Malteser International, UNO, Verhütung – Hintergründe des Konflikts, Verstrickungen und ein Brief des Papstes


Malteserorden
Malteserorden: Der vergangenen Samstag wieder in sein Amt eingesetzte Großkanzler Albrecht von Boeselager. Ein Brief von Papst Franziskus vom 1. Dezember 2016 an Kardinal Burke belegt eine päpstliche Kehrtwende um 180 Grad. Die Gründe dafür bleiben unklar.

(Rom) Am 10. Novem­ber 2016 war Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke von Papst Fran­zis­kus in sei­ner Funk­ti­on als Patron des Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­dens in Audi­enz emp­fan­gen wor­den. Das Amt des Kar­di­nal­pa­trons ent­spricht der eines päpst­li­chen Bot­schaf­ters beim Orden, da die­ser ein sou­ve­rä­nes Völ­ker­rechts­sub­jekt ist. Der Kar­di­nal unter­rich­te­te bei die­ser Gele­gen­heit das Kir­chen­ober­haupt über die Situa­ti­on im Orden und beson­ders die Rol­le Albrecht von Boe­se­la­gers, der seit 2014 Groß­kanz­ler des Ordens ist und zuvor Groß­hos­pi­ta­lier war.

Brief von Papst Franziskus an Kardinal Burke vom 1. Dezember 2016

Anzei­ge

Am 1. Dezem­ber über­mit­tel­te der Papst Kar­di­nal Bur­ke ein Schrei­ben. Dar­in for­der­te Fran­zis­kus den Kar­di­nal­pa­tron zu erhöh­ter „Wach­sam­keit“ auf gegen eine Mit­glied­schaft von Ordens­rit­tern in Frei­mau­rer­lo­gen. Der Papst for­der­te zudem ein ent­schlos­se­nes Vor­ge­hen, um die Ver­ant­wort­li­chen zu stop­pen, die im Zuge der Hilfs­pro­gram­me des Ordens in armen Län­dern Ver­hü­tungs­mit­teln ver­tei­len las­sen. Das Schrei­ben wur­de allen Mit­glie­dern des Sou­ve­rä­nen Rates des Ordens zur Kennt­nis gebracht.

Über den Brief berich­te­te gestern Ric­car­do Cascio­li, Chef­re­dak­teur des Monats­ma­ga­zins Il Timo­ne und der Online-Tages­zei­tung Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na, mit dem Hin­weis, das Schrei­ben per­sön­lich gese­hen und gele­sen zu haben. An sei­ner Exi­stenz und Echt­heit gebe es „kei­nen Zweifel“.

Der Brief stellt ein wich­ti­ges Detail in der Vor­ge­schich­te des Kon­flikts um den Mal­te­ser­or­den dar. Am 6. Dezem­ber stell­te Groß­mei­ster Fra Matthew Fest­ing näm­lich, bestä­tigt durch die päpst­li­che Auf­for­de­rung, „ent­schlos­sen“ zu han­deln, sei­nen Groß­kanz­ler von Boe­se­la­ger zur Rede. Die wei­te­re Geschich­te ist bekannt und kann nach­ge­le­sen wer­den. Womit Groß­mei­ster und Kar­di­nal­pa­tron nicht gerech­net hat­ten: Papst Fran­zis­kus ließ sie nach Aus­bruch des Kon­flikts im Regen ste­hen und wand­te sich sogar gegen jene, die er zuvor in einem „ent­schlos­se­nen“ Vor­ge­hen bestärkt hatte.

Kardinalstaatsekretär stellt sich hinter Boeselager

Ein freundlicher Moment für das Pressefoto: Audienz von Kardinal Burke bei Papst Franziskus (November 2016).
Ein freund­li­cher Moment für das Pres­se­fo­to: Audi­enz von Kar­di­nal Bur­ke bei Papst Fran­zis­kus (Novem­ber 2016).

Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin warf Kar­di­nal Bur­ke vor, die Unter­stüt­zung des Pap­stes miß­braucht zu haben, um Boe­se­la­ger abzu­set­zen. Man habe Din­ge klä­ren sol­len, aber der Papst habe „nie gesagt, jeman­den zu ver­ja­gen!“ Nach mas­si­ven Inter­ven­tio­nen des Hei­li­gen Stuhls auf der von Paro­lin vor­ge­ge­be­nen Linie ende­te der Kon­flikt am 24. Janu­ar mit der Rück­tritts­for­de­rung des Pap­stes an Groß­mei­ster Fest­ing. Kar­di­nal Bur­ke bestrei­tet mit Nach­druck, eine Abset­zung Boe­se­la­gers geplant zu haben. Er sei vom Groß­mei­ster am 6. Dezem­ber als Zeu­ge hin­zu­ge­zo­gen wor­den. Der Aus­gang durch Boe­se­la­gers Ver­wei­ge­rung sei nicht abseh­bar gewesen.

Der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär behaup­te­te in einem Schrei­ben vom 21. Dezem­ber, daß der Papst „Dia­log“ und eine Hal­tung der aus­ge­streck­ten Hand gewollt habe, um „Lösun­gen“ zu suchen, wo even­tu­ell gegen das Moral­ge­setz der Kir­che ver­sto­ßen wor­den sei. Damit warf er Kar­di­nal Bur­ke vor, eine mode­ra­te Wort­wahl des Pap­stes ver­schärft zu haben, um sei­ne eige­nen Inter­es­sen zu ver­tre­ten. In Wirk­lich­keit sei die Wort­wahl im päpst­li­chen Schrei­ben vom 1. Dezem­ber kei­nes­wegs kon­zi­li­ant, wie der Staats­se­kre­tär eini­ge Wochen spä­ter dar­stell­te, so Cascio­li. Ganz im Gegenteil.

„Ordensmitglieder haben Mitgliedschaft in Freimaurerlogen aufzugeben“

Wört­lich hat­te der Papst an den Kar­di­nal geschrie­ben: „In Aus­übung sei­ner Auf­ga­be, die geist­li­chen Inter­es­sen des Ordens und sei­ner Mit­glie­der und die Bezie­hun­gen zwi­schen dem Hei­li­gen Stuhl und dem Orden zu för­dern“, so Fran­zis­kus, „gilt es zu ver­mei­den, daß Aus­drucks­for­men eines welt­li­chen Gei­stes in den Orden ein­drin­gen eben­so wie Zuge­hö­rig­kei­ten zu Ver­ei­ni­gun­gen, Bewe­gun­gen und Orga­ni­sa­tio­nen, die gegen den katho­li­schen Glau­ben oder rela­ti­vi­sti­scher Prä­gung sind.“ Die Anspie­lung, so Cascio­li, rich­te­te sich gegen eine frei­mau­re­ri­sche Infil­tra­ti­on unter den Mal­te­ser­rit­tern, die der Papst in per­sön­li­chen Gesprä­chen mehr­fach ange­spro­chen hatte.

„Soll­te sich das her­aus­stel­len, sind die Rit­ter, die even­tu­ell Mit­glie­der sol­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Bewe­gun­gen und Ver­ei­ni­gun­gen sind, auf­zu­for­dern, ihrer Zuge­hö­rig­keit zurück­zu­neh­men, weil die­se mit dem katho­li­schen Glau­ben und der Ordens­zu­ge­hö­rig­keit unver­ein­bar ist.“

In die­sem Brief vom 1. Dezem­ber ging Papst Fran­zis­kus auch auf die Ver­tei­lung von Ver­hü­tungs­mit­teln durch den Mal­te­ser­or­den ein.

„Es ist zudem beson­ders dafür Sor­ge zu tra­gen, daß bei den Initia­ti­ven und Hilfs­wer­ken des Ordens nicht Metho­den und Mit­tel ein­ge­setzt und ver­brei­tet wer­den, die dem Moral­ge­setz wider­spre­chen. Wenn in der Ver­gan­gen­heit in die­sem Bereich die­ses Pro­blem auf­ge­tre­ten ist, so hof­fe ich, daß es voll­stän­dig gelöst wer­den kann. Es wür­de mir ehr­lich miß­fal­len, wenn eini­ge hohe Offi­zie­re – wie Sie selbst mir berich­tet haben -, obwohl sie von die­ser Pra­xis wuß­ten, vor allem von der Ver­tei­lung von Ver­hü­tungs­mit­teln jeder Art, nicht dage­gen ein­ge­schrit­ten sind, um dem ein Ende zu setzen.“

Päpstliche Direktiven – Boeselagers Verweigerung

Die Direk­ti­ven des Pap­stes an den Kar­di­nal­pa­tron und den Groß­mei­ster waren dem­nach ein­deu­tig. Wie aber soll­te gegen die Ver­ant­wort­li­chen des Skan­dals vor­ge­gan­gen wer­den? Dazu schrieb Papst Fran­zis­kus: „Ich bezweif­le aber nicht, daß es – folgt man dem Prin­zip des Pau­lus, sich, von der Lie­be gelei­tet, an die Wahr­heit zu hal­ten (Eph 4,15) – gelin­gen wird, mit jenen in einen Dia­log zu tre­ten und die not­wen­di­ge Ände­rung zu errei­chen.“ Soweit die Anwei­sung und die Hoff­nung des Papstes.

Was aber, wenn die Ange­spro­che­nen sich gar nicht ändern wol­len, oder kein Schuld­be­wußt­sein haben? „Es geht nicht um ein klei­nes, iso­lier­tes Pro­blem, son­dern um Prak­ti­ken, die zumin­dest bis in jüng­ste Zeit her­auf betrie­ben wur­den und vor allem ideo­lo­gisch von Ver­ant­wort­li­chen wie Boe­se­la­ger, der bis 2014 der direk­te Ver­ant­wort­li­che die­ser Pro­jek­te war, geteilt wur­den“, so Cascioli.

Groß­mei­ster Fest­ing ver­such­te Boe­se­la­ger mit der Fra­ge zu kon­fron­tie­ren. Vor allem soll­te Boe­se­la­ger sei­ne Ver­ant­wor­tung für die Ver­teil­ak­tio­nen von Ver­hü­tungs­mit­teln „jeder Art“, wie der Papst geschrie­ben hat­te, ein­ge­ste­hen. Das aber ver­wei­ger­te Boe­se­la­ger. Sei­ne unein­sich­ti­ge Hal­tung ver­an­laß­te den empör­ten Groß­mei­ster, Boe­se­la­ger zu ent­las­sen. Der Sou­ve­rä­ne Rat wähl­te dar­auf einen neu­en Großkanzler.

Der damit aus­ge­bro­che­ne Kon­flikt nahm dann jedoch eine unge­wöhn­li­che Wendung.

„Man kann nicht anders, als dar­über stau­nen, daß der Mann, der objek­tiv für die vom Papst ver­ur­teil­ten Pro­jek­te ver­ant­wort­lich ist, ver­gan­ge­nen Sams­tag wie­der reha­bi­li­tiert und in sein Amt als Groß­kanz­ler ein­ge­setzt wur­de, als sei nichts gewe­sen. Man kann nur dar­über stau­nen, daß er als Sie­ger her­vor­geht, wäh­rend jene, die den Anwei­sun­gen des Pap­stes Fol­ge gelei­stet haben, abge­sägt, gede­mü­tigt und öffent­lich an den Pran­ger gestellt wer­den“, so Cascioli.

Unter jenen, die medi­al an den Pran­ger stell­ten, fin­det sich Jörg Bre­mer von der Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tung. Bre­mer war bereits im Mai 2015 als befreun­de­ter Jour­na­list zur geschlos­se­nen Ver­an­stal­tung der Kas­pe­ria­ner an der Gre­go­ria­na gela­den wor­den, wo man sich traf, um die Stra­te­gie für die Bischofs­syn­ode im Okto­ber 2015 festzulegen.

Annullierung aller Beschlüsse, auch die Untersuchung eines 120-Millionen-Nachlasses

Vor allem geht aus dem Brief des Pap­stes vom 1. Dezem­ber und dem Brief des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs vom 21. Dezem­ber ein deut­li­cher Unter­schied der Posi­tio­nen her­vor. Kar­di­nal Paro­lin stell­te sich eisern hin­ter Boe­se­la­ger und droh­te mit der kom­mis­sa­ri­schen Ver­wal­tung des Ordens. Eine Dro­hung, die nicht ohne Ein­druck blieb. Der Hei­li­ge Stuhl gab die Annul­lie­rung aller Ent­schei­dun­gen von Groß­mei­ster Fest­ing und des Sou­ve­rä­nen Rats seit dem 6. Dezem­ber bekannt. Ein Ein­griff, der die Sou­ve­rä­ni­tät des Ordens zur Maku­la­tur machte.

Bringt Malteser Hilfswerk (Malteser International) den Malteserorden in Mißkredit?
Bringt Mal­te­ser Hilfs­werk (Mal­te­ser Inter­na­tio­nal) den Mal­te­ser­or­den in Mißkredit?

Kon­kret ging es dabei nicht nur um die Abset­zung und Erset­zung von Boe­se­la­ger als Groß­kanz­ler. Es ging auch um die Ein­set­zung einer ordens­in­ter­nen Unter­su­chungs­kom­mis­si­on, die Klar­heit über einen „geheim­nis­vol­len“ Nach­laß von 120 Mil­lio­nen Schwei­zer Fran­ken schaf­fen soll­te. Der so wohl­do­tier­te Nach­laß kam ins Gere­de, weil zumin­dest drei der fünf Mit­glie­der der vom Vati­kan ein­ge­setz­ten Unter­su­chungs­kom­mis­si­on zur Abset­zung Boe­se­la­gers mit die­sem in per­sön­li­chen und geschäft­li­chen Bezie­hun­gen ste­hen sol­len, die direkt mit die­sem Nach­laß zu tun hät­ten. Groß­mei­ster Fest­ing sprach von Befan­gen­heit, doch küm­mer­te das im Vati­kan nicht mehr. Papst Fran­zis­kus berief sich bei sei­ner Rück­tritts­for­de­rung auf den Bericht die­ser omi­nö­sen Kom­mis­si­on. Was den Mil­lio­nen-Nach­laß anbe­langt, fühl­te sich Groß­mei­ster Fest­ing  hin­ter­gan­gen. Vom Nach­laß scheint er nichts gewußt zu haben, sehr wohl aber Boe­se­la­ger, der – „wie es scheint“, so Cascio­li, auch ein direk­tes Inter­es­se an die­sem Nach­laß hatte.

Mit der päpst­li­chen Annul­lie­rung aller Ent­schei­dun­gen des Groß­mei­sters, wur­de auch die ordens­in­ter­ne Unter­su­chungs­kom­mis­si­on besei­tigt, die Klar­heit zum Nach­laß schaf­fen hät­te sollen.

Verteilung von Verhütungsmitteln war kein „Unfall“, sondern hatte „System“

Zurück zur Ver­tei­lung von Ver­hü­tungs­mit­teln. Cascio­li schrieb gestern dazu:

Es gehe „nicht nur um die Ver­tei­lung von Ver­hü­tungs­mit­teln, auch mit abtrei­ben­der Wir­kung, in Myan­mar, Kenia, im Süd­su­dan und auch in Deutsch­land, und das jah­re­lang, son­dern auch um die theo­re­ti­sche Recht­fer­ti­gung die­ses Ver­hal­tens, das im Wider­spruch zur Leh­re der Kir­che steht. Von wegen nur ein ein klei­ner ‚Unfall‘ in Myan­mar, der sofort been­det wor­den sei, sobald man ihn ent­deckt habe. Wir spre­chen von einem Skan­dal, der in den ver­gan­ge­nen Mona­ten die Grund­la­ge für dem Kon­flikt im Mal­te­ser­or­den bil­de­te, und der durch das auf­se­hen­er­re­gen­de Ein­grei­fen des Hei­li­gen Stuhls inter­na­tio­nal bekannt wur­de und zum erzwun­ge­nen Rück­tritt des Groß­mei­sters führte.“

Boe­se­la­ger war von 1989 bis 2014 Groß­hos­pi­ta­lier des Ordens und als sol­cher direkt für Mal­te­ser Inter­na­tio­nal zustän­dig, dem welt­wei­ten Hilfs­werk des Ordens, der der­zeit mehr als 120 Pro­jekt in 24 Staa­ten betreut. Mal­te­ser Inter­na­tio­nal hat sei­nen Sitz in Deutsch­land, wo 2005 zum wei­te­ren Aus­bau Mal­te­ser Deutsch­land gegrün­det wur­de. Das Hilfs­werk geriet in die Kri­tik, weil es an Pro­gram­men von Regie­run­gen und inter­na­tio­na­len Insti­tu­tio­nen zur Vor­sor­ge gegen AIDS und zur Durch­set­zung von „Dien­sten zur repro­duk­ti­ver Gesund­heit“ teil­nimmt. „Repro­duk­ti­ve Gesund­heit“ meint als Tarn­wort nichts ande­res als die För­de­rung von Ver­hü­tung und Abtrei­bung. Bedin­gung für die Teil­nah­me an die­sen Regie­rungs­pro­gram­men ist die Ver­tei­lung von Verhütungsmitteln.

Als der Skan­dal durch sei­ne Abset­zung öffent­lich wur­de, bestritt Boe­se­la­ger jede Ver­ant­wor­tung und sprach von „nur einem Pro­jekt“ in Myan­mar, das von ihm sofort been­det wor­den sei, als ihm bewußt wur­de, was dort geschah.

Dokumentation widerlegt Boeselager

„Die uns vor­lie­gen­de Doku­men­ta­ti­on“, so Cascio­li“, zeigt, daß die Sache anders liegt. Die Doku­men­te sind zum Teil frei im Inter­net ein­seh­bar.“ Im Mit­tel­punkt der Ange­le­gen­heit ste­hen auch Hilfs­pro­gram­me für afri­ka­ni­sche Staaten.

„Es han­delt sich nicht um ‚Unfäl­le‘, son­dern um eine syste­ma­ti­sche Umset­zung von Richt­li­ni­en von Mal­te­ser Inter­na­tio­nal.“

Alles geschah hin­ter dem Rücken des Groß­mei­sters, den der Groß­hos­pi­ta­lier infor­mie­ren hät­te müs­sen, was er offen­bar nicht getan hat. Erst 2014, nach­dem Boe­se­la­ger zum Groß­kanz­ler auf­ge­stie­gen war, erhielt der Groß­mei­ster einen ersten Hin­weis zu Myan­mar, dann auch zu Kenia und spä­ter zum Südsudan.

Am 29. Mai 2015 ent­schloß sich der Groß­mei­ster eine ordens­in­ter­ne Unter­su­chungs­kom­mis­si­on ein­zu­set­zen, die aus John Haas, Luke Gor­mal­ly und Neil Weir bestand. Im Febru­ar 2016 leg­te die Kom­mis­si­on dem Groß­mei­ster den Schluß­be­richt vor. Dar­auf setz­ten Fest­ings Ver­su­che ein, die Sache offi­zi­ell auf­zu­klä­ren und die genau­en Ver­ant­wort­lich­kei­ten zu klä­ren. Die Bemü­hun­gen ende­ten am 6. Dezem­ber mit der Ent­las­sung Boe­se­la­gers als Großkanzler.

Was hatte die ordensinterne Kommission gefunden?

„Es ist klar bewie­sen, daß Mal­te­ser Inter­na­tio­nal in Gesund­heits­pro­jek­te ver­strickt ist – Prä­ven­ti­on gegen HIV, AIDS und ande­re sexu­ell über­trag­ba­re Krank­hei­ten und Gebur­ten­kon­trol­le – die die Ver­tei­lung von Ver­hü­tungs­mit­teln mit einschließen.“

Die Bewei­se betref­fen ein Pro­jekt in Kenia im Zeit­raum 2006–2011, das von der berüch­tig­ten, neo­mal­thu­sia­ni­schen Abtrei­bungs­or­ga­ni­sa­ti­on Path­fin­der Inter­na­tio­nal in den USA finan­ziert wur­de. Die 1957 gegrün­de­te Orga­ni­sa­ti­on hat nur ein Ziel: Geburtenkontrolle.

Ein ande­res Pro­jekt betrifft Myan­mar (2006–2011) in Zusam­men­ar­beit mit Glo­bal Fund , einer Orga­ni­sa­ti­on mit Sitz in Genf, ohne Berüh­rungs­äng­ste zu Sexu­al and Repro­duc­ti­ve Health and Rights. Im Jah­res­be­richt weist Glo­bal Fund als Lei­stung aus, allein 2014 5,1 Mil­li­ar­den Kon­do­me ver­teilt zu haben. Teil des Pro­jekts mit Mal­te­ser Inter­na­tio­nal war auch die Ver­tei­lung von Ver­hü­tungs­mit­teln. Glo­bal Fund ent­stand 2001/​2002. Der erste gro­ße Ein­zel­spen­der war mit 100 Mil­lio­nen Bill Gates, der bekannt­lich zu den ent­schlos­se­nen Abtrei­bungs­be­für­wor­ten gehört. Sein Vater war Vor­stands­mit­glied von Plan­ned Paren­thood.

Bei­de Orga­ni­sa­tio­nen ris­kie­ren unter das Finan­zie­rungs­ver­bot zu fal­len, das US-Prä­si­dent Donald Trump mit der Mexi­co City Poli­cy wie­der in Kraft setz­te. Die US-Orga­ni­sa­ti­on Path­fin­der mit Sicher­heit. Path­fin­der ver­fügt über einen Jah­res­haus­halt von 100 Mil­lio­nen Dol­lar, Glo­bal Fund aber über meh­re­re Mil­li­ar­den, die zum weit­aus größ­ten Teil Steu­er­gel­der sind, die von Staa­ten oder UNO-Orga­ni­sa­tio­nen aus­be­zahlt werden.

Wei­te­re Pro­jek­te betref­fen den Zeit­raum 2006–2015 unter ande­rem in Zusam­men­ar­beit mit Save the Child­ren in Bir­ma zur Vor­sor­ge gegen sexu­ell über­trag­ba­re Krank­hei­ten und zur Gebur­ten­kon­trol­le. Neben Kon­do­men wur­den auch in gro­ßen Men­gen Ver­hü­tungs­pil­len ver­teilt, dar­un­ter auch das berüch­tig­te Depo-Pro­ve­ra. Save the Child­ren, 1919 gegrün­det, behaup­tet zwar, in sei­nen Pro­gram­men Abtrei­bung nicht zu unter­stüt­zen, bekennt sich aber zur „Wahl­frei­heit“ der Frau und ihrem „Recht“ auf eine „siche­re Abtrei­bung“. Zudem ver­teilt die Orga­ni­sa­ti­on Ver­hü­tungs­mit­tel mit abtrei­ben­der Wir­kung, wie im eige­nen Jah­res­be­richt zuge­ge­ben wird. Save the Child­ren ist damit trotz anders­lau­ten­der Behaup­tung Teil der Abtrei­bungs­lob­by. Die Orga­ni­sa­ti­on ver­fügt über einen Jah­res­haus­halt von mehr als 1,5 Mil­li­ar­den Dollar.

Für Myan­mar liste­te die Unter­su­chungs­kom­mis­si­on die För­de­rung und Finan­zie­rung eines Bera­ters auf. Vor­aus­set­zung im Anstel­lungs­ver­fah­ren war, daß der Kan­di­dat „den rich­ti­gen Gebrauch von Ver­hü­tungs­mit­teln bei­brin­gen“ kön­nen muß.

Weitere Verstrickungen von Malteser International

Bewei­se für die Ver­strickung von Mal­te­ser Inter­na­tio­nal in Akti­vi­tä­ten, die der kirch­li­chen Moral­leh­re wider­spre­chen, fin­den sich auch in einem geson­der­ten Bericht, der vom Lepan­to Insti­tu­te in den USA erstellt wur­de. Das Insti­tut stützt sich dabei auf offi­zi­el­le Berich­te von UNO-Agen­tu­ren, dar­un­ter UNAIDS und UNDP. Dem­nach kas­sier­te Mal­te­ser Inter­na­tio­nal „Mil­lio­nen über Mil­lio­nen“ Dol­lar von der UNO unter der Vor­aus­set­zung, daß das katho­li­sche Hilfs­werk im Gegen­zug die UNO-Poli­tik zur Gebur­ten­kon­trol­le unter­stützt. 2011–2012 erreich­ten die­se Akti­vi­tä­ten auch den Südsudan.

Weit erhel­len­der noch sei­en die eige­nen Richt­li­ni­en von Mal­te­ser Inter­na­tio­nal zu bio­ethi­schen Fra­gen: „Bio­ethik – Grund­sät­ze zu Gebur­ten­pla­nung und repro­duk­ti­ver Gesund­heit“. Dar­in heißt es: „Die Ver­hü­tungs­mit­tel wer­den dort ver­teilt, wo die Paa­re kei­ne natür­li­chen Metho­den anwen­den kön­nen.“ Wei­ter: „Der Gebrauch von Kon­do­men ist grund­sätz­lich akzep­ta­bel, um sexu­ell über­trag­ba­ren Krank­hei­ten vor­zu­beu­gen.“ Und wei­ter: „Mal­te­ser Inter­na­tio­nal ver­hält sich neu­tral zur Mög­lich­keit, Infor­ma­tio­nen zu Metho­den zu geben, um die Über­tra­gung des HIV-Virus vor­zu­beu­gen.“ Und schließ­lich: „Es gibt Situa­tio­nen, in denen Mal­te­ser Inter­na­tio­nal ein Gleich­ge­wicht fin­den muß zwi­schen der Leh­re der Kir­che und dem, was dafür gehal­ten wird.“

Im Jah­res­be­richt 2005 von UNAIDS wird Mal­te­ser Inter­na­tio­nal als Part­ner der UNO-Agen­tur auf­ge­führt und als „Fach­or­ga­ni­sa­ti­on“ in Sachen „Fami­li­en­pla­nung“ genannt, die Ver­hü­tungs­mit­tel verteile.

„Kurz­um, es wird deut­lich, daß die Ver­tei­lung von Ver­hü­tungs­mit­teln kei­nes­wegs ein Betriebs­un­fall war, son­dern das Ergeb­nis einer festen Über­zeu­gung ist, die im Lau­fe der Jah­re gereift ist und nach wie vor gilt“, so Cascio­li unter Ver­weis auf die Berich­te der ordens­in­ter­nen Kom­mis­si­on und des Lepan­to Insti­tu­te. Für den Wider­spruch gegen die katho­li­sche Moral­leh­re hol­te sich Mal­te­ser Inter­na­tio­nal sogar theo­lo­gi­sche Rück­deckung durch Bischof Marc Sten­ger von Troy­es. Bischof Sten­ger aus dem deutschloth­rin­gi­schen Phals­bourg (Pfalz­burg) ist als geist­li­cher Assi­stent von Mal­te­ser Inter­na­tio­nal und zugleich als Vor­sit­zen­der von Pax Chri­sti in Frank­reich tätig. Auf ihn gehe eine ethi­sche Hal­tung zurück, die mit der Sozi­al­leh­re der Kir­che „unver­ein­bar ist“, so Cascioli.

Globales Problem für die Kirche

Das Pro­blem beschränkt sich nicht nur auf das inter­na­tio­na­le Hilfs­werk des Mal­te­ser­or­dens. Durch die enge Zusam­men­ar­beit mit lai­zi­sti­schen Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen und die üppi­gen UNO-Finan­zie­run­gen von Pro­jek­ten haben sich in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten etli­che katho­li­sche Orga­ni­sa­tio­nen in das neo­mal­thu­sia­ni­sche System von Ver­hü­tung und Abtrei­bung zur Bevöl­ke­rungs­re­du­zie­rung ver­stricken lassen.

Der Brief von Papst Fran­zis­kus vom 1. Dezem­ber an Kar­di­nal­pa­tron Bur­ke und die bei­den Berich­te über die Akti­vi­tä­ten von Mal­te­ser Inter­na­tio­nal, die im Wider­spruch zur katho­li­schen Moral­leh­re ste­hen, las­sen den Kon­flikt, der mit der Abset­zung Boe­se­la­gers begann und mit dem erzwun­ge­nen Rück­tritt von Groß­mei­ster Fest­ing ein wenig rühm­li­ches, vor­läu­fi­ges Ende fand, noch ein­mal in einem ganz ande­ren Licht erscheinen.

Tat­sa­che ist, daß Groß­mei­ster Fest­ing, der sich nichts zuschul­den hat­te kom­men las­sen, der gede­mü­tig­te Ver­lie­rer ist und Boe­se­la­ger, trotz sei­ner Ver­ant­wor­tung für Akti­vi­tä­ten im Wider­spruch zur katho­li­schen Moral­leh­re als strah­len­der Sie­ger wie­der in Amt und Wür­den sitzt. Der Mal­te­ser­or­den muß­te sich völ­lig unter­wer­fen, um eine kom­mis­sa­ri­sche Ver­wal­tung abzu­wen­den. Was von sei­ner Sou­ve­rä­ni­tät übrig­bleibt ist völ­lig unge­wiß. Dun­kel bleibt vor allem die 180-Grad-Wen­dung von Papst Fran­zis­kus zwi­schen dem 1. und dem 21. Dezember.

[Update] Path­fin­der Inter­na­tio­nal ver­fügt über einen Jah­res­haus­halt von rund 100 Mil­lio­nen Dol­lar. Die anfäng­lich geschrie­ben 100.000 Mil­lio­nen Dol­lar waren ein offen­sicht­li­cher Tipp­feh­ler, für den wir uns entschuldigen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Orderof​mal​ta​.org/​V​a​t​i​c​a​n​.va (Screen­shots)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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9 Kommentare

  1. Und wie­der ein­mal steht ein „libe­ra­ler deut­scher Katho­lik“ am Anfang die­ses unfass­ba­ren Vor­gangs. Es ist zutiefst beschä­mend, in wel­cher Wei­se Men­schen wie Boe­se­la­ger ihre per­sön­li­chen Sicht­wei­sen und Befind­lich­kei­ten über die Wahr­heit der Leh­re stel­len – und dabei Rücken­deckung durch das Ober­haupt der Katho­li­schen Kir­che erhalten.

  2. Wie kann man einen Brief Berg­o­gli­os ernst­neh­men, in dem er zum Kampf gegen Frei­mau­rer und zur Wah­rung des Moral­ge­set­zes auf­ruft, wäh­rend er doch mit Amo­ris lae­ti­tia gera­de letz­te­res untergräbt!?

    • @hicesthodie
      Und was, wenn sie die­sen Brief nicht ernst genom­men hätten?!?
      Die Dubia steht im Raum und mit die­sem Brief stand Ray­mond Kard­insl Bur­ke plötz­lich in der Zwick­müh­le – egal was er tut, er ver­liert. Wir wer­den es sehen…

  3. Die­ser Arti­kel wirft ein neu­es Licht auf die Mal­te­ser-Geschich­te. Papst Fran­zis­kus wider­spricht tat­säch­lich sich selbst, indem er zuerst in einem Schrei­ben für die kirch­li­che Leh­re bezüg­lich Ver­hü­tungs­mit­teln ein­tritt und danach gegen­tei­lig handelt.

    • Lie­ber dhmg,
      wenn etwas an die­sem Pon­ti­fi­kat kon­stant ist, dann sei­ne Widerspruechlichkeit.
      Das an Franz fest­zu­ma­chen wae­re unfair, denn er tut nur, was seit Vat II die Sprach­re­ge­lung in Rom ist.
      „These-Antithese=Synthese“
      „Mehr­heit ist Wahrheit“
      „Ich glau­be nur, was ich sehe“
      Wie erfri­schend wae­re es, das Gan­ze ein­fach auf NULL her­un­ter­zu­fah­ren, ja es wuer­de die bekann­te Welt aus den Angeln heben, aber vor Allem wie­der neu­en Glau­ben hervorbringen.
      Ich glau­be nur ein Mensch kann so etwas nicht mehr, dazu muss Chri­stus selbst kommen.
      Das er das tun wird, ist gewiss!
      Wehe denen die den Glau­bens­ab­fall unter­stuetzt haben !

  4. Es zeugt nicht gera­de von beson­de­rer Rit­ter­lich­keit, wenn ein abge­setz­ter Groß­kanz­ler auf Bie­gen und Bre­chen sei­nen inzwi­schen schon ver­ge­be­nen Posten zurück haben will. Da muss doch – ach wer hät­te es geahnt- das lie­be Geld dahin­ter stecken! Was sind auch schon Moral­vor­stel­lun­gen gegen Mil­lio­nen­be­trä­ge?! In die­sen Krei­sen ein­fach nur Peanuts!

  5. @ Bischof Felllay
    Excel­lenx, bit­te lesen Sie das und spre­chen Sie mit Ray­mond Kar­di­nal Bur­ke, bevor Sie irgend­et­was in die­sem Rom unterschreiben.
    Ja, Gott schreibt auch auf krum­men Zei­len gera­de, aber das hat er ja die letz­ten 47 Jah­re auch getan!

    • Ich fürch­te, dass die Ent­schei­dungs­frei­heit, etwas zu tun oder zu las­sen, manch­mal sehr ein­ge­schränkt wer­den kann.

    • Genau das hab ich mir auch schon län­ger gedacht.
      Sobald die Ein­heit der Pius­brü­der mit Rom wie­der her­ge­stellt ist, wer­den von Rom ganz ande­re Sai­ten aufgezogen.
      Davon bin ich hun­dert­pro­zen­tig überzeugt.

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