Franziskus, eine Anekdote und das Frauenpriestertum


Papst Franziskus mit dem Schweizer Mauro Jöhri, dem Generalminister des Kapuzinerordens
Papst Franziskus mit dem Schweizer Mauro Jöhri, dem Generalminister des Kapuzinerordens.

(Rom) Pater Gio­van­ni Maria Sca­le­se, Barn­abit und Ordi­na­ri­us der Mis­si­on sui gene­ris Afgha­ni­stan, nahm eine scherz­haft wir­ken­de Bemer­kung von Papst Fran­zis­kus zum Anlaß, um sich mit der Fra­ge zu befas­sen, wor­in die “Schlüs­sel­ge­walt“ des Pap­stes besteht.

Papst Franziskus und das Frauenpriestertum?
Papst Fran­zis­kus und das Frauenpriestertum?
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Anstoß für die Über­le­gun­gen war eine Arti­kel von Mai­ke Hick­son auf One­Pe­ter­Fi­ve, der das Ver­dienst zukommt, die Anek­do­te aus­ge­gra­ben und eine Fra­ge in den Raum gestellt zu haben, die eine Ant­wort ver­langt: „Könn­te die erzähl­te Anek­do­te in der Kapu­zi­ner-Zeit­schrift der Schlüs­sel sein, um die Plä­ne des Pap­stes für das Frau­en­prie­ster­tum zu ent­hül­len?“ Die Fra­ge ist umso drän­gen­der, da Papst Fran­zis­kus für Okto­ber 2019 eine Son­der­syn­ode für Ama­zo­ni­en ange­kün­digt hat, von der vie­le Beob­ach­ter ver­schie­de­ner Rich­tun­gen der Mei­nung sind, daß sie in Wirk­lich­keit ein­be­ru­fen wird, weil Fran­zis­kus einen Ein­griff beim Wei­he­sa­kra­ment plant.

Die Anekdote

Pater Sca­le­se ver­sucht eine Ant­wort dar­auf zu geben. Zunächst berich­tet er die genann­te Anek­do­te, die vor drei Jah­ren (2014) von Bru­der Adri­an Mül­ler im Leit­ar­ti­kel der April-Aus­ga­be der Schwei­zer Kapu­zi­ner­zeit­schrift Ite – Das Maga­zin berich­tet wurde.

„Papst Fran­zis­kus resi­diert nicht in den päpst­li­chen Gemä­chern, son­dern im vati­ka­ni­schen Gäste­haus. Da haben die Gar­di­sten die Auf­ga­be, den Papst zu bewa­chen oder manch­mal, wenn er den Kopf zur Türe hin­aus­streckt, einen Kaf­fee zu holen. Das Früh­stück isst der neue Bischof von Rom nicht ger­ne allei­ne. So setzt er sich jeweils zu einem Men­schen hin und beginnt mit ihm zu spre­chen. Dabei, so wird erzählt, sei fol­gen­de Begeg­nung beob­ach­tet worden:

Papst Fran­zis­kus habe sich eines Mor­gens vis‑à ‑vis von einem Erz­bi­schof hin­ge­setzt und das Gespräch auf das Frau­en­prie­ster­tum gelenkt. Was der Erz­bi­schof davon den­ke, habe er sei­nen Tisch­nach­barn gefragt. Die­ser ver­stumm­te und wuss­te nicht wirk­lich, was er mit die­ser Fra­ge machen sol­le. Nach einer Wei­le Stil­le habe Fran­zis­kus gesagt: «Ja, ja, mei­ne bei­den Vor­gän­ger haben uns die Türe dazu geschlos­sen». Dann habe er gelacht und gemeint: «Zum Glück habe ich die Schlüs­sel dazu».

„Zum Glück habe ich die Schlüs­sel“ für die Tür zum Frau­en­prie­ster­tum, die von Papst Johan­nes Paul II. und Papst Bene­dikt XVI. ver­schlos­sen wur­de. In Wirk­lich­keit haben die bei­den Päp­ste nur bekräf­tigt, nach Mei­nung von Kirch­recht­lern sogar defi­ni­tiv, was die Kir­che immer so gehal­ten hat. Ist die Anek­do­te nur jesui­ti­scher Humor? Oder kapuzinischer?

Adri­an Mül­ler, der kein Wort der Auf­klä­rung fand, daß ein Frau­en­prie­ster­tum unmög­lich ist, frag­te sich damals aller­dings: „Ich sel­ber bin ja gespannt, wel­che Schlüs­sel der Nach­fol­ger des Petrus in Rom nun wirk­lich hat“.

Versuch einer Antwort

Sca­le­se dazu: „Nun, ich den­ke, daß die Ant­wort rela­tiv ein­fach ist: Der Papst hat die ‚Schlüs­sel des Him­mel­rei­ches‘, die Chri­stus dem Petrus und sei­nen Nach­fol­gern über­ge­ben hat“.

„Ich wer­de dir die Schlüs­sel des Him­mel­rei­ches geben; was du auf Erden bin­den wirst, das wird auch im Him­mel gebun­den sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Him­mel gelöst sein“ (Mt 16,19).

„Ich den­ke“, so Sca­le­se, „daß das, was vom Papst hier berich­tet wird, nur eine scherz­haf­te Bemer­kung über sei­ne Vor­rech­te war. Auch wenn ich per­sön­lich mei­ne, daß sie nicht von gutem Geschmack zeugt (ich bin erzo­gen zum mäßi­gen­den: „Scher­ze mit dem Fuß­volk, aber laß die Hei­li­gen in Ruhe“). Wie wir wis­sen, gefällt es Papst Berg­o­glio, zu scher­zen, des­halb wol­len wir bereit sein, ihm auch die­sen etwas miß­lun­ge­nen Scherz verzeihen.
Grund zur Sor­ge ist hin­ge­gen der Kon­text, in dem er die­sen Scherz mach­te: ein Gespräch, wenn auch inter pocu­la, über das Frau­en­prie­ster­tum. War­um aus­ge­rech­net ein so heik­les The­ma, um einen Scherz zu machen, der leicht miß­ver­stan­den wer­den kann? Unter ande­ren Umstän­den bestä­tig­te der­sel­be Papst, daß es für die­se Fra­ge kei­nen Platz gibt.“

Auf dem Rück­flug von Schwe­den sag­te er am 1. Novem­ber 2016 auf die Fra­ge einer Journalistin:

Papst Fran­zis­kus: Hin­sicht­lich der Wei­he von Frau­en in der Katho­li­schen Kir­che hat der hei­li­ge Johan­nes Paul II. das letz­te kla­re Wort gespro­chen, und das bleibt. Das gilt.

Anna Cri­sti­na Kap­pe­lin: End­gül­tig nie Priesterinnen?

Papst Fran­zis­kus:  Wenn wir die Erklä­rung von Johan­nes Paul II. rich­tig lesen, geht es in die­se Rich­tung. Ja.

War­um also dar­über scher­zen? Die­se Fra­ge stellt sich Pater Sca­le­se, um wie folgt fortzusetzen:

„Jeden­falls – ohne lan­ge Gesich­ter machen zu wol­len, als wür­de man nicht ein­mal einen Scherz ver­ste­hen – lohnt es sich viel­leicht doch, das Pünkt­chen auf dem I zu machen und den Lesern (sicher nicht dem Papst, der es natür­lich genau weiß) die „Schlüs­sel­ge­walt“ zu erklä­ren,  die Jesus Chri­stus dem Petrus über­tra­gen hat (und nur ihm allein im Unter­schied zur Löse- und Bin­de­ge­walt, die auch jedem ande­ren Apo­stel gege­ben ist). Die­se Schlüs­sel­ge­walt ist kei­ne abso­lu­te Gewalt: Es ist die höch­ste Gewalt (in dem Sin­ne, daß sie höher ist als jede ande­re mensch­li­che Gewalt), aber es kei­ne abso­lu­te Gewalt (in dem Sin­ne, daß sie nicht von jeder ande­ren Gewalt los­ge­löst ist, da sie über sich die Auto­ri­tät Chri­sti als Haupt der Kir­che hat).“

Im Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che steht:

„Die ‚Schlüs­sel­ge­walt‘ bedeu­tet die Voll­macht, das Haus Got­tes, die Kir­che, zu lei­ten. Jesus, ‚,der gute Hirt‘ (Joh 10,11), hat die­sen Auf­trag nach sei­ner Auf­er­ste­hung bestä­tigt: ‚Wei­de mei­ne Scha­fe!‘ (Joh 21,15–17). Die Gewalt, zu ‚bin­den‘ und zu ‚lösen‘, besagt die Voll­macht, in der Kir­che von Sün­den los­zu­spre­chen, Lehr­ur­tei­le zu fäl­len und dis­zi­pli­na­ri­sche Ent­schei­de zu tref­fen. Jesus hat der Kir­che die­se Auto­ri­tät durch den Dienst der Apo­stel [Vgl. Mt 18,18] und ins­be­son­de­re des Petrus anver­traut, dem er als ein­zi­gem die Schlüs­sel des Rei­ches aus­drück­lich über­ge­ben hat“ (KKK, 553).

„Der Papst, der Bischof von Rom und Nach­fol­ger des hl. Petrus, ist ‚das immer­wäh­ren­de und sicht­ba­re Prin­zip und Fun­da­ment für die Ein­heit der Viel­heit sowohl von Bischö­fen als auch von Gläu­bi­gen‘ (LG 23). ‚Der Römi­sche Bischof hat kraft sei­nes Amtes, näm­lich des Stell­ver­tre­ters Chri­sti und des Hir­ten der gan­zen Kir­che, die vol­le, höch­ste und all­ge­mei­ne Voll­macht über die Kir­che, die er immer frei aus­üben kann‘ (LG 22) [Vgl. CD 2;9]“ (KKK, 882).

„Der Papst ver­fügt also über die vol­le, höch­ste und all­ge­mei­ne, also uni­ver­sa­le Gewalt, aber sie ist nicht abso­lut“, so Scalese.

Das Erste Vati­ka­ni­sche Kon­zil hat das Dog­ma vom Pri­mat des Römi­schen Pap­stes („meist kon­zen­triert man sich auf die Unfehl­bar­keit, ohne sich bewußt zu wer­den, daß es sich dabei nur um eine logi­sche Fol­ge des Pri­mats han­delt“) defi­niert und fei­er­lich erklärt:

„Wer des­halb sagt, der Römi­sche Bischof besit­ze ledig­lich das Amt der Auf­sicht bzw. Lei­tung, nicht aber die vol­le und höch­ste Juris­dik­ti­ons­voll­macht über die gesam­te Kir­che, nicht nur in Ange­le­gen­hei­ten, die den Glau­ben und die Sit­ten, son­dern auch in sol­chen, die die Dis­zi­plin und Lei­tung der auf dem gan­zen Erd­kreis ver­brei­te­ten Kir­che betref­fen; oder er habe nur einen grö­ße­ren Anteil, nicht aber die gan­ze Fül­le die­ser höch­sten Voll­macht; oder die­se sei­ne Voll­macht sei nicht ordent­lich und unmit­tel­bar sowohl über alle und die ein­zel­nen Kir­chen als auch über alle und die ein­zel­nen Hir­ten und Gläu­bi­gen: der sei mit mit dem Ana­the­ma belegt“ (Den­zin­ger-Hüner­mann, 3064).

Da es fal­sche Inter­pre­ta­tio­nen die­ser Defi­ni­ti­on gab, beson­ders in Deutsch­land, erließ der deut­sche Epi­sko­pat Anfang 1875 eine Erklä­rung, die nach­träg­lich von Papst Pius IX. rati­fi­ziert wur­de, in der die wirk­li­che Natur des päpst­li­chen Pri­mats prä­zi­siert wurde:

„Die Beschlüs­se des Vati­ka­ni­schen Kon­zils bie­ten fer­ner kei­nen Schat­ten von Grund zu der Behaup­tung, es sei der Papst durch die­sel­ben ein abso­lu­ter Sou­ve­rän gewor­den, und zwar ver­mö­ge sei­ner Unfehl­bar­keit ein ‚voll­kom­men abso­lu­ter, mehr als irgend­ein abso­lu­ter Mon­arch in der Welt‘. Zunächst ist das Gebiet, auf wel­ches sich die kirch­li­che Gewalt des Pap­stes bezieht, wesent­lich ver­schie­den von dem­je­ni­gen, wor­auf sich die welt­li­che Sou­ve­rä­ni­tät des Mon­ar­chen bezieht; auch wird die vol­le Sou­ve­rä­ni­tät des Lan­des­für­sten auf staat­li­chem Gebie­te von Katho­li­ken nir­gends bestrit­ten. Aber abge­se­hen hier­von kann die Bezeich­nung eines abso­lu­ten Mon­ar­chen auch in Bezie­hung auf kirch­li­che Ange­le­gen­hei­ten auf den Papst nicht ange­wen­det wer­den, weil der­sel­be unter dem gött­li­chen Rech­te steht und an die von Chri­stus für sei­ne Kir­che getrof­fe­nen Anord­nun­gen gebun­den ist. Er kann die der Kir­che von ihrem gött­li­chen Stif­ter gege­be­ne Ver­fas­sung nicht ändern wie der welt­li­che Gesetz­ge­ber eine Staats­ver­fas­sung ändern kann. Die Kir­chen­ver­fas­sung beruht in allen wesent­li­chen Punk­ten auf gött­li­cher Anord­nung und ist jeder mensch­li­chen Will­kür ent­zo­gen“ (Den­zin­ger-Hüner­mann, 3314).

„Deut­li­cher geht es nicht mehr!“, so Sca­le­se: „Kom­men wir zu unse­rem The­ma (das Frau­en­prie­ster­tum) zurück, das zu den ‚wesent­li­chen Punk­ten‘ der kirch­li­chen Ver­faßt­heit gehört, die nie­mand – auch nicht der Papst – ändern kann. Selbst wenn wir ein­mal die unglück­se­li­ge Hypo­the­se anneh­men woll­ten, daß eines Tages ein Papst auf die Idee kom­men soll­te, die gel­ten­den Dis­zi­plin zu ändern, dann wäre sei­ne Ent­schei­dung ein­fach null und nich­tig. Das glei­che gilt für Bischö­fe, die auf die Idee kämen, Frau­en die Hän­de auf­zu­le­gen: Sie wür­den nichts ande­res tun, als die­se Frau­en zu strei­cheln. Aller­dings wür­den die Bischö­fe und die Frau­en latae sen­ten­tiae exkom­mu­ni­ziert sein (im Sin­ne der Nor­mae de gra­vio­ri­bus delic­tis vom 21. Mai 2010, Art. 5). Des­halb wür­de ich sagen, daß man beru­higt sein kann: Nie­mand wird auf die gött­li­che Kon­sti­tu­ti­on der Kir­che einen Anschlag ver­üben können.“

Soweit Pater Sca­le­se. Ein „Anschlag“ auf die gött­li­che Kon­sti­tu­ti­on der Kir­che ist nur durch gött­li­chen Bei­stand nicht mög­lich, nach mensch­li­chem Ermes­sen hin­ge­gen durch­aus, soll­te ein Papst – Sca­le­se selbst nennt die­se Hypo­the­se – ent­schlos­sen eine „ande­re“ Kir­che anstreben.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Ite – Das Magazin/​One Peter Five (Screen­shots)

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2 Kommentare

  1. Die Älte­ren erin­nern sich viel­leicht noch an den Spruch des Bun­des­in­nen­mi­ni­sters Her­mann Höcherl (CSU) im Jahr 1962: „Ich kann schließ­lich nicht den gan­zen Tag mit dem Grund­ge­setz unterm Arm her­um­lau­fen.“ – Papst Fran­zis­kus hat sich schon 2013 abfäl­lig gegen die „Den­zin­ge­ria­ner“ in der Kir­che aus­ge­spro­chen. Soll­te er ver­bor­ge­ne Absich­ten auf ein katho­li­sches Frau­en­prie­ster­tum haben, wird er Mit­tel und Wege fin­den und sich von Den­zin­ger-Hüner­mann, 3314, schwer­lich abhal­ten lassen.

  2. Ich fra­ge mich wie lan­ge man noch „katho­li­sche Theo­lo­gie“ stu­die­ren kann?! Man wird den Stu­di­en­zweig dem­nächst in „berg­o­glia­ni­sche Fuß­no­ten­tak­tik“ umbe­nen­nen müssen!
    Lang­sam aber sicher wird aus der katho­li­schen die berg­o­glia­ni­sche Kirche.

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