Bergoglios Kritik an Regensburger Rede Benedikts XVI. zum Islam und kein Dementi


Benedikt XVI. und die Regensburger Rede
Bene­dikt XVI. hält 2006 die histo­ri­sche Regens­bur­ger Rede

(Rom) Als Papst Bene­dikt XVI. am 12. Sep­tem­ber 2006 im Fest­saal der Uni­ver­si­tät sei­ne histo­ri­sche Regens­bur­ger Rede hielt, gin­gen die Wel­len hoch. Zu Gewalt­aus­brü­chen kam es in der isla­mi­schen Welt. Kri­tik bran­de­te aber auch von zwei nicht-mos­le­mi­schen Sei­ten auf, die dadurch eine beach­tens­wer­te Nähe zu erken­nen gaben. Sie kam von den west­li­chen, reli­gi­ons­fer­nen Rela­ti­vi­sten und von den inter­re­li­gi­ös fixier­ten Tei­len des Chri­sten­tums. Bene­dikt XVI. hat­te nicht nur grund­sätz­li­che Kri­tik am Islam geübt, son­dern eben­so am west­li­chen Rela­ti­vis­mus und durch sei­ne Rede einen direk­ten aktu­el­len Zusam­men­hang zwi­schen bei­den Phä­no­men hergestellt.

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Auf Distanz ging damals auch ein Mann im fer­nen Bue­nos Aires: Jor­ge Mario Kar­di­nal Berg­o­glio. Anhän­ger des inzwi­schen zum Papst auf­ge­stie­ge­nen Argen­ti­ni­ers betrach­ten jede Kri­tik an ihm als Maje­stäts­be­lei­di­gung. Ähn­li­che Beden­ken heg­te er selbst nicht, als er Bene­dikt XVI. öffent­lich kri­ti­sier­te und sich in den Chor der laut­star­ken und ein­fluß­rei­chen Papst­schel­ter einreihte.

Bergoglio: „Ich identifiziere mich nicht mit den Worten des Papstes“

„Ich iden­ti­fi­zie­re mich nicht mit den Wor­ten des Pap­stes“, ließ der dama­li­ge Erz­bi­schof von Bue­nos Aires durch sei­nen Pres­se­spre­cher Don Guil­ler­mo Mar­co bekannt­ge­ben. Wenn ein Papst die „Wer­te des Islam“ nicht aner­ken­ne, zer­stö­re er in zwan­zig Sekun­den, was in den ver­gan­ge­nen zwan­zig Jah­ren auf­ge­baut wor­den sei. Berg­o­gli­os Pres­se­spre­cher äußer­te die Kar­di­nal­s­kri­tik, inter­na­tio­nal hör­bar, in der spa­ni­schen Aus­ga­be des ame­ri­ka­ni­schen Wochen­ma­ga­zins News­week.

Islamische Kritik an Benedikt XVI.
Isla­mi­sche Kri­tik an Bene­dikt XVI.

In Rom war man über die „unge­wöhn­li­che“ Kri­tik sehr erstaunt. Nach­dem for­mal nicht der Kar­di­nal, son­dern sein Pres­se­spre­cher Stel­lung genom­men hat­te, for­der­te der Vati­kan, wie in einer sol­chen Situa­tio­nen üblich, daß Berg­o­glio sich von sei­nem Spre­cher trennt oder öffent­lich von des­sen Aus­sa­gen distan­ziert. Weder zum einen noch zum ande­ren war der Kar­di­nal jedoch bereit. Aus Bue­nos Aires kam gar kei­ne Reaktion.

Absetzung eines Pressesprechers

Erst Mit­te Dezem­ber wur­de Don Guil­ler­mo Mar­co als Pres­se­spre­cher durch Don Gustavo Boquà­n ersetzt. Eine Per­so­nal­ro­cha­de, die nur mehr indi­rekt von weni­gen Beob­ach­tern in einen Zusam­men­hang mit der Kri­tik an Papst Bene­dikt XVI. gebracht wur­de. Die eigent­li­chen Grün­de waren ganz andere.
Offi­zi­ell wur­de der Wech­sel als „Umstruk­tu­rie­rung im Pres­se­be­reich“ der Erz­diö­ze­se „zur Opti­mie­rung der Bezie­hun­gen zu den Medi­en“ bezeich­net, wie die Inter­net­sei­te von Valo­res Reli­gio­sos berichtete.

In argen­ti­ni­schen Medi­en wur­de als Grund für die Ablö­sung von Guil­ler­mo Mar­co weni­ger Berg­o­gli­os Kon­flikt mit Papst Bene­dikt XVI. wegen des­sen Regens­bur­ger Rede und dem Ver­hält­nis zu den Mos­lems gese­hen. Seit Okto­ber 2006 übte näm­lich auch die argen­ti­ni­sche Regie­rung Druck auf den Pri­mas von Argen­ti­ni­en aus, sich von Mar­co als Pres­se­spre­cher zu tren­nen. Die­ser hat­te im Wahl­kampf zu den Con­ven­cio­na­les con­sti­tuy­en­tes, Kri­tik an Staats­prä­si­dent Nestor Kirch­ner geübt. 2007 stan­den in Argen­ti­ni­en Neu­wah­len des Par­la­ments und des Staats­ober­haup­tes bevor. Um das Prä­si­den­ten­amt bewarb sich Kirch­ners Ehe­frau Cri­sti­na Fer­nan­dez de Kirchner.

Papst Franziskus mit seinem ehemaligen Pressesprecher Giullermo Marco
Papst Fran­zis­kus mit sei­nem ehe­ma­li­gen Pres­se­spre­cher Giu­l­ler­mo Marco

Druck der argentinischen Regierung auf Kardinal Bergoglio

Die regie­ren­den Pero­ni­sten um das Ehe­paar Kirch­ner konn­ten kei­ne wahl­kampf­stö­ren­den, kirch­li­chen Inter­fe­ren­zen gebrau­chen. Es wur­de schwe­res Geschütz auf­ge­fah­ren. Innen­min­ster Ani­bal Fer­nan­dez for­der­te eine Distan­zie­rung. Die erz­bi­schöf­li­che Kurie gab eine Erklä­rung ab, daß es sich bei der Stel­lung­nah­me um eine „rein per­sön­li­che Mei­nung“ Mar­cos gehan­delt habe. Weder bei der Kri­tik an Papst Bene­dikt XVI. noch bei jener von Staats­prä­si­dent Nestor Kirch­ner gilt dies für einen Pres­se­spre­cher jedoch als glaubhaft.

Berg­o­glio lehn­te, wie bereits zuvor gegen­über dem Vati­kan, eine Abset­zung sei­nes Spre­chers ab. Die Regie­rung woll­te Kar­di­nal Berg­o­glio jedoch nicht so „bil­lig“ davon­kom­men las­sen. Um den Druck auf den Kar­di­nal zu erhö­hen, wur­de von den Kirch­ner-Pero­ni­sten ab Novem­ber 2006 eine ziel­füh­ren­de Pres­se­ar­beit Mar­cos „völ­lig demon­tiert“, so Elli­to­ral. Mit­te Dezem­ber gab Erz­bi­schof Berg­o­glio nach und ernann­te einen neu­en Pressesprcher.

Was der Vatikan nicht schaffte, schafften die Kirchner-Peronisten

Guil­ler­mo Mar­co selbst sag­te nach Bekannt­ga­be der Umbe­set­zun­gen: „Es ist wahr, ich bin nicht mehr der per­sön­li­che Spre­cher des Kar­di­nals, wer­de aber wei­ter­hin für die Pres­se­ar­beit der Erz­diö­ze­se Bue­nos Aires tätig sein.“ Mar­co blieb Ver­ant­wort­li­cher der Monats­bei­la­ge Valo­res Reli­gio­sas von Cla­rin, der größ­ten Tages­zei­tung Argen­ti­ni­ens und Reli­gi­ons­be­auf­trag­ter des argen­ti­ni­schen Fern­seh­sen­ders Ame­ri­ca 24 (A24). Mar­co ist zudem Prä­si­dent der Fund­a­ción Pasto­ral Uni­ver­si­ta­ria, die für die Hoch­schul­seel­sor­ge zustän­dig ist.

Interreligiöse "Messe" mit Gullermo Marco, Daniel Goldman und Omar Aboud (von links)
Inter­re­li­giö­se „Mes­se“ mit Gul­ler­mo Mar­co, Dani­el Gold­man und Omar Aboud (von links)

Interreligiöse Gleichgesinntheit und Omar Aboud

Guil­ler­mo Mar­co ver­tritt einen inter­re­li­giö­sen Kurs, der jenem von Kar­di­nal Berg­o­glio als Erz­bi­schof von Bue­nos Aires sehr nahe­steht und den die­ser als Papst auf uni­ver­sa­ler Ebe­ne zu eta­blie­ren ver­sucht. Kar­di­nal Berg­o­glio pfleg­te in sei­ner Zeit in Bue­nos Aires einen inten­si­ven inter­re­li­giö­sen Aktio­nis­mus mit einer rela­tiv klei­nen Grup­pe von Ver­tre­tern ande­rer Reli­gio­nen. Am ver­gan­ge­nen 15. April orga­ni­sier­te Mar­co im Fest­saal der Rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fakul­tät der Uni­ver­si­tät Bue­nos Aires (UBA) eine „inter­re­li­giö­se Mes­se“, so Der­echo, die Inter­net­sei­te der Fakul­tät, „um Ostern zu fei­ern und den Beginn des Stu­di­en­jah­res“ zu begehen.

Die Zere­mo­nie „ziel­te auf eine wirk­li­che öku­me­ni­sche reli­giö­se Begeg­nung“ ab mit einem „inter­re­li­giö­sen Gebet“, das von Hoch­schul­seel­sor­ger Mar­co, Rab­bi Dani­el Gold­mann von der Gemein­schaft Bet El und Omar Aboud, dem Gene­ral­se­kre­tär des Isla­mi­schen Zen­trums der Repu­blik Argen­ti­ni­en gespro­chen wurde.
Omar Aboud ist jener Mos­lem­ver­tre­ter, den Papst Fran­zis­kus im sel­ben April zu sei­ner Rei­se Ende Mai ein­lud. Zusam­men mit Omar Aboud und sei­nem Freund Rab­bi Abra­ham Skorka besuch­te Papst Fran­zis­kus die Kla­ge­mau­er, wo sich die drei Argen­ti­ni­er umarmten.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Derecho/​Wikicommons/​InfoCatolica/​Pastoral Universidad

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