Papst Franziskus und die soziologische Neuinterpretation der Botschaft von Fatima


Papst Franziskus in Fatima: Die Neuinterpretation der Botschaft von Fatima nach den soziologischen Kategorien von Papst Bergoglio hat wenig mit dem zu tun, was die Gottesmutter 1917 ankündigte.
Papst Franziskus in Fatima: Die Neuinterpretation der Botschaft von Fatima nach den soziologischen Kategorien von Papst Bergoglio hat wenig mit dem zu tun, was die Gottesmutter 1917 mitteilte.

Von Rober­to de Mattei*

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500.000 Men­schen erwar­te­ten Papst Fran­zis­kus für die Hei­lig­spre­chung der bei­den Hir­ten­kin­der Fran­cis­co und Jac­in­ta, von neun und elf Jah­ren, auf dem rie­si­gen Platz des Hei­lig­tums von Fati­ma. Zusam­men mit ihrer Cou­si­ne, Lucia dos San­tos, sahen sie zwi­schen dem 13. Mai und dem 13. Okto­ber 1917 die Got­tes­mut­ter und ver­nah­men ihre Wor­te. Die Hei­lig­spre­chung hat am ver­gan­ge­nen Sams­tag statt­ge­fun­den und die Kir­che hat die jüng­sten Kin­der ihrer Geschich­te, die kei­ne Mär­ty­rer sind, in das Ver­zeich­nis der Hei­li­gen ein­ge­tra­gen. Für die 2005 ver­stor­be­ne Lucia ist das Selig­spre­chungs­ver­fah­ren im Gange.

Die Ver­eh­rer Unse­rer Lie­ben Frau von Fati­ma aus aller Welt erwar­te­ten aber nicht nur die Hei­lig­spre­chung der Seher, son­dern auch die Erfül­lung eini­ger For­de­run­gen der Got­tes­mut­ter durch den Papst, die bis­her uner­hört geblie­ben sind.

In die­sem Jahr jäh­ren sich zum hun­dert­sten Mal zwei gegen­sätz­li­che Ereig­nis­se: die Mari­en­er­schei­nun­gen von Fati­ma und die bol­sche­wi­sti­sche Okto­ber­re­vo­lu­ti­on von Lenin und Trotz­ki, die im sel­ben Monat ihren Aus­gang nahm, als in Por­tu­gal der maria­ni­schen Zyklus zu Ende ging. In Fati­ma kün­dig­te die Got­tes­mut­ter an, daß Ruß­land sei­ne Irr­leh­ren in der Welt ver­brei­ten wer­de, und daß die­se Irr­leh­ren Krie­ge, Revo­lu­tio­nen und Kir­chen­ver­fol­gun­gen aus­lö­sen wer­den. Um die­ses Unglück abzu­wen­den, rief die Got­tes­mut­ter die Mensch­heit zu auf­rich­ti­ger Umkehr und Buße auf und zur Rück­kehr zur christ­li­chen Moral­ord­nung. Mit die­ser not­wen­di­gen Ände­rung der Chri­sten ver­knüpf­te die Got­tes­mut­ter zwei kon­kre­te For­de­run­gen: die Wei­he Ruß­lands an das Unbe­fleck­te Herz Mari­ens durch den Papst zusam­men mit allen Bischö­fen der Welt und das Abhal­ten von Süh­ne­sams­ta­gen am ersten Sams­tag des Monats, fünf Mona­te hin­ter­ein­an­der, die dar­in bestehen, sich durch Emp­fang des Buß- und des Altar­sa­kra­ments mit ihr in Gebet und Süh­ne zu ver­ei­nen, durch das Beten des Rosen­kran­zes und einer fünf­zehn­mi­nü­ti­gen Betrachtung.

Die Ver­brei­tung Süh­ne­sams­ta­ge wur­de von den kirch­li­chen Auto­ri­tä­ten nie geför­dert. Die päpst­li­chen Akte der Wei­he und des Anver­trau­ens an Maria erfolg­ten nur teil­wei­se und unvoll­stän­dig. Vor allem leh­ren die Kir­chen­ver­tre­ter seit min­de­stens 50 Jah­ren nicht mehr den Geist von Opfer und Buße, der so eng mit der Spi­ri­tua­li­tät der bei­den hei­lig­ge­spro­che­nen Hir­ten­kin­der ver­bun­den ist. Als Lucia 1919 Jac­in­ta kurz vor ihrem Tod im Kran­ken­haus besuch­te, kon­zen­trier­te sich das Gespräch der bei­den Cou­si­nen auf die Auf­op­fe­rung des Lei­dens, um den Sün­dern die schreck­li­chen Höl­len­stra­fen zu erspa­ren, die ihnen von der Got­tes­mut­ter gezeigt wurden.

Papst Fran­zis­kus, der nie zuvor in Fati­ma war, auch nicht als Prie­ster oder Erz­bi­schof, berühr­te die­se The­men nicht. Am 12. Mai stell­te er sich in der Erschei­nungs­ka­pel­le selbst als „in Weiß geklei­de­ter Bischof“ vor. Der Papst sagte:

„Ich kom­me als ein Pro­phet und Bote, um allen die Füße zu waschen an dem­sel­ben Tisch, der uns vereint.“

Dar­auf for­der­te er auf, dem Bei­spiel von Fran­cis­co und Jac­in­ta zu fol­gen, denn:

„So wer­den wir jeden Pfad beschrei­ten, auf allen Wegen pil­gern, alle Mau­ern nie­der­rei­ßen und jede Gren­ze über­win­den, wenn wir zu den Peri­phe­rien hin­aus­ge­hen und die Gerech­tig­keit und den Frie­den Got­tes kundtun.“

In sei­ner Pre­digt vom 13. Mai erin­ner­te Franziskus

„alle mei­ne Brü­der in der Tau­fe und der Mensch­heit, ins­be­son­de­re die Kran­ken und Behin­der­ten, die Gefan­ge­nen und Arbeits­lo­sen, die Armen und Ver­las­se­nen“, das „jun­ge und schö­ne Gesicht der Kir­che wie­der­zu­ent­decken, das strahlt, wenn sie mis­sio­na­risch, ein­la­dend, frei, treu, arm an Mit­teln und reich an Lie­be ist.“

Die tra­gi­sche und dra­ma­ti­sche Dimen­si­on der Bot­schaft von Fati­ma, die sich um das Ver­ständ­nis von Sün­de und Stra­fe dreht, ist weg­ge­legt. Die Got­tes­mut­ter hat­te der klei­nen Jac­in­ta erklärt, daß die Krie­ge nichts ande­res als die Stra­fe für die Sün­den der Welt sind, und daß die Sün­den gegen die Rein­heit die mei­sten See­len in die Höl­le bringen.

Wenn wir heu­te einen „Drit­ten Welt­krieg in Stücken“ erle­ben, von dem Papst Fran­zis­kus so häu­fig gespro­chen hat, wie käme man dann umhin, ihn nicht mit der schreck­li­chen Explo­si­on der Unmo­ral in unse­rer Zeit in Ver­bin­dung zu brin­gen, die so weit geht, die Umkeh­rung der Moral­ge­set­ze zu legalisieren?

Die Got­tes­mut­ter hat­te eben­so zu Jac­in­ta gesagt: Wenn es nicht zu Umkehr und Buße kommt, wer­de die Mensch­heit gestraft, aber am Ende wer­de ihr Unbe­fleck­tes Herz tri­um­phie­ren, und die gan­ze Welt wer­de sich bekehren.

Heu­te ist nicht nur das Wort Stra­fe ver­haßt, weil die Barm­her­zig­keit Got­tes jede Sün­de tilgt, son­dern auch das Ver­ständ­nis von Umkehr uner­wünscht, weil der Pro­se­ly­tis­mus, laut Papst Fran­zis­kus, „das stärk­ste Gift gegen den öku­me­ni­schen Weg ist“.

Man muß es zuge­ben: Die Neu­in­ter­pre­ta­ti­on der Bot­schaft von Fati­ma nach den sozio­lo­gi­schen Kate­go­rien von Papst Berg­o­glio hat wenig mit der pro­phe­ti­schen Ankün­di­gung des Tri­umphs des Unbe­fleck­ten Her­zen Mari­ens zu tun, die die Got­tes­mut­ter vor 100 Jah­ren der Welt ankündigte.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil – eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, Rup­picht­eroth 2011.

Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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