Jesuiten bieten Exerzitien „mit Luther und Ignatius als Glaubenszeugen“


Wiens Jesuiten bieten "Exerzitien" nach einem spirituelle Cocktail von Martin Luther und Ignatius von Loyola.
Wiens Jesuiten bieten "Exerzitien" nach einem spirituelle Cocktail von Martin Luther und Ignatius von Loyola.

(Wien) Wiens Jesui­ten möch­ten mit „Öku­me­ni­schen Exer­zi­ti­en im All­tag mit Luther und Igna­ti­us als Glau­bens­zeu­gen“ schaf­fen, was noch kei­nem gelun­gen ist: die Qua­dra­tur des Kreises.

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Unter dem Mot­to „Mein Leben refor­mie­ren“ wer­den im März an jedem Don­ners­tag an der Wie­ner Jesui­ten­kir­che am Ignaz-Sei­pel-Platz „Exer­zi­ti­en im All­tag“ ange­bo­ten. Die „Initia­ti­ve der Jesui­ten in Wien 1“, wie es auf den Pla­ka­ten und Ein­la­dungs­zet­teln heißt, birgt eine „öku­me­ni­sche“ Sen­sa­ti­on. Die Exer­zi­ti­en im All­tag fin­den „mit Luther und Igna­ti­us als Glau­bens­zeu­gen“ statt.

„Reformation“ und „Gegenreformation“

Mit Luther ist der Sach­se Mar­tin Luther gemeint, der im Janu­ar 1521 von Papst Leo X. als Häre­ti­ker exkom­mu­ni­ziert wur­de, und über den im Mai des­sel­ben Jah­res von Kai­ser Karl V. die Reichs­acht ver­hängt wur­de. Luther schaff­te das Wei­he­prie­ster­tum und die Hei­li­ge Mes­se ab und bis auf die Tau­fe alle Sakra­men­te. Er ver­faß­te zwar die Schrift „Von der Frei­heit eines Chri­sten­men­schen“, behaup­te­te aber, daß der Mensch kei­nen frei­en Wil­len habe.

"Exerzitien im Alltag mit Luther und Ignatius als Glaubenszeugen"
„Exer­zi­ti­en im All­tag mit Luther und Igna­ti­us als Glaubenszeugen“

Mit Igna­ti­us ist der hei­li­ge Igna­ti­us von Loyo­la, ein Bas­ke, gemeint, der zeit­gleich im Mai 1521 als Sol­dat im Krieg gegen Frank­reich schwer ver­letzt wur­de. Wäh­rend sei­ner Gene­sung im Klo­ster Monts­er­rat leg­te er eine Lebens­beich­te ab und die Waf­fen nie­der und wur­de vom ade­li­gen Sol­da­ten zum armen Pilger.1534 leg­te er durch ein Gelöb­nis in Paris den Grund­stein zum Jesui­ten­or­den, der sich in den Dienst des von Luther ver­haß­ten Papst­tums stell­te, um in den Län­dern zu mis­sio­nie­ren, die durch Luther und ande­re „Refor­ma­to­ren“ von der Kir­che abge­fal­len waren.

Als Loyo­la 1556, zehn Jah­re nach Luther, stirbt, zähl­te der Jesui­ten­or­den bereits über 1000 Mit­glie­der. Der bas­ki­sche Ade­li­ge, der frei­wil­lig zum Bett­ler gewor­den war, hat­te die Keim­zel­le zur „Fuß­trup­pe“ für die katho­li­sche Erneue­rung gelegt, die als „Gegen­re­for­ma­ti­on“ in die Geschich­te ein­ge­hen sollte.

Was jahr­hun­der­te­lang Sym­bol­fi­gu­ren von „Refor­ma­ti­on“ und „Gegen­re­for­ma­ti­on“ waren, wol­len die Jesui­ten der Wie­ner Alt­stadt einem radi­ka­len Geschichts­re­vi­sio­nis­mus unter­zie­hen und zu trau­ter Har­mo­nie und Ein­tracht zusam­men­pres­sen. Die„kontroverstheologische“ Sicht Luthers und des hei­li­gen Igna­ti­us soll durch eine öku­me­ni­sche-dia­lo­gi­sche Sicht ersetzt wer­den. Man könn­te auch sagen, die wirk­li­che Sicht­wei­se der Betrof­fe­nen soll durch eine fik­ti­ve, 500 Jah­re spä­ter gewünsch­te Sicht­wei­se über­tüncht werden.

Mit einer Selbst­ver­ständ­lich­keit wird von den Jesui­ten sug­ge­riert, daß Mar­tin Luther und der hei­li­ge Igna­ti­us „Zeu­gen“ des­sel­ben Glau­bens seien.

Papst Franziskus: „Luther wollte Kirche erneuern, nicht spalten“

Bereits 2014 hat­te die Deut­sche Jesui­ten­pro­vinz die Juni-Aus­ga­be ihrer Monats­zeit­schrift Jesui­tenIgna­ti­us und Luther“ gewid­met.

Völ­lig unhi­sto­risch, wie die ange­kün­dig­ten „Öku­me­ni­schen Exer­zi­ti­en“, wur­de dar­in Luther vom Jesui­ten Mar­kus Schmidt in des­sen Auf­satz „Luther aus der Sicht eines Jesui­ten heu­te“ skiz­ziert. Schmidt kann nichts Anstö­ßi­ges an Luthers Leben, Wir­ken und Schrif­ten fin­den. Er biegt Luther so zurecht, daß er per­fekt in das gewünsch­te Öku­men­ever­ständ­nis des „gemein­sa­men Refor­ma­ti­ons­ge­den­kens“ des 21. Jahr­hun­derts paßt. Schmidt ist Assi­stenz­pro­fes­sor am Insti­tut für Syste­mi­sche Theo­lo­gie der der Uni­ver­si­tät Innsbruck.

Weit ehr­li­cher ist der Arti­kel des Pro­te­stan­ten Chri­stoph Picker zum The­ma „Stolz und Vor­ur­teil. Wie sehen Pro­te­stan­ten heu­te Igna­ti­us?“ Picker ist Direk­tor der Evan­ge­li­schen Aka­de­mie der Pfalz.

Am ver­gan­ge­nen 19. Janu­ar emp­fing Papst Fran­zis­kus eine „öku­me­ni­sche Dele­ga­ti­on“ aus Finn­land. In sei­ner Anspra­che sag­te er:

„In Lund wur­de dar­an erin­nert, daß es vor 500 Jah­ren die Absicht Mar­tin Luthers war, die Kir­che zu erneu­ern, nicht zu spalten.“

Das haben bis­her so ähn­lich nur die Pro­te­stan­ten behaup­tet. Wer die Geschich­te kennt, weiß, daß es anders war. Ange­sichts sol­cher päpst­li­cher Wor­te, schei­nen die Wie­ner „Exer­zi­ti­en im All­tag mit Luther und Igna­ti­us“ nur eine logi­sche Konsequenz.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: JesuitenWien1/​Jesuiten (Screen­shots)

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