsrecht darüber. Die Pfarrgemeinde leitet bestimmte Kollekten zu einem besonderen Zweck weiter, wie der diözesane Kollektenplan das vorgibt. Damit die Gläubigen über den Zweck der Kollekte informiert sind, wird er in der Gottesdienstordnung der FSSP Hannover angegeben. Anders, als es die Nachricht der Piusbruderschaft vermuten läßt („spenden dürfe“), hat die Petrusbruderschaft im kritisierten Fall für den Spendenzweck nicht geworben. Die Aussage, die Petrusbruderschaft habe für den Kirchentag Geld gesammelt, ist genau so irreführend, wie wenn man etwa sagen würde, die Münchener Anhänger der Piusbruderschaft hätten den Kirchentag mitfinanziert, nur weil die Münchener Diözese mit deren Kirchensteuergeldern den Kirchentag in Höhe von 2,5 Millionen Euro unterstützt habe.“
Niemand hat das Recht zu gehorchen, schrieb einst Hannah Arendt und griff damit jene an, die meinen der Gesetzestext sei das höchste Gut. Pater Recktenwald und seine Bruderschaft verhalten sich in kritischen Momenten zwar formal juristisch korrekt, vernachlässigen dabei aber leider das höhere Rechtsgut, den Gehorsam gegenüber Gott und der Kirche.
Wäre ein Verzicht auf die Geldsammlung an jenem Tag, der Vermerk in der Gottesdienstordnung der FSSP Hannover „keine Kollekte“, nicht ein dringend notwendiges Zeichen des Gehorsams gegenüber der Kirche und dem Papst gewesen? Ein Zeichen der Ablehnung dieser „Reichsparteitage des organisierten Christentums“ (Martin Mosebach)? Ein notwendiges offenes Bekenntnis des katholisches Glauben durch die Petrusbruderschaft?
Rein äußerlich betrachtet mögen die Bischofsweihen im Juni 1988 durch die Exzellenzen Erzbischof Marcel Lefebvre und Bischof Antonio de Castro Mayer kirchenrechtlich fraglich gewesen sein. Zwar verweigerten sie dem damaligen Papst den Gehorsam und verstießen formal juristisch gegen das Kirchenrecht. Auf der anderen Seite, unter Berufung auf alle Päpste vor der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils, das kein dogmatisches war, wurde ein wahrer Gehorsam gegenüber Kirche und Papst praktiziert.
In einem offenen Brief an Seine Exzellenz Kardinal Bernardin Gantin (1988 Präfekt der Kongregation für die Bischöfe) schrieben die Oberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. am 6. Juli 1988 zu Recht:
„Was uns betrifft, so sind wir in voller Gemeinschaft mit allen Päpsten und allen Bischöfen, die dem Zweiten Vatikanischen Konzil vorausgegangen sind, indem wir die heilige Messe zelebrieren, die sie kodifiziert und zelebriert haben, indem wir den Katechismus lehren, den sie verfaßt haben, indem wir uns gegen die Irrtümer erheben, die sie viele Male in ihren Rundschreiben und ihren Hirtenbriefen verurteilt haben. Mögen Sie daher urteilen, auf welcher Seite sich der Bruch befindet. Wir sind aufs Äußerste betrübt über die Geistesverblendung und die Herzensverhärtung der römischen Autoritäten.“
Der Kirchenrechtler Pater Gerald Murrey aus der Erzdiözese New York schrieb 1995:
„Ich habe ein Lizentiat im Kirchenrecht erhalten und dieses Thema, nämlich die Exkommunikation von Erzbischof Lefebvre, für meine Arbeit studiert (…) Sie sind, soweit ich es erkennen kann, nicht als Schismatiker exkommuniziert, weil der Vatikan nie gesagt hat, sie wären es (…) Man kann (…) nachweisen, daß Lefebvre nie exkommuniziert war, und daher auch niemand sonst. (…) Ich komme zu dem Schluß, kirchenrechtlich gesprochen, daß er nicht an einer durch das Kirchenrecht strafbaren schismatischen Tat schuldig ist. Er ist schuldig einer Tat des Ungehorsams gegenüber dem Papst, aber er vollzog sie auf eine Art und Weise, die es ihm ermöglichte, eine Rechtsvorkehrung in Anspruch zu nehmen, die ihn vor der automatischen (latae sententiae) Exkommunikation für diese Tat bewahrte.“
Pater Murrey widerrief zwar auf massiven Druck hin seine Feststellung, in Zukunft wird sich diese aber sicher durchsetzen.
Die Notwendigkeit der Bischofsweihe durch die Exzellenzen Erzbischof Marcel Lefebvre und Bischof Antonio de Castro Mayer konnten oder wollten einige Priester der FSSPX nicht erkennen und gründeten die Priesterbruderschaft St. Petrus. Dieser falsche Schritt verstärkte nicht nur die Kirchenkrise, sondern führte zum Dilemma, aus der die Gemeinschaft derzeit nicht herausfindet. Ihr ist die Erkenntnis zu wünschen, daß ein Festhalten am Glauben höher steht als ein Gesetzestext. Der Widerspruch der Priesterbruderschaft St. Pius X. gegenüber kirchlichen Autoritäten, die sich im Irrtum befinden ist nichts anderes als Gehorsam gegenüber Gott, der Kirche und dem Papst.
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